Die Frau vom Finanzamt 3
Sie wäre ja schon so manches mal mit nassen Füßen nach hause oder ins Amt gekommen, meinte sie, hätte ja auch Stiefeletten, aber die bekäme sie allein so schlecht an. In Gummistiefel könnte man vielleicht besser hineinschlüpfen können, weil sie steifer wären und keinen Reißverschluss besäßen.
Ich hatte Blut geleckt, wollte an dem Erlebnis teilhaben. Daher bot ich ihr an, ihr exklusiver Gummistiefelberater zu sein, mit ihr zum Stiefelkaufen zu fahren, ihr zu helfen, sie zu beraten, zu sehen, ob es Sinn macht, wenn sie sich ein paar Gummistiefel zulegen würde. Andrea lachte herzhaft. Ob ich das ernst meinen würde, ich sei doch verrückt. Doch ich ließ nicht locker. Ich meinte zu ihr, dass sie eine so süße und hübsche Frau wäre, dass ich es nicht verwinden würde, wenn ich sie nach der Reparatur nur nach Hause brächte und sie nie wieder sehen würde. Und wenn sie sich tatsächlich mal ein Paar Gummistiefel kaufen würde, dann könnte ich niemals diesen wunderschönen Anblick einer schönen Frau in ihren wunderschönen Stiefeln genießen. Andrea meinte, jetzt würde ich aber ganz schön dick auftragen. Das würde ja fast so klingen, als wäre ich ein Gummifetischist, meinte sie, so viel würde ich über Gummistiefel und Regenmäntel reden.
Und wenn es so wäre? fragte ich. Nun hatte ich das Gefühl, es würde ihr unangenehm werden, die Situation war ihr peinlich. Schade, dachte ich, das war es dann wohl. Ich hatte mir schon ausgemalt, mit ihr auf dem Weg zu ihr nach Hause bei einem Schuhmarkt anzuhalten und mit ihr ein Paar Gummistiefel anzuprobieren. Aber das hatte sich gerade eben erledigt. Mit einem Feti wollte sie nichts zu tun haben, das war mir in diesem Moment klar geworden.
Ich wäre ja schon froh, wenn sich überhaupt mal ein Kerl ernsthaft für mich interessieren würde, sagte Andrea überraschenderweise. Die Betonung lag allerdings auf ernsthaft. Ernsthaftes Interesse hatte ich an Andrea Rosenthal nicht, zugegeben. Ich wollte aber auch nicht ihre Lebenssituation ausnutzen, hoffte dass sie das nicht jetzt von mir denken würde. Sie hatte mir mit ihrer Aussage den Ball wieder zugespielt. Ich war zwar nicht gebunden, hatte hier und da mal eine Bekanntschaft, meist aus dem Internet, meist Frauen, die sich gegen Taschengeld mit mir trafen, dabei einen Regenmantel anzogen, den ich dann jeweils zu den Treffen mitbrachte. Auf diese Weise holte ich mir die Erfüllung meiner sexuellen Wünsche, konnte gut damit leben, zumal ich inzwischen so etwas wie eine regelmäßige Freundin hatte, mit der ich mich gelegentlich traf. In Regenmantel und Gummistiefeln erfüllte sie mir meine Wünsche, ich bezahlte. Doch trotzdem waren wir inzwischen befreundet, telefonierte gelegentlich miteinander und sprachen auch über alles Mögliche miteinander. Die Frau war allerdings sehr viel älter als ich und geschieden. Sie betrieb das Erfüllen geheimer Männerfantasien als lukrativen Nebenerwerb.
In Andrea Rosenthals Worten steckte die Sehnsucht nach Wärme, Geborgenheit, der Schrei nach Liebe. Dafür war ich gewiss nicht geschaffen. Verantwortung zu übernehmen für das Leben einer jungen behinderten Frau, dazu gehörte sicher mehr als nur der Drang nach einem Abenteuer in wasserdichter Kleidung. Ich war gerade 30 geworden. Ab und zu blitzte in mir schon das Verlangen nach einer dauerhaften Beziehung durch, Kinder vielleicht. Aber immer mit derselben Frau? Und dann, erstmal eine finden, die das mitmacht, Regenmäntel, Gummistiefel, mir war das zu kompliziert. Dann lieber so, wie es war. Aber Andrea strahlte so eine Wärme aus, es war ein so vertrautes Gefühl, ihre Nähe war nicht nur wegen ihrer Kunstlederhose sehr angenehm, auch diese Ruhe und Besonnenheit, die von ihr ausging, behagte mir sehr. Was würde sie denn mit ernsthaft meinen? Meinte sie damit das Interesse an einer dauerhaften Beziehung, oder meinte sie mit ernsthaft, dass ein Mann sich überwindet, die psychologische Hemmschwelle zu überschreiten, mit einer körperbehinderten Frau Sex zu haben? Also fragte ich, was Andrea denn mit ernsthaft meinen würde. Als Antwort bekam ich folgendes: Na, dass ich Frau angesehen werde, als Frau, die auch gern einen Freund hätte, die normal behandelt werden würde, mit der man flirten könne, die Liebe erleben wolle. Nicht immer nur zuvorkommende Freundlichkeit aus Mitleid. Sie sei schließlich nicht krank, nur gehbehindert. Alles andere würde genauso funktionieren, wie bei jeder anderen Frau auch.
Das war deutlich. Ich hatte das wohl vollkommen fehlinterpretiert. Da saß eine junge Frau, die sich nach ihrer nicht ausgelebten Jugend sehnte. Die einfach begehrt werden wollte, interessant sein wollte, die beflirtet werden wollte und, wenn der Richtige dabei wäre, auch mit ihm ins Bett steigen würde. Das war ja genau mein Ding. Klar, ich stand auch vor dieser Hemmschwelle. Aber genau das wollte sie ja nicht. Eine Hemmschwelle sollte der Mann, der sich für Andrea Rosenthal interessiert gerade nicht im Kopf haben. Ich fühlte mich stark genug, dieses Hindernis zu überwinden, griff meinen Gummistiefelplan wieder auf.
Dann klingelte das Telefon. Der Werkstattleiter war endlich Zuhause angekommen. Ich diskutierte mit ihm über die Sicherung, schließlich fand ich mit seiner telefonischen Unterstützung ein geeignetes Ersatzteil. Das passte dann auch und funktionierte sogar. Andrea freute sich sehr. Ihre Mobilität war ihr wichtig, sie war ein wesentlicher Teil ihrer Selbstständigkeit.
Jetzt, da ich ihr endlich helfen konnte, was zugegebenermaßen mein Job war, wofür sie sich streng genommen nicht bedanken musste, wofür sie lediglich die Rechnung bezahlen musste, würde sie mir meinen Wunsch nicht abschlagen können. Daher fragte ich sie nochmals, ob sie denn bereit wäre, mit mir als Begleiter und Berater mal ein Paar Gummistiefel anzuprobieren.
Langsam wurde ihr klar, dass ich es ernst meinte. Andrea zögerte zunächst, warf aber dann ihre Zweifel beiseite und willigte ein.
Also schob ich sie im Rollstuhl wieder zum Transporter und half beim Einsteigen. Ein weiteres Mal hielt ich ihren weichen Hintern mit der Kunstlederhose in meiner Hand, ein weiterer feuchter Abdruck meiner Hand auf ihrer Hose, ein weiterer Schub Erregung, der in mir hochkam. Ich lud den Rollstuhl und das Elektromobil in den Transporter, schloss die Werkstatt ab und fuhr mit Andrea zu einem großen Schuhmarkt, der fast auf dem Weg zu ihrer Wohnung lag. Wieder half ich ihr vom Umsetzen aus dem Auto in den Rollstuhl, ging mit ihr in den Laden. Wir hatten Glück. Es gab eine größere Auswahl an Damengummistiefeln, an die zwanzig verschieden Modelle. Von rosa geblümt bis schlicht dunkelgrün, von hoch über halbhoch bis Stiefelette war Alles vertreten. Am liebsten hätte ich ihr ein Paar hohe neongrüne Regenstiefel angezogen, aber aufgrund ihrer Behinderung hielt ich hohe Gummistiefel für ungeeignet. Es müssten entweder ein Paar halbhohe feste Stiefel oder eben Gummistiefeletten sein. Mein Blick fiel auf ein Paar wunderschöne schwarze glänzende halbhohe Gummistiefel. Andrea meinte, Größe 38 müsste passen. Sie zog ihren Klettschuh aus und probierte, in den Gummistiefel zu kommen. Beinahe mühelos schlüpfte sie hinein. Mit der Kunstlederhose über den Stiefeln sah es sehr dezent aus, es war beinahe nicht zu erkennen, dass Andrea Gummistiefel an den Füssen hatte. Ich wollte wissen, wie sich darin fühlt. Angenehm bis jetzt meinte sie nur. Ich schlug vor, noch weitere Stiefel zu probieren, insbesondere ein Paar von den Stiefeletten, doch Andrea wehrte ab. Sie blieb bei den schwarzen halbhohen PVC-Regenstiefeln, die eine Schafthöhe von etwa 25 Zentimetern hatten. O.K., kaufen wir die, meinte Andrea. Ich möchte sie gleich anbehalten, sehen, ob ich darin sehr schwitze oder gar friere, dann weiß ich gleich, ob es eine gute Idee war oder ob ich auch in Zukunft ohne Gummistiefel auskommen werde sagte Andrea. Wir ließen an der Kasse ihre Halbschuhe einpacken und verließen den Laden.