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Platonie

Text: Amygdalas
















31.10.2006

Schwitzen. Jeder Atemzug ist eine körperliche Anstrengung, dem alle anderen Hautporen sich entgegen sträuben sich zu öffnen. So liege ich zunächst auf der Holzbank, meine aber zu glauben, dass dadurch mein Atmen erschwert wird. Ich richte mich auf. Dieses Zusammengezogensein ist doch für mich wie ein inneres Hindernis. Es ist die brennende Luft in meinen Atemwegen, welche in meiner Brust so schmerzhaft sticht. Ich versuche mich zu sammeln, keine verschenkte Energie nach außen abzugeben, meine innere Stärke und eigene Wärme zu sammeln.

So hocke ich alleine in dieser Holzkammer, nehme das aneinander haftende Sauggeräusch von nassen Füßen und Badelatschen wahr. Und denke an letzte Nacht.

Wie so einige Male fühlte ich mich beschnitten und verstümmelt in meiner Ausdruckskapazität, im richtigen Moment, das richtige zu sagen. Meine Sprache und meine körperliche Leidenschaft durften einander nicht berühren, sie wurden in zwei geschlossenen Separees aufbewahrt.



Ich wollte es weder wahrhaben noch zugeben, dass ich mich von ihm angezogen fühlte. Seine feinfühlige sensible Art mit den Menschen zu kommunizieren und seine gelassene Ausstrahlung wirkten magnetisch auf mich - ich fühlte mich wohl in seiner Gegenwart.

‘Sprichst du immer so Business-mäßig? Vor mir brauchst du das wirklich nicht.’ Ich war verdutzt- habe ich bereits so eine sprachliche Distanzmauer aufgebaut?

35 Jahre- und er wirkt viel jünger, und ich angeblich wesentlich reifer für meine 23. Seine Hände griffen sehr geschickt, sanft und doch präzise an meinen empfindlichen Stellen. Er war mir um einiges erfahrener.

Meine Gehemmtheit und meine Abgrenzung führten dazu, dass die Situation in ein Nähe-Distanz Spiel ausartete. Ich zog ihn an und stieß ihn im nächsten Moment wieder von mir. Mein Verhalten war so unentschlossen, dass er bald daraufhin wortlos aufstand, sich seine Shorts wieder anzog, seine Zigarette anzündete und schon entschlossen zur Tür zu gehen.’Wieso bestehen zwischen Mann und Frau immer Spannungen? Ist denn keine platonische Freundschaft möglich?’fragte ich und hielt ihn zwischen Hausflur und Tür zurück. ‘Denk doch einmal nicht an Sex..’ erwiderte er mir. Als er ging, merkte ich, dass weder ich noch er in Besitz unserer Telefonnummern waren.



Am nächsten Morgen bereute ich, nicht deutlich genug gewesen zu sein und sinnlose Erklärungen gegeben zu haben. Es war, als wenn ich über Nacht um einige unreifere Jahre jünger wurde und mich auch so fühlte. ‘Die nach außen hin schwach wirkenden Menschen sind doch im Grunde genommen sehr stark, auch wenn man ihre leise Stärke nicht auf anhieb wahrnimmt.’ Er verfügte über die Kunst komplizierte Tatsachen einfach und plausibel darzustellen.

Es ist einfach ein Naturgesetz, dass zwischen Mann und Frau nie 100%ig eine Chance besteht, vielleicht doch mit dem anderen eine intime Beziehung aufzubauen. Unser Ausleben wird gebunden an die gesellschaftlichen Konventionen, und unter Kontrolle gehalten zum Wohle der Institution Familie.



Im Grunde kenne ich ihn gar nicht, und ebensowenig er mich. Liebkosungen und romantische Beinamen klangen lächerlich- es ging nur um das eine; das auszutauschende Gut. Keine Verpflichtungen, keine weiteren Verabredungen und andere Aussichten auf ein gemeinsam Zukünftiges.

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