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Ein One-Night-Stand sollte ein One-Night-Stand bleiben

Text: Spreeanbeterin
Eigentlich hätte alles so schön sein können. Eine nette kleine "Fick-Beziehung", wie manch derber Zeitgenosse es ausdrücken würde. Alles war klar von Anfang an; er wollte keine Beziehung und ich auch nicht. Zu frisch waren unsere Beziehungswunden und zu zauberhaft war diese Nacht.

Es war nie die Rede davon, dass das zwischen uns auf irgendeine Art Partnerschaft hinauslaufen sollte. Niemals, da waren wir uns einig.



Es war wie bei so vielen. Ein Abend, an dem man die Welt umarmen könnte, man ist fröhlich (meist feucht-fröhlich so wie ich an diesem Abend), fühlt sich unglaublich sexy, ist charmant und witzig und dann ist da dieser unglaublich tolle Typ, der, engelsgleich angeschwebt kommt, einem schöne Augen macht und noch tollere Sprüche drauf hat. Und wie der riecht... Das verführerischste Parfum der Welt.

Die Musik fließt dahin, unterstreicht jede Geste, ist der Ausdruck dieses unbändigen Gefühls, was diese Nacht traumhaft macht.

Und dann der erste Kuss, erst zaghaft, flatterhaft, dann drängender, süß und erotisch. Es knistert und zwar gewaltig.

Die Frage "Wollen wir bei mir noch einen Kaffee trinken?" klingt so normal, so natürlich, als wäre es das Normalste der Welt, mit einem Mann, den man gerade erst 2 Stunden kennt, nach Hause und auch anderswo hinzugehen.



Ja, es war mein erster One-Night-Stand und vielleicht kann jemand, der jede Woche einen hat, es nicht mehr nachvollziehen, aber für mich war es etwas Besonderes. Keine Routine, keine Triebbefriedigung oder wie man es sonst nennen könnte. Es war der Wahnsinn. Sicherlich dem Alkohol etwas geschuldet und dennoch zauberhaft, wie im Film, wie im Traum oder in einer fernen fernen Realität.



Kurz vor 8, es wir langsam hell, ziehe ich mich an und gehe. Er bringt mich zur Tür und gibt mir einen Kuss auf die Wange. Und weg bin ich, laufe durch die Stadt, die gerade erwacht, sehe Menschen, die im Café sitzen und frühstücken, sehe sie spazieren gehen mit ihren Hunden und joggen in engen Hosen und bunten Mützen.

Ich habe das Gefühl zu schweben, gleite dahin auf einer Welle der Zufriedenheit (oder Befriedigung, das kann ich nicht unterscheiden), kann nicht aufhören zu grinsen. Vielleicht kennt ihr das. Dieses Gefühl ist der Hammer, geradezu genial.



Und dann?



Wochenlang geht er mir nicht aus dem Kopf, antwortet zwar auf eine sms, die ich ihm schreibe, aber nur kurz und überhaupt nicht liebevoll. So neutral, dass ich ein flaues Gefühl in der Magengrube bekomme. Ja, okay, es war abgemacht, keine Beziehung. Und trotzdem denke ich ständig an ihm. Mist.

Was sagte er noch zum Abschied: Wenn du wieder in der Stadt bist, meld dich doch bei mir, dann können wir uns sehen.

Ich weiß, dass ich in ein paar Wochen wieder da bin...



Irgendwann geht das Denken an ihn vorbei, das war anscheinend nur eine Phase. Verständlich, wenn man mit jemandem intim wird, dass man eine Art Bindung aufbaut, trotz allem.

Irgedwie bin ich erleichtert.



Wenig später bin ich wieder in der Stadt. Soll ich ihm schreiben, oder nicht? Meine Hände klimpern nervös auf dem Handydisplay herum. Ach was solls, heute abend kann ich Sex haben wenn ich will, was wünscht man sich mehr, wenn man Single ist und das mit dem Sex Haben nicht immer so leicht ist?



Mit einer Freundin schleiche ich in den Club, in froher Erwartung, ihn wieder zu sehen. Und wirklich, er ist da. Und er sieht gut aus; wie in meiner Erinnerung. Wir tanzen, küssen und es ist wie beim ersten Mal.



Fast.



Je später der Abend umso weniger kann ich mich des Gefühles erwehren, dass irgendetwas nicht gut ist. Hat er die Anziehungskraft auf mich verloren? Warum flüstert da ständig diese kleine Stimme, dass er ja sowieso nur an meinem Körper interessiert ist und doch eh keine Beziehung will und warum ich mich dann mit ihm abgebe?

Ich bin doch auch nur an seinem Körper interessiert! schreie ich zurück innerlich und küsse ihn energisch.



Irgendwann überwältigt mich diese innere Stimme und ich frage ihn, was ich eigentlich für ihn bin, wie er mich eigentlich sieht.

Und schon als ich die Frage stelle, merke ich, dass es vorbei ist. Seine Gesichtzüge entgleisen, als ich ihm sage, dass ich kein Sexobjekt für ihn sein will und dass ich mich wenigstens ein bisschen mit ihm verstehen und mich unterhalten will.

Noch einmal erklärt er, er will keine Beziehung.

Ich doch auch nicht, sage ich, nur irgendwie kann ich das alles hier nicht.

Ich kann nicht mit jemandem einfach so schlafen, ohne auch nur die kleinste außersexuelle Bindung zu ihm zu haben.

Deine Entscheidung, sagt er, wir können jetzt gern zu mir gehen, aber du kannst auch einfach nach hause gehen und schlafen, ganz wie du willst.

Ich beiße mir auf die Unterlippe.

Ich kann die Chance nutzen und eine schöne Nacht haben oder sie verstreichen lassen und allein schlafen.

Ich will mit zu ihm, doch etwas in mir sträubt sich.

Ich kann nicht, sage ich, gebe ihm einen Kuss und drehe mich um. Jetzt gibt es kein Zurück mehr. An der Garderobe bleibe ich noch kurz stehen, beiße so heftig meine Kiefer aufeinander, dass es weh tut und gehe schließlich.



Draußen empfängt mich kalte Winterluft und ich gehe schnellen Schrittes Richtung Wohnung. In meinem Kopf herrscht Chaos. Reue, Erleichterung, Ernüchterung, alles vermischt sich, ich habe keine Ahnung, was ich denke. Eins steht fest: Ihn sehe ich nie wieder. Zumindest werden wir uns nie wieder so nahe sein, wie wir uns waren. Kurzzeitig.

Ich gehe weiter und mir kommt ein Zeitungsartikel in den Sinn, den ich neulich gelesen habe. Da ging es um One-Night-Stands und den Reiz, den sie ausüben. Der Reiz liegt auf dem kleinen Wörtchen "One", schießt es mir in den Kopf.

Ich bleibe stehen und beoachte den Rauch, der aus meinem Mund schwebt.

"Ein One-Night-Stand sollte ein One-Night-Stand bleiben", kritzel ich auf die vereiste Windschutzscheibe eines Autos bis mir die Fingerkuppe vor Kälte weh tut.

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