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Die Gummistiefelfrau (Fetischgeschichte)

Text: Gueneslikoer

Die Gummistiefelfrau



Als Eisenbahnfan zieht es mich immer wieder mal in meiner Freizeit zu den Schienen, Züge ansehen, Lokomotiven, Güterzüge. Schöne Stellen zum Beobachten befinden sich dabei nicht immer an gut zugänglichen Stellen. Einen sehr guten Platz zum  Beobachten von Zügen fand ich unweit einer kleinen Ortschaft in Thüringen. Dort, in der Nähe eines großen Getreidelagers hatte ich an einem Feldweg eine wirklich schöne Stelle gefunden, von der aus man die Strecke, die eine Steigung hinauf führt, sehr gut einsehen kann.So oft ich Zeit hatte, fuhr ich dorthin, bei Wind und Wetter. Da ich meistens am Wochenende arbeiten muss, ich bin als Dozent tätig, kann ich in der Woche schon mal etwas mehr Zeit für meine Hobbys abzweigen. Bisher habe ich auch dort noch keine Menschenseele gesehen. An einem schönen Tag im Frühsommer jedoch kam mir eine Frau entgegen. Sie führte einen Hund an der Leine, einen schönen Berner Sennhund. Trotz des sonnigen und trockenen Wetters trug die Frau Gummistiefel. Während sie näher kam, wurde das Bild von ihr deutlicher. Es handelte sich um eine etwa 40-45-jährige Frau mit blonden kurzen Haaren, etwas untersetzte Statur, nicht dick, grauer Stoffrock, weißer Strickjacke und Gummistiefeln, es waren graue PVC-Stiefel mit Stulpe, die sicher oft benutzt wurden, denn die Hacken waren schon etwas abgelaufen, und die Stiefel hatten schon mächtige Gebrauchsspuren. Als die Frau an mir vorbei ging, lächelten wir uns kurz an, ein belangloses Lächeln. Nach einer Weile konnte ich sie in einiger Entfernung etwas weiter oben auf dem Kamm der Steigung nochmals erblicken, offensichtlich machte sie mit dem Hund eine Runde, denn sie kam nicht auf dem gleichen Weg zurück. Einige Tage später zog es mich wieder zur Bahnstrecke. Das Wetter war immer noch sehr frühsommerlich und trocken. Es war etwa um dieselbe Zeit, am frühen Vormittag, denn die Züge fahren dort nach einem Fahrplan, der mehr oder weniger ungenau eingehalten wird, denn Personenverkehr gibt es dort nicht. Verlässlicher als der Fahrplan schien allerdings die Frau mit dem Berner Sennhund zu sein, denn sie kam auch heute wieder vor dem Zug, grauer Rock, weiße Strickjacke und die Gummistiefel mit den starken Gebrauchssuren. Ein Lächeln, mehr nicht, die Frau ging weiter. Später sah ich sie wieder oben auf dem Kamm entlang gehen.Am nächsten Tag, ich hatte von einem Düngemittelzug als Sonderleistung gehört, begab ich mich wieder an die Strecke und an meinen Platz. Und wieder, pünktlicher als der Zug, die Frau mit dem Hund. Grauer Rock, weiße Strickjacke, schwarze Gummistiefel mit weißen Punkten. Nanu, was war denn das? Neue Stiefel?  Als die Frau an mir vorbei kam, sagte ich: Oh, neue Stiefel? Die sehen aber sehr hübsch aus, die stehen ihnen gut. Nach meinem Empfinden war das auch nicht gelogen. Die Stiefel waren etwas höher als die Grauen und  wohl auch neu, aber ob sie gänzlich neu waren, konnte ich nicht sagen, denn ein bisschen gelber Pollenstaub hatte sich auf ihnen abgesetzt. Die Frau lächelte, ging aber wortlos weiter. Einige Zeit später erwartete ich sie auf der Anhöhe, aber sie kam nicht. Um so mehr war ich erschrocken, als sie plötzlich neben mir stand. Von mir unbemerkt war sie denselben Weg zurückgekehrt und stand direkt neben meinem Auto, in dem ich saß. Danke für das Kompliment sagte sie. Dann ging sie weiter. Komische Situation, dachte ich, denn erst ging sie wortlos an mir vorbei, dann kommt sie extra zurück, sagt Danke und verschwindet wieder.Der Düngemittelzug ließ auf sich warten. Durst und Hunger kamen stattdessen. Also fuhr ich in den Ort, dort gab es einen Lebensmittelmarkt mit Fleischer und Bäcker. 2 belegte Brötchen, 1 Coffee to go, reicht wohl, ich dachte an den Zug; bei meinem Glück fuhr er genau in diesem Moment durch. Als ich zu meinem Auto ging, traute ich meinen Augen nicht: Da war wieder die blonde Frau, diesmal ohne Hund. Aber mit Gummistiefeln. Sie trug immer noch die schwarzen Polka-Dot-Stiefel. Ich stieg ins Auto, die Frau bemerkte mich nicht. Als ich zur Bahn zurück kam, klar, der Zug war durch, er rangierte im Bahnhof. Langsam fuhr ich auf das Bahngelände. Es liegt am Rande eines großen Gewerbegebietes der kleinen Ortschaft. Dort schaute ich dem Rangieren etwas zu, futterte meine Brötchen, trank meinen Kaffee. Gegen Mittag fuhr ich heim. Ein arbeitsreiches Wochenende folgte, so dass ich am darauf folgenden Montag beschloss, wieder zur Bahn zu fahren. Diesmal überwog schon eher die Neugier wegen der Frau mit den Gummistiefeln dem Trieb, Züge anzusehen. Was dazu kam, war, dass es regnete. Wenn die Frau eine echte Tierfreundin ist, würde sie bei jedem Wetter ihren Hund ausführen. Außerdem   hatte ich heute einen Grund, ebenfalls Gummistiefel anzuziehen. So zog ich meine blauen Hunter an, nahm noch meine marineblaue PVC-Regenjacke mit und fuhr los. Als ich, wieder am frühen Vormittag an meiner Stelle ankam, regnete es gerade nicht, aber es war windiges Schauerwetter, jeden Moment könnte der nächste Guss kommen, alles war nass, Wiesen, Felder und auch der Weg, auf dem ich fuhr.



Ich zog meine Regenjacke an und stieg aus, lief ein paar Meter und ging zurück zum Auto. Der Wind blies recht ordentlich.



Es näherte sich der Zug, der langsam an mir vorbei rumpelte. Heute war er pünktlich. Aber wo blieb Sie? Wahrscheinlich war ihr das Wetter doch zu unbeständig, hatte vielleicht eine Runde für dieses Wetter, bei dem Sie und der Hund weniger schmutzig werden würden.



Ich war schon ein wenig traurig, wollte nach Hause fahren.  Doch irgend Etwas hielt mich noch dort. Eine Weile saß ich im Auto, ein neuer Schauer ging nieder, der Wind trieb die Regentropfen über die Felder. Ich schaute ihnen hinterher, blickte auf den Kamm der Anhöhe, wo sich die Blätter der Bäume im Wind bewegten.



Als ich wieder in Richtung Ortschaft blickte, sah ich etwas violett Glänzendes, was sich langsam auf mich zu bewegte. War das etwa? Kein Zweifel, das war die Gummistiefelfrau. Sie hatte ihren Berner Sennhund dabei. Sie trug einen violetten stark glänzenden Kurzmantel mit Kapuze, eine Art Lackmantel. Die Kapuze hatte sie aufgesetzt, wegen des Windes hielt die Frau mit einer Hand die Kapuze, mit der anderen Hand den Hund an der Leine. Unter dem Mantel hatte sie eine Hose an, mehr konnte ich zunächst nicht erkennen, es regnete recht stark in dem Moment. Als sie näher kam, sah ich, dass es sich bei der Hose um eine Regenhose handelte, eine blaue Nylonregenhose, die sie in die Stiefel gesteckt hatte. Und die Stiefel? Es waren nicht die gebrauchten grauen Gummistiefel mit der Stulpe, es waren auch nicht die schwarzen Gummistiefel mit den weißen Pünktchen, es waren wieder andere Gummistiefel, diesmal trug die Frau blaue Gummistiefel mit Stulpe und heller Sohle. Ich stieg aus, knöpfte meine Jacke zu und setzte meine Kapuze auf, die ich wegen des Windes zuband. Nun war die Frau mit mir auf gleicher Höhe angekommen und der Hund schnupperte an meinen Gummistiefeln. Die Frau lächelte nur und wollte weitergehen. Doch ich sprach sie an: Sie haben ja schon wieder neue Gummistiefel, und ihr Regenmantel ist wirklich superschön. Ich habe mir extra für sie auch Gummistiefel angezogen, heute. Sie erwiderte nur: danke, ihre Stiefel stehen ihnen auch gut. Dann ging sie weiter, kämpfte gegen Wind und Regen an. In ihrem nassen Lackregenmantel oder aus welchem Material auch immer der Mantel war und den Stiefeln in der Regenhose sah sie zum Anbeißen aus. Es war zu schade, dass sie sich nicht auf ein Gespräch mit mir einlassen wollte. Aber ich gab nicht auf und rief ihr hinterher: Sie sollten die Hose über den Gummistiefeln tragen, damit das Wasser nicht in die Stiefel läuft. Die Frau drehte sich nur kurz um, nickte und ging weiter. Ich verfolgte sie mit meinen Blicken, solange ich konnte. Dann war sie verschwunden.

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