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In Indien heiße ich "Velha Aana"...

Text: KeralaDiscovery
... zumindest bei meinen Freunden in Kerala. "Velha Aana" bedeutet "Weißer Elefant" - ein Titel mit durchaus zweifelhafter Bedeutung. Es ist in Asien ein heiliges Tier, und das alte Siam hatte ein Gesetz, dass alle weißen Elefanten ausnahmslos dem König gehörten. Andererseits hat der sprichwörtliche Weiße Elefant im englischen Sprachbereich auch einen ziemlich negativen Klang. Zum Glück wissen das die keralitischen Freunde nicht. Sonst hätten sie mir diesen Spitznamen sicher nicht verliehen.



In der Vergangenheit gaben die Könige weiße Elefanten, die schlecht abschnitten, als Geschenke an Freunde des Königs und Verbündete weiter. Die Tiere brauchten teure Pflege und weil sie heilig sind, durften sie nicht zur Arbeit benutzt werden. Deshalb waren sie eine hohe finanzielle Last für den Empfänger – nur der König und sehr vermögende Leute konnten es sich leisten. Einer Geschichte zu Folge wurden weiße Elefanten manchmal an Feinde (meistens niederer Adel, welcher beim König in Ungnade gefallen war) verschenkt. Der unglückliche Empfänger musste für den Unterhalt des Tieres aufkommen und konnte keinen Profit aus dem Tier erwirtschaften, weil es nicht arbeiten durfte. Durch die Pflicht, auf das Geschenk des Königs gut aufzupassen, erlitt der Empfänger schwere finanzielle Einbußen bis hin zum Bankrott.



Im englischen Sprachraum spricht man seither von einem Weißen Elefanten, wenn eine Sache mehr Ärger macht als sie Nutzen bringt oder die Nützlichkeit für seinen Besitzer verloren hat. Während die Sache für andere Menschen durchaus nützlich ist, möchte der Besitzer die Sache nach Möglichkeit loswerden. Wirtschaftlich betrachtet ist ein „weißer Elefant“ zu einem sehr günstigen Preis zu bekommen, produziert aber enorme Folgekosten. Zum Beispiel wäre ein Herrenhaus (gewonnen oder geerbt) ein „Weißer Elefant“, wenn die Instandhaltungskosten das Budget des Besitzers überschreiten.



Elefantenkot-Scout

Indiens Elefanten üben von jeher große Anziehungskraft auf die Indienreisenden aus. Mir geht es da nicht anders. Auf meiner ersten Keralareise kutschierten wir durch die ganze Provinz, und ich sah nicht einen einzigen Elefanten! Wohl aber den Dung der Dickhäuter, manchmal sogar frisch und dampfend.



Nach und nach wurde ich regelrecht nervös, wenn ich wieder einen Haufen Aana-tetam auf dem Weg entdeckte. Der für den Kulturaustausch unglaublich wichtige Satz „Da - schon wieder Elefantenscheiße! Wo sind die Biester denn nun??“ war einer der ersten, die ich auf Malayalam sagen lernte ;-)



Schwager Raju, mit dem ich seinerzeit viel unterwegs war, lachte immer nur. Er verstand überhaupt nicht, wieso ich so oft nach den Aana fragte. Für ihn gehörten sie zu den Alltäglichkeiten, und - wenn es um wilde Elefanten ging - war er eher froh, keinen zu sehen. Damals arbeitete der gelernte Architekt noch für die Regierung als Supervisor beim Straßenbau. So manche Stunde hat er in den Wäldern des Wyanad-Wildlife-Sanctuary auf Bäumen verbracht, auf die er von wilden Elefantendamen gescheucht worden war. Soweit sie Junge dabeihaben, greifen sie vorsorglich alles an, was sich zu nahe an die Kleinen heranwagt.



Für ihn war es ein glücklicher Zufall, daß ich wohl immer zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort war. Jedenfalls sah ich auf dieser Reise nur einen einzigen indischen Elefanten: im Zoo von Mysore!



Indisch-deutscher Präzisionsdialog:

„How big is an elephant?“ - „What elephant?“ - „A big one.“ - „How big?“



Von dieser Reise brachte ich meinen Spitznamen mit: „Vellha aana“ (Weißer Elefant), den man mir wohl nicht nur wegen meiner ständigen Fragerei nach den Dickhäutern gab. Zwischen den kleinen, zierlichen Indern des Südens wirkte der sommersprossige deutsche ‘Riese’ mit seinen Einssechsundachtzig sicher wie ein Elefant. Und wie ein solcher im Porzellanladen tapse ich heute noch in Kerala von Fettnäpfchen zu Fettnäpfchen.



Der Elefant auf der Hand

Sonntagsausflug mit der ganzen Familie zur Strandpromenade von Kozhikode. Was für eine hässliche Zeile! Beim Wort "Promenade" hätte ich wahrlich mehr erwartet. Aber am Strand im Sand sitzen und den Spaziergängern und Fischern zusehen, das ist für mich schon interessanter. Und mit einem dampfenden Chai wird es sogar eine runde Sache.



Rajus Bruder Johnson ist sofort bereit, mir einen zu holen. Als er zurück kommt, reckt er den Becher schon von weitem in die Höhe und brüllt "Velha aana, velha aanea - chaia undu!"



Das hat ein buntes Sarigeschwader indischer Studentinnen gehört. Es sind an die 30 junge Damen im besten Mannesalter, die mich daraufhin umringen. In gutem Englisch verhören sie mich nach allen Regeln der indischen Kunst - parallel wird die Familie in gutturalem Malayalam über mich ausgefragt. Als sie geklärt haben, warum ich der Velha Aana bin, quietschten sie vor Vergnügen.



Eine will gar meinen "Good name" aufgeschrieben haben. Einen Kugelschreiber hat sie - aber kein Papier. Also reicht sie mir einfach die rechte Handfläche und war überrascht, was ich da in wenigen Strichen auf ihre Lebenslinie setze: eine kleine Karikatur eines weißen Elefanten.








Großes Hallo - die Mädeldichte um mich herum erreicht sittenwidrige Werte - zumindest für indische Verhältnisse. Jede will jetzt ein Aana-Tattoo. Mir jedenfalls macht es großen Spaß, Körperteile blutjunger Mädchen mit Elefanten zu verzieren. Mercy, meine Gute, merkt das sehr wohl und zieht zischend die Luft zwischen die Zähne.



Am nächsten Morgen entdecke ich auf der Farm einen kleinen weißen Elefanten außen an der Zimmertür. Hübsch aus Kamelknochen geschnitzt. Wer von den Vettikavumgal-Jungs mir den da hin geklebt hatte, bleibt ungeklärt....



(aus den "InderNettNews" 559)

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