Ist man vergeben, so ist es schwierig, Freunde zu behalten, die andersgeschlechtlich sind. Die Erfahrung habe ich gemacht. Mein ehemaliger bester Freund hat sich von mir entfernt und ich mich von ihm. Kein Dvd-gucken bei ihm, kein Pizzaessen mehr. Ich war immer mehr bei meinem Freund und immer weniger bei ihm. Er wollte mir nicht im Weg stehn. Und jetzt? Jetzt ist er noch EIN Freund, aber kein bester mehr. Die stundenlangen Telefonate über den Sinn des Lebens vermisse ich. Aber ich habe mich damit abgefunden.



Doch nun und gerade jetzt, ist da ein Junge, mit dem ich mich so verbunden fühle. Wir kennen uns, seit wir klein sind, sind miteinander auf's Gymnasium, waren jedoch nie wirklich fest befreundet. Als wir älter wurden, verstanden wir uns auch immer besser, er fuhr sogar mit uns in den Urlaub. Trotzdem war er nicht so interessant für mich, wie er es jetzt ist. Obwohl er im Urlaub genau die Lieder auf seiner Gitarre spielte, die ich hören wollte. Irgendwann hat er mal gesagt, dass er in mich verliebt sei, hat meine Freundin erzählt. Aber ich habe nicht viel darauf gegeben, war zu dem Zeitpunkt selbst in eine Illusion verliebt.



Wie fing das an? Ich überlege angestrengt, immer wieder. Im Chorlager? Ja, da hat er mich massiert. Und hab mir gedacht: Er is gut mit seinen Händen ;) Und was mich überraschte, jeder andere hätte nach fünf Minuten aufgehört, inklusive mein Freund, aber er, er hat einfach weitermassiert und ich hab meine Augen zugemacht. Dann hat er mich im ICQ gefunden und wir haben uns viel erzählt. Er war mit am Incubus Konzert und als mein Exfreund auftauchte, hielt er meine Hand. Letztes Wochenende waren ein paar Leute bei mir, wir hingen in meinem Zimmer rum und tranken ein paar Biere. Er war auch da. Und er hat auf meiner Gitarre gespielt. Und mir Zigarretten mitgebracht, ist sogar nochmal umgekehrt, weil ich welche wollte. Wir standen am Fenster und rauchten und redeten, während die anderen Wrestling guckten. Und ich legte mich in seine Arme und wurde einfach ruhig.



Früher war es mir immer ein bisschen zuviel, zu beengend, wenn er mich umarmte und drückte. Ich wusste es nicht zu deuten, war viel zu beschäftigt mit mir und meinen Problemen. Aber jetzt tut es mir so gut. Wir haben soviel gemeinsam und verstehen Dinge, die kein anderer versteht. Wir sind melancholisch, hilflos melancholisch. Es ist, als wäre er zu mir in meine Höhle gekrochen, wo ich mich versteckt halte und hätte sich einfach neben mich gesetzt. Wir reden über Gott. Über die große Liebe und Lieder, die uns erinnern lassen. Über Dinge, über die ich mich mit meinem Freund nie unterhalten könnte. Mein Freund fragt mich, ob ich in ihn verliebt sei. Ich lache aufgekratzt. Ich würde soviel erzählen von ihm. Quatsch! Nein! Ich fühlen nur in vielen Dinge das selbe. Sind oft traurig, aber lachen auch gerne. Er verspricht mir und hält was er verspricht. Er gibt sich Mühe.



Gestern. Im Kollegstufenzimmer. Er teilt sein Pausenbrot mit mir. Und flüstert. Ich beuge mich zu ihm. Er flüstert. Ich halte mein Ohr an seinen Mund. "Ich hab dich lieb." Ich erschrecke, aber freue mich. Gebe keine Antwort. Werfe ihm nur ein Küsschen hin, weiß nicht, was ich tun soll. Funktioniert Freundschaft zwischen Mann und Frau? Vorallem, wenn man vergeben ist?

Er gibt mir eine Cd: "Mit traurigen Liedern." Ich schwänze Sport, liege auf meinem Bett bei offenem Fenster und höre seine Lieder. Sauge die Worte ich mich ein, frage mich, ob sie an mich gerichtet sind. Oder ob er alte Erinnerungen mit ihnen teilt. Es ist als lese ich seine Seele und fühle meine höher fliegen. Ich liebe seine Cd. Soviele Lieder, von denen er weiß, dass ich sie auch mag. Soviele Klänge, die mich berühren. Ich stehe auf und tanze mit den Staubkörnchen in der Sonne.



Ist es unfair? Ich mag ihn einfach so gern. Er tut mir so gut. Ich liebe meinen Freund. Aber ich hab mich viel zu viel auf ihn und sein Leben eingelassen. Hab soviel von ihm angenommen. Freunde, Familie, Musik, wo bin ich geblieben? Mein Freund konnte das nicht, sich auf mein Leben voll und ganz einlassen, auf meine Lieblingslieder, auf meine Freunde, auf meine Hobbies. Ich weiß nicht, ob mein Freund alles liegen und stehen lassen würde für mich. Und jetzt ist da ER, und er ist nicht "nur ein Freund", vielleicht wird er mein bester. Wenn er es auch will. Und er gehört mir und bin ich so glücklich, wie schon lange nicht mehr. Es IST unfair! Ich wäre eifersüchtig, rasend eifersüchtig, wenn mein Freund so ein Mädel hätte, mit dem er so viel teilen würde. Aber ich kann nicht anders. Weil ich mich verstanden fühle und gut, so gut.