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Vollkommen Unvollkommen sein-Mensch sein

Text: revhoros
Vollkommen unvollkommen sein – Mensch sein

Durch unser vorübergehendes duales Raum- und Zeit-Erleben

nehmen wir am Bühnen-Effekt der Vereinzelung teil, welcher den Sinn

und Zweck erfüllt, unser Dasein in scheinbarer Isolation, als Individualität

getrennt von der Einheit zu erfahren. Diese Erfahrung hat auch zu

Folge, daß wir die Welt, ihre Erscheinungen, also eigentlich alles, was wir

betrachten, als uneins, als getrennt voneinander existierende Gegensatzpaare

betrachten. Mit anderen Worten, wir sehen eigentlich mit dieser

alles analysierenden und zerteilenden Blickweise immer nur Ausschnitte

bzw. einzelne Hälften des Gesamtbildes, und deshalb sind wir natürlich

nur seltenst fähig, die wirkliche Schönheit und Vollkommenheit der Erscheinungen

in uns aufzunehmen. Aus diesem Blickwinkel geschaut,

erscheint uns unser Menschsein nicht selten als begrenzt, mangelhaft,

unwürdig und letztendlich als ungöttlich. Wir sehen den Menschen als

unvollkommenes Wesen, als unfertig, manchmal sogar als nicht lebenswert,

und wir schauen gleichzeitig neidisch in Richtung Himmels-Wesen,

zur feinstofflichen Welt, zu all den idealisierten Vorstellungen, welche

wir zur Genüge besitzen. Und projizieren diese Idealbilder in Richtung

unserer Bilderwelt von Vollkommenheit. Wir erleben also schmerzliche

Abgespaltenheit und Zerrissenheit, da wir uns unglaublich schwer tun,

uns in unserer Ganzheit wahrzunehmen.

Auf der anderen Seite haben wir eine fixe und irreale Vorstellung

von der göttlichen Vollkommenheit, die irgendwo im Außen weit entfernt

von uns existiert. Oft in einem Gefühl von Unzufriedenheit, Unmut,

manchmal in Anklage gegen eine scheinbare Autorität, welche mutmaßlich

unser Dasein hier im Unvollkommenen zu verantworten hat, erwächst

in uns das Verlangen, sofort in die göttliche Vollkommenheit zu

gehen, dem allen hier zu entfliehen, weil wir hiervon einfach genug haben.

Wir wollen dorthin, wo es vollkommen ist und nicht hier verweilen,

wo wir darunter leiden, in der Unvollkommenheit leben zu müssen und

selbst unvollkommen zu sein. Dies alles entspricht selbstverständlich

keineswegs der Realität, sondern ist nur aufgrund unserer trennenden

Betrachtungsweise zu einem Teil unserer Wahrnehmung geworden und

für manch einen zur unumstößlichen Realität. Auch wenn wir diese Bildergeschichten

nicht unbedingt bewußt in unserem täglichen Leben entdecken

können, ist es doch wahrscheinlich, daß wir die eine oder andere

Version davon zumindest im Unbewußten in unserem Repertoire haben.

Egal ob wir diese nun als uns teilhaftig entdecken oder erahnen oder ob

wir dies nicht tun, der Wahrheit entsprechen sie nicht. Und all das, was

wir in uns als getrennt und unvollkommen wahrnehmen, bewahrt in der

Gesamtbild-Betrachtung seine Vollkommenheit ungeachtet unserer

vorübergehenden Wahrnehmungs-Bildstörung. Von einer höheren Be207

trachtungswarte aus gesehen sind die Dinge immer eins und erscheinen

nur getrennt. In diesem Fall muß zwangsläufig Vollkommenheit und

Unvollkommenheit eins sein. Anders formuliert, die Unvollkommenheit

ist in der Vollkommenheit be-inhaltet. Was wiederum den Rückschluß

nahelegt, daß unser unvollkommenes Dasein als Mensch auch gleichzeitig

ein vollkommenes Dasein ist, auch wenn wir in unserem Zeitgeist der

Unzufriedenheit zumeist nur diese eine unvollkommene Seite von den

beiden existierenden wahrnehmen können.

Haben wir nun Einblick in größere, universellere Vorgänge und

Zusammenhänge, ist uns auch der Begriff Vollkommenheit nicht mehr

fremd, und wir erfahren sehr wohl, daß beides simultan bestehen kann

und letztendlich als solches auch tatsächlich existiert. Wissen wir z. B.

wirklich von der Absolutheit der Freiheit und ihrem Zusammenspiel mit

Selbstverantwortung, sind wir diesem also schon in Form einer Vision,

einer Gottes-Erfahrung, Erleuchtung oder wie immer wir es auch nennen

wollen begegnet, löst sich wie von selbst die irrige Vorstellung des Getrenntseins

voneinander auf, und wir sind uns bewußt, daß die Wahrnehmung

vom Getrenntsein und das Erleben vom Einssein nur eine Frage

der Bewußtheit ist. Unsere Qualität der Wahrnehmung bestimmt also

auch die Bildqualität des von uns Wahrgenommenen. Betrachten wir die

Dinge nämlich mit unserer dualen Sichtweise, dann sehen wir sie eben

auch als getrennt voneinander. Und betrachten wir sie andererseits mit

„spirituellem Weitwinkel-Objektiv“, erweitert sich unser Blickwinkel, die

Trennungslinien lösen sich eventuell auf, und die Dinge verschmelzen

miteinander. Somit bekommt die Geschichte mit der hier auf Erden bestehenden

Unvollkommenheit des Lebens und dem von uns ersehnten und

allzu gerne bereisten abgeschiedenen Ort der Vollkommenheit einen ganz

anderen Charakter. Denn wenn ich hier weggehe, wohin auch immer ich

gehe, ich nehme meine Qualität der Bewußtheit mit. Und würde ich nun

unvollkommenerweise in die scheinbar von uns getrennte Landschaft der

Vollkommenheit eintreten, würde ich auch nichts anderes sehen, fühlen,

denken und wollen, wie ich es auch hier tue. Was soviel heißt wie, falls

unser Fokus auf Unvollkommenheit eingestellt ist, dann würden wir im

Raume der Vollkommenheit dennoch nur Unvollkommenheit sehen und

auch nur unserer Unvollkommenheit begegnen. Wir nehmen nur das

wahr, was uns unsere individuelle Bewußtheit ermöglicht, und aus demselben

Grund sehen wir hier auch nur die Unvollkommenheit der Welt

und uns Menschen, weil wir eben unseren Fokus auf Analyse und nicht

auf Synthese eingestellt haben. Wenn wir beginnen, unser Schauen wieder

auf Zusammenfügung, Vereinigung, Ganzheit und Vollkommenheit

einzustimmen, werden wir dem erwähnten Vollkommenen im Unvollkommenen

auch wieder begegnen.

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Vollkommenheit und Unvollkommenheit bestehen beide gleichzeitig,

und es macht auch durchaus Sinn, daß wir auf Erden gerade diese

Begrenztheit erfahren, da wir nun mal in dieser Ebene der Bewußtheit auf

Erden leben und sich uns deshalb die Vollkommenheit in ihrem Dasein

noch nicht zeigt oder zumindest nur selten zu erkennen gibt. Dennoch ist

sie immer anwesend als universelle Gesetzmäßigkeit, und der Mensch,

wie er ist, ist somit auch vollkommenen in seiner jetzigen Wahrnehmung

der Unvollkommenheit. Und genauso vollkommen bei jedem einzelnen

Schritt, den er tut in Richtung seiner unmittelbaren Erfahrung der nie abwesenden

Vollkommenheit. Das heißt, auch wenn wir uns unvollkommen

wahrnehmen, sind wir dennoch vollkommen, und wenn wir dann an dem

Punkt angelangt sind, an dem wir dies realisieren, ändert sich an unserer

Vollkommenheit nichts, aber es verändert sich unsere Bewußtheit darüber.

Der relative Unterschied besteht nur in der Bewußtheit des Ganzen

und in der Wahrnehmung, welche eine Auswirkung derselben ist. Wenn

wir also wirklich Vollkommenheit erfahren wollen, können wir dies nur

durch Bewußt-Werdung erlangen, nicht durch einen Standortwechsel. Der

Wechsel vom Standort hat keine Auswirkung auf unser Bewußtsein, unser

Bewußtsein jedoch direkten Einfluß auf die Wahrnehmung unseres

Standortes. Mit anderen Worten, wenn ich nun in den Himmel gehe

würde, also von einem Ort zum anderen reisen und mein Bewußtsein

bliebe dasselbe, würde ich ihn gar nicht als solches erkennen. Verändere

ich jedoch mein Bewußtsein, verändert sich auch die Wahrnehmung der

Örtlichkeit und das bedeutet, mein Bewußtsein transportiert mich unmittelbar

in den Himmel, ohne daß ich mich dafür bewegen muß. Das

Himmelreich ist in uns, daran wurden wir im Laufe der letzten Jahrhunderte

des öfteren erinnert, und dies kann ich nur bestätigen.


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