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Wieso, weshalb, warum? Das MünchhausenTrilemma
Wer nicht fragt, bleibt dumm. Wer fragt, aber auch. Warum wir die absolute Wahrheit vergessen können.
Ach, Gott, das ist eine Wissenschaft für sich! plappern wir gerne daher, wenn sich uns etwas nicht sofort einleuchtend erschließt. Damit meinen wir oft: Männer, Frauen, das ohne Komplikationen glückende Aufstellen eines IKEA-Regales oder auch das Kneten des ersten eigenen Lasagneteigs. Dann rufen wir die beste Freundin oder den besten Freund an, stellen fest, dass sich so ein Möbelstück mit Gewaltanwendung viel schneller zusammenpfriemeln lässt oder bieten dem Italiener an der Ecke das Du an. Und fragen ganz viel.
Jetzt kommt aber das Münchhausen-Trilemma dazwischen, welches uns jegliche Theorie, aus der wir uns Antworten, die keine weiteren Fragen offenlassen, zurechtlegen könnten, zunichte macht. Es lacht einen hässlich dissonanten Trilemma-Akkord und verwehrt uns jegliche Aussicht auf Letztbegründung eines wissenschaftlichen Phänomens. Die absolute Wahrheit können wir vergessen.
Schon früh hat mich diese Thematik unbewusst beschäftigt: während ich im Kleinkindalter mit meinen Eltern ausgiebig bergwanderte, die meiste Zeit in der Rückentrage thronend, wohlgemerkt, interessierten mich weder Flora, Fauna, Höhenmeter noch Blasen an den Füßen. Sondern einzig und allein, was denn wäre, wenn unser Stamm-Supermarkt gerade dann keine einzige Tüte Gummibärchen mehr vorrätig hätte, wenn ich eine zu kaufen gedenkte. Dann gehst Du eben in den anderen Supermarkt, den in der Bahnhofstraße, antwortete mein Vater ruhig. Ja, aber wenn es dort auch keine Gummibärchen mehr gibt? So hakten wir alle Supermärkte im Umkreis von 15 Kilometern ab und ich war erst still, als meine Mutter eine Tüte Gummibärchen aus ihrem Rucksack zog und mir den Mund stopfte.
Infiniter Regress nennt man das Begründen einer Begründung bis ins Unendliche, was nie zu einer allgemeingültigen Letztbegründung führen kann. Ich stellte mir zu der Zeit, als ich mich um die Süßigkeitenreservoirs der mich beherbergenden hessischen Kleinstadt sorgte, oft ein an dieser Stelle wunderbar passendes Bild vor: einen Fernseher, den man in einem Fernseher sieht und darin wiederum einen Fernseher und so weiter, bis die Fernseher so klein waren, dass ich sie mit bloßem Auge nicht mehr als solche erkennen konnte. Das war mein gedankliches Playmobil und hat mich fasziniert wie sonst nur die Fähigkeit meines Onkels, Kühe zu imitieren.
Zirkelschluss heißt der zweite Grund dafür, warum alles, was eine Wissenschaft für sich ist, nicht zufriedenstellend erklärt werden kann. Man könnte es auch Teufelskreis nennen oder argumentative Pirouette die Begründung des Phänomens ist schon im Phänomen enthalten: Warum legen Hühner Eier? Weil sie Hühner sind!, Und warum sind sie Hühner? Zum Beispiel, weil sie Eier legen!, wäre hier ein Beispiel.
Das Trio wird durch die dogmatische Setzung komplettiert: dabei wird schlichtweg behauptet, dass die gegebene Begründung das Phänomen komplett erklärt, gerne auch durch ein Das is so. oder Basta! untermalt. Man zieht sich wie der Lügenbaron am eigenen Schopfe aus dem Sumpf der Erklärungsnot, indem man unbegründete Dogmen zur absoluten Wahrheit deklariert.
Ein gewisser Hans Albert hat sich das Münchhausen-Trilemma als Theorie für das alte erkenntnistheoretische Problem der Begründbarkeit wissenschaftlicher Aussagen ausgedacht und in seinem Traktat über kritische Vernunft 1968 veröffentlicht.
Hans Albert? Ich kenn nur Hans Albers!, ja, war auch mein erster Gedanke. Und besagter Hamburger Volksschauspieler spielte ausgerechnet den Lügenbaron in der Münchhausen-Verfilmung! Genau ein Vierteljahrhundert, bevor sein Fast-Namensvetter das Prinzip der kritischen Vernunft propagierte: einfach nicht mehr nach letzten Begründungen, sondern nur noch nach bestmöglichen Lösungsmöglichkeiten und Erklärungen zu suchen.
Wie ist das also mit den Männern und Frauen? Dem IKEA-Regal und dem Lasagneteig? Wir rufen immernoch die beste Freundin oder den besten Freund an, stellen fest, dass sich auch andere Möbelstücke mit Gewaltanwendung viel schneller zusammenpfriemeln lassen und fragen den Italiener an der Ecke, ob er wirklich nicht mit Adriano Celentano verwandt ist. Während Luigi Azzuro pfeift, schleichen wir uns langsam durch den Lieferanteneingang auf die Straße und singen leise: The answer, my friend, is blowing in the wind. Und freuen uns, dass ein Problem nur selten ein Trilemma, sondern meistens bloß ein lächerliches Dilemma ist.
Ach, Gott, das ist eine Wissenschaft für sich! plappern wir gerne daher, wenn sich uns etwas nicht sofort einleuchtend erschließt. Damit meinen wir oft: Männer, Frauen, das ohne Komplikationen glückende Aufstellen eines IKEA-Regales oder auch das Kneten des ersten eigenen Lasagneteigs. Dann rufen wir die beste Freundin oder den besten Freund an, stellen fest, dass sich so ein Möbelstück mit Gewaltanwendung viel schneller zusammenpfriemeln lässt oder bieten dem Italiener an der Ecke das Du an. Und fragen ganz viel.
Jetzt kommt aber das Münchhausen-Trilemma dazwischen, welches uns jegliche Theorie, aus der wir uns Antworten, die keine weiteren Fragen offenlassen, zurechtlegen könnten, zunichte macht. Es lacht einen hässlich dissonanten Trilemma-Akkord und verwehrt uns jegliche Aussicht auf Letztbegründung eines wissenschaftlichen Phänomens. Die absolute Wahrheit können wir vergessen.
Schon früh hat mich diese Thematik unbewusst beschäftigt: während ich im Kleinkindalter mit meinen Eltern ausgiebig bergwanderte, die meiste Zeit in der Rückentrage thronend, wohlgemerkt, interessierten mich weder Flora, Fauna, Höhenmeter noch Blasen an den Füßen. Sondern einzig und allein, was denn wäre, wenn unser Stamm-Supermarkt gerade dann keine einzige Tüte Gummibärchen mehr vorrätig hätte, wenn ich eine zu kaufen gedenkte. Dann gehst Du eben in den anderen Supermarkt, den in der Bahnhofstraße, antwortete mein Vater ruhig. Ja, aber wenn es dort auch keine Gummibärchen mehr gibt? So hakten wir alle Supermärkte im Umkreis von 15 Kilometern ab und ich war erst still, als meine Mutter eine Tüte Gummibärchen aus ihrem Rucksack zog und mir den Mund stopfte.
Infiniter Regress nennt man das Begründen einer Begründung bis ins Unendliche, was nie zu einer allgemeingültigen Letztbegründung führen kann. Ich stellte mir zu der Zeit, als ich mich um die Süßigkeitenreservoirs der mich beherbergenden hessischen Kleinstadt sorgte, oft ein an dieser Stelle wunderbar passendes Bild vor: einen Fernseher, den man in einem Fernseher sieht und darin wiederum einen Fernseher und so weiter, bis die Fernseher so klein waren, dass ich sie mit bloßem Auge nicht mehr als solche erkennen konnte. Das war mein gedankliches Playmobil und hat mich fasziniert wie sonst nur die Fähigkeit meines Onkels, Kühe zu imitieren.
Zirkelschluss heißt der zweite Grund dafür, warum alles, was eine Wissenschaft für sich ist, nicht zufriedenstellend erklärt werden kann. Man könnte es auch Teufelskreis nennen oder argumentative Pirouette die Begründung des Phänomens ist schon im Phänomen enthalten: Warum legen Hühner Eier? Weil sie Hühner sind!, Und warum sind sie Hühner? Zum Beispiel, weil sie Eier legen!, wäre hier ein Beispiel.
Das Trio wird durch die dogmatische Setzung komplettiert: dabei wird schlichtweg behauptet, dass die gegebene Begründung das Phänomen komplett erklärt, gerne auch durch ein Das is so. oder Basta! untermalt. Man zieht sich wie der Lügenbaron am eigenen Schopfe aus dem Sumpf der Erklärungsnot, indem man unbegründete Dogmen zur absoluten Wahrheit deklariert.
Ein gewisser Hans Albert hat sich das Münchhausen-Trilemma als Theorie für das alte erkenntnistheoretische Problem der Begründbarkeit wissenschaftlicher Aussagen ausgedacht und in seinem Traktat über kritische Vernunft 1968 veröffentlicht.
Hans Albert? Ich kenn nur Hans Albers!, ja, war auch mein erster Gedanke. Und besagter Hamburger Volksschauspieler spielte ausgerechnet den Lügenbaron in der Münchhausen-Verfilmung! Genau ein Vierteljahrhundert, bevor sein Fast-Namensvetter das Prinzip der kritischen Vernunft propagierte: einfach nicht mehr nach letzten Begründungen, sondern nur noch nach bestmöglichen Lösungsmöglichkeiten und Erklärungen zu suchen.
Wie ist das also mit den Männern und Frauen? Dem IKEA-Regal und dem Lasagneteig? Wir rufen immernoch die beste Freundin oder den besten Freund an, stellen fest, dass sich auch andere Möbelstücke mit Gewaltanwendung viel schneller zusammenpfriemeln lassen und fragen den Italiener an der Ecke, ob er wirklich nicht mit Adriano Celentano verwandt ist. Während Luigi Azzuro pfeift, schleichen wir uns langsam durch den Lieferanteneingang auf die Straße und singen leise: The answer, my friend, is blowing in the wind. Und freuen uns, dass ein Problem nur selten ein Trilemma, sondern meistens bloß ein lächerliches Dilemma ist.