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Rotkäppchen - eine Parodie

Text: nowadays

Das Militärgelände ist abgesperrt. Ein meterhoher Zaun sichert das Gelände ab. Muskulöse Gestalten patrouillieren mit Gewehren unter dem Arm und in strammen Schritt am Zaun entlang. Begleitet werden sie von ihrem durchdringenden Blick und der Bereitschaft, sofort zu schießen, wenn es nötig wird.



„Julian Assange bist du es?“ Flüsterte eine Männerstimme. Hinter der Militärsmülltonne stehen zwei dunkle gebückte Gestalten. Nur der dünne Zaun trennt sie von einander. „Code-Name Rotkäppchen?“ „Ja, ich bin es. Hast Du die Ware?“ „Ja, hier.“ Der Mann im Inneren des Geländes reicht einen Korb durch das zuvor geschnittene Loch im Zaun. „du findest die CD mit den wichtigen Daten im Brot. Ich habe sie eingebacken. Zur Stärkung für unterwegs hab ich dir noch eine Flasche Evian dazugelegt.“ „Danke, die Menschheit wird es dir danken. Für die Wahrheit müssen wir kämpfen.“ „Julian, sei vorsichtig. Du kennst den Weg zum Wikileaks-Server ganz genau. Bleib auf der Route und lass dich nicht ablenken. Ich habe von zwei Schwedinnen gehört, die sie auf dich angesetzt haben.“



Julian Assange nickt nachdenklich. „Ja, mach dir keine Sorgen. Ich werden vorsichtig sein.“ Er will sich gerade umdrehen und losgehen, als „psst….hier hast du noch eine rote Mütze, bei der Kälte friert es dich bestimmt am Kopf.“ Julian nickt dankbar als sein Gegenüber ihm das rote Barett reicht „Danke. Der Sieg der Wahrheit wird dich belohnen.“



Die beiden Männer verabschieden sich. Julian Assange stiefelt mit festem Schritt in den dunklen Wald hinein. Er findet sofort die Route, die ihm der Informant genannt hat. Es ist ein schmaler Trampelpfad, der an vielen hohen Tannenbäumen und Büschen vorbeigeht. Assange holt noch einmal tief Luft und wird von der Dunkelheit des Waldes verschluckt. Nur noch sein rotes Barett ist in dem Grün des Unterholzes sichtbar. „Für die Wahrheit. Sie gehört uns allen. Wir müssen sie teilen.“ Julian ist sich seiner Sache sicher. Beschwingt von der Vision, der Menschheit zu dienen, bemerkt er nicht, dass zwei blonde Personen ihn aus dem Dickicht des Unterholzes beobachten. Die beiden schlanken Frauen nicken sich siegessicher zu als die Blauäugige der beiden beginnt, ein schwedisches Kinderlied zu singen. Die Grünäugige stimmt mit ein. Die Noten eines wunderschöner Kanons schwingen durch den Wald. Direkt an die Ohren des Mannes, der mit roter Kappe und Korb im Arm „für die Wahrheit, Für uns alle“ murmelt. Verwundert blickt er sich um. Keiner da. „Wo kommt diese Melodie her?“ Denkt er. „Frauenstimmen im Wald?“ Er schüttelt ungläubig den Kopf. Doch dann sieht er zwei weibliche Gestalten mit langen blonden Haaren, die an dem Wegesrand stehen und im Takt der Melodie ihre Köpfe bewegen. „Die Schwedinnen!“ Er erinnert sich sofort an den Hinweis seines Informanten. „Jetzt nur nicht die Route verlassen!“ Julian reißt sich das rote Barett vom Kopf, umklammert mit beiden Händen fest den Korb und geht im Eiltempo an den beiden Figuren vorbei. Sein Blick starr und fest auf den Boden gerichtet. Er ist so schnell, dass die beiden Frauen ihm in ihrem Schuhwerk nicht folgen können. „Mist“ schreit die Grünäugige.



Erleichtert, nicht in die Falle getappt zu sein, beruhigt sich Assange und macht eine kurze Pause. Er nimmt einen Schluck aus der Evian-Flasche als plötzlich aus der Dunkelheit des Waldes ein dunkelhäutiger Mann vor ihm steht. „Yes, we can“ prangt in großen roten Lettern auf seiner Brust. „Hallo, kennen wir uns?“ fragt Julian verdutzt. „Ich weiß nicht“ entgegnet ihm der Mann. „Wohin bis du des Weges? Es ist ja schon sehr spät und kalt ist es hier draußen auch“ der Mann wirkt etwas zu neugierig auf Julian. „Kalt? Ach, Nein. Nein. Ich bin auf dem Weg zu meiner Großmutter. Sie will mir ihr Haus im Wald vererben und ich soll es mir zuerst ansehen“ schummelt Assange und hofft, den Unbekannten loszuwerden. „Und was hast du da in deinem Korb?“ will der Fremde wissen. Julian wird misstrauisch. „In meinem Korb? Nur etwas Proviant.“ „Ich habe so einen Hunger und würde so gerne ein Stückchen Brot essen. Hast du etwas für mich?“ Assange blickt den Fremden an und denkt: „Hier stimmt etwas nicht.“ Kämpferisch holt er mit seinem Korb aus und trifft den dunkelhäutigen Mann direkt am Kopf. Das Opfer sackt zusammen. Julian reagiert schnell. Ohne sich umzublicken, rennt er los. Den Korb mit dem Brot und dem Wasser fest in den Händen.



Er läuft und läuft bis er keine Luft mehr hat und Seitenstiche bekommt. Als er vor Schmerzen nicht mehr weiterlaufen kann und eine Atempause machen muss, sieht er in der Ferne ein kleines Gebäude. „Endlich“ entfährt es ihm. Die letzten Schritte fallen ihm nicht mehr schwer.



An der Tür angekommen blickt er zuerst ins Fenster. „Ist jemand da?“ Er klingelt. „Hallo, Julian Assange hier.“ Eine alte Frau mit Falten und einem graublonden Kurzhaarschnitt öffnet ihm die Tür. Hillary steht auf einem Namensschild an ihrem Kragen „Was kann ich für sie tun?“ „Ich habe die DVD mit. Wo ist der Server?“ Die Frau grinst zufrieden. „Der Server? Der Wikileaks-Server?“ „Ja, genau.“ „Kommen sie doch erstmal herein.“ Sie lässt ihn in das Gebäude und schließt die Tür hinter ihm ab.

„Was möchten sie denn mit dem Server?“ Neugierig blickt die Frau in den Korb, den Julian in der Hand hält. „Wurden sie nicht informiert? Ich habe neue Enthüllungen über die Machenschaften der Regierung.“ „Machenschaften der Regierung? Was macht die Regierung denn?“ Die Frau streicht sich eine Strähne aus dem Gesicht. „Die Regierung lügt uns an“ schimpf Julian Assange selbstbewusst. „Warum sagt sie uns denn nicht, was in Afghanistan und dem Irak los ist?“ „Damit sich das Volk nicht beunruhigt“ entgegnet ihm die Frau.  „Und warum spioniert sie andere Botschafter und Diplomaten aus?“„Damit sie ganz genau weiß, wer ihr Feind und wer ihr Freund ist.“ „Ja, aber warum will sie denn nicht, dass wir die Wahrheit erfahren?“ „Weil ihr einziges Ziel ist, das Volk zu manipulieren und ruhig zu halten…“ gerade als sie diesen Satz ausspricht, holt sie ein Messer aus ihrer Schürzentasche und will es in Julians Herz stechen.



Er wehrt sich. Beide fallen zu Boden. Plötzlich – ein Schuss. Die Frau sackt schwer und regungslos auf Julians Körper zusammen. Sie wurde am Rücken getroffen. Julian kriecht unter ihr hervor und sieht im Fenster seinen Informanten von der Militärstation. „Karl-Theodor. Zum Glück. Das war knapp.“



Die beiden Männer freuen sich, sich zu sehen. Sie gehen in das kleine Hinterzimmer des Gebäudes und sehen den Server. Beide lächeln sich an. Julian holt das Brot aus dem Korb und kratzt die DVD frei. Er steckt die DVD in den Schlitz des Computers. Innerhalb einer halben Minute kennt die gesamte Welt den Inhalt des Informationsträgers.



 „Für die Wahrheit“ ruft Julian siegesreich. „Für die Wahrheit“ entgegnet ihm Karl-Theodor.    

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