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Die Knallfolien-Krankheit
Ein Bericht
Es gibt eine Krankheit, die sich Knallfolien-Krankheit nennt - und sie ist bei Weitem nicht so harmlos, wie allgemein stets angenommen wird.
Ausgelöst wird diese Krankheit in den meisten Fällen durch Postsendungen Briefumschläge und Pakete, in denen sich CDs, Bücher, elektrische Geräte oder ähnliche Dinge befinden und die durch besagte Knallfolie, auch Luftpolsterfolie genannt, geschützt werden sollen.
An den Schutz des Empfängers denkt dabei jedoch kaum einer. Denn kaum hat er den Inhalt ausgepackt, liegt dieser auch schon vergessen in der Ecke, der Patient sitzt mit einem zufriedenen, entrückten Lächeln da und zerplatzt die Luftpolster der Verpackungsfolie.
Es ist eine Krankheit. Eine Sucht. Daran gibt es nichts zu rütteln. Wer jedoch einmal infiziert wurde, läuft anschließend nicht stets mit einer Luftpolsterfolie in den Händen durch die Gegend (obwohl dies bei unheilbaren, langjährigen Konsumenten bisweilen der Fall sein kann). Vielmehr schlummert das Virus geduldig in ihm und wartet auf den Briefträger, der das nächste Paket bringt, die nächste Verpackung, die nächste Luftpolsterfolie Dann beginnt der nächste Anfall, erwacht das vermeintlich harmlose Virus und beginnt innerhalb von Minuten, ungehemmt zu wüten. Falls dem auf Dauer nicht Einhalt geboten wird, kann es passieren, dass der Patient tief in die Sucht abrutscht, Beziehungen gefährdet und sein Leben in Zukunft als einen einzigen langen Leidensweg empfindet. Erhält der Patient oft Postpakete oder ist womöglich sogar beruflich in der Verpackungsindustrie tätig, muss gegen die Krankheit unbedingt vorgegangen werden, sonst sind kaum abschätzbare Probleme vorprogrammiert.
Ein Anfall verläuft üblicherweise in mehreren Phasen:
Erste Phase: Das Virus erwacht
Während der Empfänger der Postsendung noch die eben ausgepackte Ware begutachtet, sich vielleicht bereits auf einen gemütlichen DVD-Abend oder auf das neue Buch freut, beginnen seine Hände, ohne dass es selbst ihm bewusst ist, sich langsam an die Verpackungsfolie heranzutasten. Die ersten Luftpolster werden zerplatzt, noch ohne dass der Patient es bemerkt.
Zweite Phase: Das Virus breitet sich aus
Allmählich wird dem Patienten bewusst, was er macht, er nimmt den Blick von seiner neu erworbenen Ware und betrachtet fasziniert, was seine Hände mit der Folie anstellen. Interessant, denkt er, das macht Spaß, knallt so hübsch, fühlt sich auch lustig an, nette Sache, was man damit so machen kann, mal schauen, ob ich den daneben auch noch
Dritte Phase: Das Virus übernimmt die Kontrolle
Alle Gedanken sind jetzt auf die Folie gerichtet, auf das nächste Luftpolster, auf den nächsten Knall. In dieser Phase lässt sich der Patient meist auf den nächstbesten Stuhl oder gleich auf den Boden sinken, ohne dabei den Blick von der Folie zu nehmen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt ist er kaum mehr ansprechbar, reagiert auf Fragen nur noch mit einem abwesenden Jaja, Ich komme gleich oder Ähnlichem, ohne sein Gegenüber dabei tatsächlich wahrzunehmen.
Vierte Phase: Der Patient wird sich seiner Lage bewusst
Werden die Luftpolster in der Folie allmählich knapper, lichtet sich vorübergehend der Nebel, in dem sich der Patient seit geraumer Zeit befindet, und er wird sich dann zumeist wieder bewusst, wo er sich befindet und was er gerade tut. Jetzt setzt die Erkenntnis ein, dass er, um nicht für den Rest seines Lebens Knallfolie zu zerplatzen, jetzt und hier damit aufhören müsste.
Aber es sind noch Luftpolster übrig.
Fünfte Phase: Verzweifelter Versuch, gegen die Sucht anzukämpfen
Allmählich wird dem Patienten klar, in welch misslicher Situation er sich befindet. Er kann nicht abschätzen, wie lange er noch brauchen wird, um die Knallfolie vollständig zu zerstören und beginnt zu zweifeln, dass dies überhaupt möglich ist. Aufzuhören fällt ihm schwer, denn noch immer findet er neue Luftpolster in der Folie, während aus einem Nebenraum nach ihm gerufen wird, und er weiß, er muss nun aufhören. Verzweifelt versucht er seine Hände vom Zerplatzen weiterer Luftpolster abzuhalten. Nun hängt es von der Willensstärke des Patienten ab, ob es ihm gelingt, die Folie zum Mülleimer zu tragen, ohne unterwegs einfach stehen zu bleiben, oder ob fremde Hilfe nötig ist.
Sechste Phase: Die Wut
Gelingt es dem Patienten nicht, sich von seiner Knallfolie loszureißen und fühlt er das Virus weiter in sich toben, noch dazu bei vollem Bewusstsein, setzt die Wut auf Knallfolien und Verpackungshersteller im Allgemeinen ein und zwingt den Patienten zu einer verzweifelten Tat: Er packt die Folie an beiden Enden und wringt mit aller Kraft drauf los, wobei mit etwas Glück der Rest der Luftpolster endlich zerplatzt, der Patient noch einmal sein Verlangen ausleben kann, bis er zu Boden sinkt und die leere Luftpolsterfolie endlich fallen lässt.
Siebte Phase: Ende des Anfalls
Nun ist der Anfall vorüber und die Folie kann, am Besten von einem nicht infizierten Außenstehenden, rasch entsorgt werden, ansonsten besteht nämlich die Gefahr, dass der Patient sich von Neuem auf die Folie stürzt und nach verbliebenen Luftpolstern sucht er wird sie auch finden, denn einige wenige bleiben immer übrig. Anschließend sollte dem Patienten gut zugesprochen werden und man sollte ihn daran erinnern, dass es jedem so geht, er also nicht alleine mit seiner Sucht ist. Das wird ihm wieder Kraft und Mut geben.
Achte Phase: Spätfolgen
Hat der Patient öfter derartige Anfälle, kann die Knallfolien-Krankheit sich dahingehend ausweiten, dass der Patient beginnt, nicht mehr nur auf Post zu warten, sondern sich die Luftpolsterfolien gleich selbst zu bestellen. Dies führt nur in seltenen Fällen zu Beschaffungskriminalität, oft jedoch zu Verwahrlosung. Der Patient verlässt die Wohnung kaum mehr, isst und schläft nur noch wenig und versinkt mehr und mehr in seiner eigenen Welt, in der das ständige Zerplatzen der Knallfolien die wichtigste Rolle spielt. Vorräte an Folien werden angelegt, im schlimmsten Fall schottet sich der Patient völlig von der Außenwelt ab. Ohne fremde Hilfe ist er nicht mehr in der Lage, sich von seiner Sucht zu befreien, selbst wenn er es eigentlich selbst möchte.
Eigene Erfahrung mit Knallfolien:
Als Kind spielte ich oft mit meiner Freundin zusammen in unserem Dorf in einem alten hölzernen Unterstand, und in diesem befand sich die größte Knallfolie, die wir je gesehen hatten. Sie war mehrere Meter breit und auf ein hölzernes Gestell gespannt. Wozu sie diente, weiß ich zwar bis heute nicht, aber die Luftpolster waren riesig und es machte unglaublichen Spaß, sie zu zerplatzen, jedes einzelne Bis ein Bauer vom Nachbarhof uns dabei erwischte und uns ordentlich ausschimpfte. Die Knallfolie war offenbar nicht zum Knallen gedacht gewesen. Wir schlichen uns aber trotzdem immer wieder hin offenbar hatte uns die Sucht schon damals fest im Griff.
Auch später konnte ich nie an einer Verpackungsfolie vorbeigehen, immer musste ich die Luftpolster zerplatzen. Mein Bruder und ich arbeiteten einmal in Gemeinschaftsarbeit an eine riesige Folie hin, stundenlang. Und immer blieben am Ende noch Luftpolster übrig, nie brachten wir alle zum Platzen.
Vor kurzem habe ich einige CDs bei Ebay bestellt. Das war ein Fehler. Sie kamen in Briefumschlägen mit so viel Luftpolsterfolie, dass ich das Haus tagelang nicht mehr verließ und zunehmend zu vereinsamen drohte. Gerade noch rechtzeitig, bevor mich alle meine Freunde aufgaben, waren sämtliche Luftpolster zerplatzt, kein einziges(!) war mehr zu finden, und ich konnte endlich aufatmen heute Früh sah ich dann den Müllmann mit verklärtem Blick neben der Mülltonne stehen, in der meine Folien obenauf gelegen hatten ich muss doch noch einige wenige Luftpolster vergessen haben!
Und für alle, die ohnehin schon unheilbar infiziert sind:
http://www.virtual-bubblewrap.com
Viel Spaß!
Es gibt eine Krankheit, die sich Knallfolien-Krankheit nennt - und sie ist bei Weitem nicht so harmlos, wie allgemein stets angenommen wird.
Ausgelöst wird diese Krankheit in den meisten Fällen durch Postsendungen Briefumschläge und Pakete, in denen sich CDs, Bücher, elektrische Geräte oder ähnliche Dinge befinden und die durch besagte Knallfolie, auch Luftpolsterfolie genannt, geschützt werden sollen.
An den Schutz des Empfängers denkt dabei jedoch kaum einer. Denn kaum hat er den Inhalt ausgepackt, liegt dieser auch schon vergessen in der Ecke, der Patient sitzt mit einem zufriedenen, entrückten Lächeln da und zerplatzt die Luftpolster der Verpackungsfolie.
Es ist eine Krankheit. Eine Sucht. Daran gibt es nichts zu rütteln. Wer jedoch einmal infiziert wurde, läuft anschließend nicht stets mit einer Luftpolsterfolie in den Händen durch die Gegend (obwohl dies bei unheilbaren, langjährigen Konsumenten bisweilen der Fall sein kann). Vielmehr schlummert das Virus geduldig in ihm und wartet auf den Briefträger, der das nächste Paket bringt, die nächste Verpackung, die nächste Luftpolsterfolie Dann beginnt der nächste Anfall, erwacht das vermeintlich harmlose Virus und beginnt innerhalb von Minuten, ungehemmt zu wüten. Falls dem auf Dauer nicht Einhalt geboten wird, kann es passieren, dass der Patient tief in die Sucht abrutscht, Beziehungen gefährdet und sein Leben in Zukunft als einen einzigen langen Leidensweg empfindet. Erhält der Patient oft Postpakete oder ist womöglich sogar beruflich in der Verpackungsindustrie tätig, muss gegen die Krankheit unbedingt vorgegangen werden, sonst sind kaum abschätzbare Probleme vorprogrammiert.
Ein Anfall verläuft üblicherweise in mehreren Phasen:
Erste Phase: Das Virus erwacht
Während der Empfänger der Postsendung noch die eben ausgepackte Ware begutachtet, sich vielleicht bereits auf einen gemütlichen DVD-Abend oder auf das neue Buch freut, beginnen seine Hände, ohne dass es selbst ihm bewusst ist, sich langsam an die Verpackungsfolie heranzutasten. Die ersten Luftpolster werden zerplatzt, noch ohne dass der Patient es bemerkt.
Zweite Phase: Das Virus breitet sich aus
Allmählich wird dem Patienten bewusst, was er macht, er nimmt den Blick von seiner neu erworbenen Ware und betrachtet fasziniert, was seine Hände mit der Folie anstellen. Interessant, denkt er, das macht Spaß, knallt so hübsch, fühlt sich auch lustig an, nette Sache, was man damit so machen kann, mal schauen, ob ich den daneben auch noch
Dritte Phase: Das Virus übernimmt die Kontrolle
Alle Gedanken sind jetzt auf die Folie gerichtet, auf das nächste Luftpolster, auf den nächsten Knall. In dieser Phase lässt sich der Patient meist auf den nächstbesten Stuhl oder gleich auf den Boden sinken, ohne dabei den Blick von der Folie zu nehmen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt ist er kaum mehr ansprechbar, reagiert auf Fragen nur noch mit einem abwesenden Jaja, Ich komme gleich oder Ähnlichem, ohne sein Gegenüber dabei tatsächlich wahrzunehmen.
Vierte Phase: Der Patient wird sich seiner Lage bewusst
Werden die Luftpolster in der Folie allmählich knapper, lichtet sich vorübergehend der Nebel, in dem sich der Patient seit geraumer Zeit befindet, und er wird sich dann zumeist wieder bewusst, wo er sich befindet und was er gerade tut. Jetzt setzt die Erkenntnis ein, dass er, um nicht für den Rest seines Lebens Knallfolie zu zerplatzen, jetzt und hier damit aufhören müsste.
Aber es sind noch Luftpolster übrig.
Fünfte Phase: Verzweifelter Versuch, gegen die Sucht anzukämpfen
Allmählich wird dem Patienten klar, in welch misslicher Situation er sich befindet. Er kann nicht abschätzen, wie lange er noch brauchen wird, um die Knallfolie vollständig zu zerstören und beginnt zu zweifeln, dass dies überhaupt möglich ist. Aufzuhören fällt ihm schwer, denn noch immer findet er neue Luftpolster in der Folie, während aus einem Nebenraum nach ihm gerufen wird, und er weiß, er muss nun aufhören. Verzweifelt versucht er seine Hände vom Zerplatzen weiterer Luftpolster abzuhalten. Nun hängt es von der Willensstärke des Patienten ab, ob es ihm gelingt, die Folie zum Mülleimer zu tragen, ohne unterwegs einfach stehen zu bleiben, oder ob fremde Hilfe nötig ist.
Sechste Phase: Die Wut
Gelingt es dem Patienten nicht, sich von seiner Knallfolie loszureißen und fühlt er das Virus weiter in sich toben, noch dazu bei vollem Bewusstsein, setzt die Wut auf Knallfolien und Verpackungshersteller im Allgemeinen ein und zwingt den Patienten zu einer verzweifelten Tat: Er packt die Folie an beiden Enden und wringt mit aller Kraft drauf los, wobei mit etwas Glück der Rest der Luftpolster endlich zerplatzt, der Patient noch einmal sein Verlangen ausleben kann, bis er zu Boden sinkt und die leere Luftpolsterfolie endlich fallen lässt.
Siebte Phase: Ende des Anfalls
Nun ist der Anfall vorüber und die Folie kann, am Besten von einem nicht infizierten Außenstehenden, rasch entsorgt werden, ansonsten besteht nämlich die Gefahr, dass der Patient sich von Neuem auf die Folie stürzt und nach verbliebenen Luftpolstern sucht er wird sie auch finden, denn einige wenige bleiben immer übrig. Anschließend sollte dem Patienten gut zugesprochen werden und man sollte ihn daran erinnern, dass es jedem so geht, er also nicht alleine mit seiner Sucht ist. Das wird ihm wieder Kraft und Mut geben.
Achte Phase: Spätfolgen
Hat der Patient öfter derartige Anfälle, kann die Knallfolien-Krankheit sich dahingehend ausweiten, dass der Patient beginnt, nicht mehr nur auf Post zu warten, sondern sich die Luftpolsterfolien gleich selbst zu bestellen. Dies führt nur in seltenen Fällen zu Beschaffungskriminalität, oft jedoch zu Verwahrlosung. Der Patient verlässt die Wohnung kaum mehr, isst und schläft nur noch wenig und versinkt mehr und mehr in seiner eigenen Welt, in der das ständige Zerplatzen der Knallfolien die wichtigste Rolle spielt. Vorräte an Folien werden angelegt, im schlimmsten Fall schottet sich der Patient völlig von der Außenwelt ab. Ohne fremde Hilfe ist er nicht mehr in der Lage, sich von seiner Sucht zu befreien, selbst wenn er es eigentlich selbst möchte.
Eigene Erfahrung mit Knallfolien:
Als Kind spielte ich oft mit meiner Freundin zusammen in unserem Dorf in einem alten hölzernen Unterstand, und in diesem befand sich die größte Knallfolie, die wir je gesehen hatten. Sie war mehrere Meter breit und auf ein hölzernes Gestell gespannt. Wozu sie diente, weiß ich zwar bis heute nicht, aber die Luftpolster waren riesig und es machte unglaublichen Spaß, sie zu zerplatzen, jedes einzelne Bis ein Bauer vom Nachbarhof uns dabei erwischte und uns ordentlich ausschimpfte. Die Knallfolie war offenbar nicht zum Knallen gedacht gewesen. Wir schlichen uns aber trotzdem immer wieder hin offenbar hatte uns die Sucht schon damals fest im Griff.
Auch später konnte ich nie an einer Verpackungsfolie vorbeigehen, immer musste ich die Luftpolster zerplatzen. Mein Bruder und ich arbeiteten einmal in Gemeinschaftsarbeit an eine riesige Folie hin, stundenlang. Und immer blieben am Ende noch Luftpolster übrig, nie brachten wir alle zum Platzen.
Vor kurzem habe ich einige CDs bei Ebay bestellt. Das war ein Fehler. Sie kamen in Briefumschlägen mit so viel Luftpolsterfolie, dass ich das Haus tagelang nicht mehr verließ und zunehmend zu vereinsamen drohte. Gerade noch rechtzeitig, bevor mich alle meine Freunde aufgaben, waren sämtliche Luftpolster zerplatzt, kein einziges(!) war mehr zu finden, und ich konnte endlich aufatmen heute Früh sah ich dann den Müllmann mit verklärtem Blick neben der Mülltonne stehen, in der meine Folien obenauf gelegen hatten ich muss doch noch einige wenige Luftpolster vergessen haben!
Und für alle, die ohnehin schon unheilbar infiziert sind:
http://www.virtual-bubblewrap.com
Viel Spaß!