Als ich zum dritten Mal an der Nutte auf dem Hackeschen Markt vorbeikomme, spricht sie mich an und fragt mich, ob ich nicht Lust hätte, „mich ein bisschen verwöhnen zu lassen.“ Ich schüttele den Kopf und sage:



„Nichts gegen Dich persönlich. Und ich weiß auch, dass wir uns jetzt schon dreimal über den Weg gelaufen sind und dass man in dem Dorf, aus dem ich komme, sagt, dass man dann zusammen einen trinken gehen muss. Aber es heißt eben nicht „Dreimal sehen, ficken gehen!“ Wo kämen wir denn sonst hin? Du bist ja ganz hübsch, aber wenn ich mit einer Frau Sex haben will, dann verlange ich, dass diese Frau nicht 5 Minuten vorher und 5 Minuten danach mit jemand anderem rumgefickt hat. Ich möchte die Frau kennen und möchte verliebt in sie sein und sie im Idealfall sogar lieben und im alleridealsten Fall ist diese Frau dann auch in mich verliebt oder liebt mich. Oder ich bin einfach total betrunken. Prinzipiell habe ich nix dagegen, wenn mich die Frau verwöhnt, aber das beruht dann auch auf Gegenseitigkeit und diese Gegenseitigkeit drückt sich nicht dadurch aus, dass ich der Frau Geld dafür gebe, damit sie mich verwöhnt. Diese Frau steht auch nicht auf dem Hackeschen Markt rum und bietet ihre Dienste an, es sei denn, wir beide würden das super verrucht und geil finden und uns wäre diese Idee beinahe gleichzeitig eingefallen und wir hätten sie auch im selben Moment einfach rausgeprustet. Beispielsweise, wenn wir gerade durch einen Sonntagsspaziergang, eine Folge von „Richter Alexander Holt“ oder einen „Jungs fragen Mädchen fragen Jungs“-Artikel bei jetzt.de dazu inspiriert worden wären. Sollten meine ausgedachte Freundin und ich dann wirklich diese Idee gehabt haben, dann meinetwegen und ihretwegen gerne – allein, ich glaube da nicht so richtig dran. Was Deine Klamotten angeht, da muss ich Dir zugestehen, dass ich bestiefelte Frauen gut finde, wobei die jetzt auch nicht gleich bis zum Po hochgehen müssen. Aber von einem Korsett würde ich nicht nur aus ästhetischen (Du siehst darin aus wie ein Insekt, dem 2 Beine rausgerissen worden sind), sondern vor allem aus medizinischen Gründen abraten … Und nein, ich werde jetzt nicht die Frage der besoffenen Mittejungegesellen- und Jungesellinnenabschiedsgruppen stellen und mit angefügten Fragezeichen fragen, ob das denn nicht unbequem sei. Ich sehe, dass es unbequem IST. Auch frage ich mich, warum gerade bei den Junggesellinnengruppen immer eindeutig klar ist, wer die Hauptperson des Abschiedsabends ist, weil diese Frau IMMER die mit Abstand Hässlichste der Gruppe ist – und das liegt nicht an irgendwelchen „lustigen“ Verkleidungen. Aber ich schweife ab. Entschuldige. Also es ging ja darum, dass Du mich gefragt hast, ob ich mich nicht „ein bisschen von Dir verwöhnen lassen“ wolle. Allein schon der Passiv! Mehr Emanzipation! Mehr Alphamädchen! Der Freier, mit dem Du mir letztens entgegengekommen bist, der hatte Recht, als er sagte: „Du bist eine ganz besondere Frau!“ Du BIST eine ganze besondere Frau. Vielleicht hast Du damals mein zustimmendes Murmeln gehört: „Stimmt. Eine, die für Sex Geld nimmt.“ Und damit komme ich auch schon zum Ende meiner Ausführungen. Ich bin ja kein Sparfuchs, aber warum sollte ich für etwas, das ich, vorausgesetzt, ich lasse mir mal die Haare schneiden, zieh was Vernünftiges an und bin über einen längeren Zeitraum hin freundlich, auch für umsonst bekommen kann, Geld bezahlen?“



Ich frage sie, wo denn da der Sinn sei. Sie nimmt meine Hand in ihre, lächelt und meint, dass meine Frisur schon okay sei heute Nacht. „Nur freundlicher … freundlicher dürftest Du schon sein.“