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Tolerantes Paar sucht Gleichgesinntes
Schatz, sag mal (kurze Pause und etwas abgesenkte Stimme, dazu niedergeschlagene Augen), hast du auch schon mal daran gedacht, mit jemand Anderem Sex zu haben?
So, oder jedenfalls so ähnlich könnte ein Gespräch beginnen, wenn sich eine Beziehung irgendwie festgefahren hat. Leider sind noch viele Hürden zu überwinden.
Du weißt doch, dass ich nur dich liebe ist vermutlich die diplomatischste Antwort, die alle Optionen offen lässt. Aber was sind die Ursachen für so eine Frage?
Der erste, der mutige Schritt in erotisches Neuland beginnt, wenn alle Variationen bis zum Überdruss durchgespielt, und sogar die ausgefallensten Spielzeuge langweilig werden. Die überraschende Frage kommt nicht einfach aus einer Laune heraus. Oft ist ein langer trau-ich-mich-oder-trau-ich-mich-nicht-Prozess vorangegangen.
Wie immer entscheidet dir richtige Antwort über die Fortsetzung. Denn Toleranz kann ein ziemlich unbehagliches Gefühl erzeugen, wenn der andere das tut, was man nicht möchte, aber dem man aus Gründen der freiheitlich-demokratischen Beziehungsordnung zustimmen muss.
Ein fröhliches: Aber klar, ich habe immer Lust um sich dann mit wichtigeren Dingen, zum Beispiel der Sportschau zu beschäftigen, wäre garantiert die falsche Reaktion auf eine Frage, die den sensiblen Bereich der gemeinsamen Sexualität betrifft. Vorsichtige Annäherung und das Ausloten der Wünsche und taktisches Gestalten der Richtung sind angesagt. Denn empfindsame Beziehungs-Profis wissen, dass die moralische Welt zunehmend als unerträglich empfunden wird, wenn die Möglichkeiten der Weiterentwicklung, der sexuellen, zu sehr begrenzt werden. Oder anders ausgedrückt: Beziehungs-Langeweile ist mit dem Phänomen eines sich langsam erhitzenden Dampfkessels vergleichbar. Steigt die Hitze im Innern des Kessels an, entsteht Druck. Bei Überdruck sucht der Dampf einen Weg, um zu entweichen. Frustrationsaggressionen entstehen, die eine undichte Stelle im Ehekessel suchen. Darum ist es immer klüger, rechtzeitig ein funktionierendes Ventil einzubauen, um den Überdruck zu kanalisieren. Ein Weg, um die Problematik des sexuellen Überdrucks zu kanalisieren, kann ein funktionierendes Netzwerk (bitte beachten Sie die Mehrzahl) toleranter Paare sein.
Es hat viele Jahrzehnte gedauert und es war ein weiter Weg vom ehelichen Schweigen zur sexuellen Freiheit, in der alles möglich, und noch schöner, alles erlaubt ist. Früher, so in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts, als Oswald K. (nicht Kinsey, das war ein anderer) noch der Vordenker der sexuellen Nachkriegstrends war, kamen, zuerst hinter vorgehaltener Hand und dann in der Sensationspresse, die ersten Berichte über heimliche Wohnzimmerpartnertauschaktivitäten auf. Aber die Begriffsbestimmung ist unbefriedigend und nicht mehr zeitgemäß. Denn das Prinzip des Partnertauschs trägt die Behinderung durch Regelungen schon in sich. Partnertausch bedeutet, dass zwei Paare, deren Partner in fester Beziehung leben, die Geschlechtspartner für eine bestimmte Zeitspanne austauschen. Nun kann dieses Vorhaben zwar sehr anregend sein, wenn die vielen reizvollen Variationsmöglichkeiten nicht wären. Denn mit zunehmender Erfahrung wachsen auch die Wünsche nach Kombinationsmöglichkeiten. Oder verbalerotisch ausgedrückt: Die Geilheit wächst im gleichen Verhältnis, wie die Hemmungen fallen.
Zum Beispiel könnten nach den ersten, erfolgreich verlaufenden Versuchen, mehrere Paare mitagieren, dann wird Partnertausch zum Gruppensex. Auch der bekannte Flotte Dreier ist eine, in der Kombination Platzhirschmann-mit-zwei-gefügigen-Frauen oft ausdrücklich gewünschte, männliche Kopulationsvariante. Während die weiblichen Wünsche nach einem zweiten oder dritten Mann oft feucht geträumt, aber selten offen artikuliert werden. Dazu kommen die ausgefalleneren Gruppierungen, die zum Beispiel unter den Bezeichnungen Gangbang oder Session auch im deutschen Sprachraum eine zunehmende Anhängergemeinde finden.
Alle Konstellationen, in welcher Besetzung oder Kombination sie auch stattfinden, haben eines gemeinsam, sie sind nicht Orts- oder Zeitgebunden und eigentlich überall möglich, vorausgesetzt die örtlichen Temperaturen (mehr oder weniger belebte Parkplätze, FKK- oder sonstige Seen, diskrete Waldlichtungen und Wiesen), die Räumlichkeiten (Privatwohnungen, Sexkinos oder Clubs), oder die Zeiten (Tag oder Nacht) lassen es zu. Das Ziel aller Aktivitäten ist mehr Lust, und darin liegt die eigentliche Schwierigkeit. Mehr Lust wird nicht durch Tausch erreicht, sondern durch das Ausprobieren aller Varianten der Nutzung. Wer schon einmal die brave Familienkutsche, zum Beispiel den geräumigen Kombi, gegen einen dynamische Leihsportwagen getauscht hat, weil der Alte nicht mehr richtig will und zu oft muckt, kennt die schmerzlichen Empfindungen, wenn die heiße Kiste nach kurzer Nutzung zurückgegeben werden muss.
Fröhliches swingen ist der neue Megatrend, der sich zu einem Volkssport mit allen Auswüchsen entwickelt. Sogar als nettes Geschenk für die Dame des Herzens, wird ein kleines Swingerlebnis als Alternative zu Kochtöpfen und Messer-Sets gern angenommen. Aber die Risiken und Nebenwirkungen sind nicht zu unterschätzen. Denn der nach meiner Meinung etwas angestaubt klingende, weil an die Sixties und Carnaby-Street erinnernde Begriff des Swingers ist eine eher lustige Bezeichnung für eine hoch komplizierte Angelegenheit, die weit in den Bereich des Unmöglichen hinein reicht.
Der Satz: Schatz hast du nicht auch mal Lust auf geiles Durcheinander erzeugt das schwierige Problem: Wie bringt man mindestens vier, vielleicht auch mehr Leute zusammen, die alle verschiedene Wünsche und Vorstellungen haben, wenn schon die klassischen Zweierbeziehungen extrem komplex sind? Mit diesem Dilemma, das immer größere Bevölkerungskreise betrifft, möchte ich mich mit diesem Beitrag auseinander setzen.
Beobachten wir gemeinsam ein verheiratetes Paar im mittleren Alter, nennen wir es der Einfachheit halber Viola und Werner, das eine kaum noch zu bändigende Lust auf fremde Haut verspürt. Beide wollen, und das haben sie sich fest versprochen, ihrem ehelichen Partner nicht untreu werden. Viola sichert sich durch den beruhigenden Satz: Schatz, wir probieren es nur einmal aus. Wenn irgend etwas nicht so ist, wie wir uns das vorstellen, dann lassen wir es ab. Viola und Werner vertrauen sich, und darum wollen sie nicht allein, sondern gemeinsam neue sexuelle Erfahrungen machen. Oder anders ausgedrückt, die Beiden, wobei Viola eindeutig die Aktivere ist, möchten zusammen endlich das erleben, von dem zwar alle Welt spricht, aber das bis jetzt aus den verschiedensten Gründen unerreichbar schien.
Viola und Werner sind sich einig, dass nach reiflicher Überlegung und unter Abwägung aller Alternativen, ein (mehrere sind zu empfehlen) tolerantes Ehepaar mit den gleichen Vorstellungen die ideale Besetzung wäre. Damit dieses Vorhaben nicht schon in der Startphase kläglich scheitert, habe ich, zusammen mit Viola und Werner (herzlichen Dank Viola) den folgenden Dialog für swingendes Vergnügen mitgeschrieben:
Erste Szene: Wohnzimmer mit gedämpfter Beleuchtung. Viola sitzt mit angezogenen Beinen auf dem roten Ledersofa und blättert in einer cosmopolitischen Zeitschrift. Werner sitzt in seinem bequemen Sessel und schaut auf das Fernsehgerät.
Schatz, (kleine Pause und niedergeschlagener Blick) du willst es doch auch? Die vollkommen überraschende Frage von Viola ist die Rückversicherung, dass die Aktion, die zwar schon das eine oder andere Mal angesprochen wurde, gemeinsam gewollt und nicht einseitig verordnet ist. Werner ist etwas irritiert, denn die Sportschau bringt die Höhepunkte der Woche, und er weiß in dem Moment nicht so recht von was Viola spricht.
Sein ohne den Blick vom Bildschirm zu wendende, souveräne Antwort: Aber ja Liebling, wir haben das doch schon besprochen geht in Violas gleichgültig erscheinender Mimik etwas unter. Aber eines ist damit erreicht. Die bis dahin einseitig-hundertprozentige, die moralische Verantwortung ist schon mal halbiert und die knisternde Spannung im Raum steigt. Oder wie Viola mit ihrem frechen Blick sagen würde: Jetzt sind wir beide schmutzig.
Da Viola, wie Sie sicher wissen, die Aktivere ist, lässt sie nicht locker. Denn wenn sie sich mal für etwas engagiert, dann gibt es keine halben Sachen, auch wenn Werner manchmal etwas schwer in die Gänge kommt und in diesem Moment lieber die Sportschau sehen würde.
Schatz sag mal, was machen wir, wenn wir an irgendwelche Psychopathen geraten? Viola denkt vorausschauend, wie es sich für die verantwortungsbewusste Leiterin des Familienunternehmens gehört, und Werner weiß jetzt, dass er Prioritäten setzen muss, denn sein Organisationstalent ist gefragt. Immerhin ist er der Mann im Haus, und er darf, wenn auch nur für kurze Zeit seine Gedanken abschweifen lassen. Ohne auf Violas Frage näher einzugehen, versucht er seine typisch männlichen, egoistischen Machophantasien durchzusetzen, denn die Gelegenheit ist günstig und die Borussen am verlieren.
Liebling sag mal, du träumst doch schon lange davon, mal mit einer Frau? Du hast mir doch mal erzählt, dass du damals, als du noch in der WG gewohnt hast, schon mal mit einer Frau ...? Und rückversichernd: Du hast doch damals immer diesen Anhänger mit der Doppelaxt getragen, weißt du noch?
Natürlich wäre es Werner am liebsten, wenn seine Träume von einem klassischen Dreier mit zwei Frauen in Erfüllung gehen würden. Er hätte keinen Besitzstress mit anderen Männern, und die Frauen könnten sich danach in Ruhe unterhalten. Ob Viola auch von einem Dreier (M+M+Viola) träumt, weiß Werner nicht. Sicherheitshalber hat sie ihm das verschwiegen.
Ich weiß nicht, ob Viola und Werner die Gefahren bedenken, die aus einer Dreierkonstellation (M+W+W oder M+W+M) entstehen können. Aber ich habe Viola und Werner ausdrücklich davor gewarnt. Denn besonders für Swinganfänger sind die Risiken, dass Gefühle ins Lustspiel kommen, oder der/die Singlemitspieler-In zu unkontrollierbaren Aktionen neigt sehr groß. Mein Tipp für Anfänger: Finger weg von Einzelmitspielern, auch wenn die Konstellation noch so verlockend erscheint.
Werners Dreierträume werden durch ein längeres Schweigen kommentarlos begraben. Aber dafür ist man sich einig, dass nur ein passendes Paar in Frage kommt. Nach einem tiefen Schluck aus ihrem Weinglas verspürt Viola das Bedürfnis, Ergebnisse zu produzieren
Schatz, hast du dir schon mal Gedanken gemacht, was wir für ein Paar suchen und für was? Violas zunächst ziemlich einfach erscheinende Frage ist nicht leicht zu beantworten. Natürlich suchen Viola und Werner ein passendes Paar für aktiv-lustvolle Freizeitgestaltung drinnen und draußen oder wo auch immer. Aber jetzt kommen die Detailfragen, und die haben es in sich.
Werners zurückhaltendes: Hm, also darüber habe ich noch nicht nachgedacht wirft den Entscheidungsball an Viola zurück, die rückhaltlos ihre Träume und Vorstellungen offenbaren soll, damit Werner ordnend, wie es sich für den weltmännischen Haushaltsvorstand gehört, eingreifen kann.
Wir wissen noch nicht, ob die beginnende Diskussion darauf hinauslaufen könnte, ob vielleicht ein tolerantes Paar zur aktiven Freizeitgestaltung in getrennten Räumen gesucht wird? Oder mehr das lustvolle Gemenge? Vielleicht besteht Werner auf ein Paar zum sehen, aber mehr soll es nicht sein? Oder man geht gleich ins Volle und es kann ganz unkompliziert und handfester werden? Nicht, oder nur am Rande angesprochen werden die Bi-Ängste der Männer? Ab welchem Berührungsstadium ist es für Werner schon Bi und ab wo fängt schwul für ihn an? Das alles sind Fragen, die noch geklärt werden müssen.
Schatz wir müssen uns aber ganz fest versprechen, dass wir nur das machen, was wir beide wollen, versprichst du mir das? ist Violas beruhigender Beschlusssatz, dem Werner nur noch mit einem aufrichtigen Versprochen und anschließendem Schweigen zustimmen kann.
Aber es ist noch lange nicht alles geklärt, denn jetzt geht es in die Details.
Du sag mal, wie und wo wollen wir eigentlich so ein Paar finden, hast du dir auch schon mal Gedanken gemacht, wann es bei uns geht? Und schon stecken Viola und Werner im Dilemma zwischen spontaner Lust, begrenzter Zeit durch die Kids, biologischer Rhythmen und zunehmende Suchdauer. Lustvolle Gefühle sind spontan, und geplante Gefühle verkommen mit zunehmender Suchdauer zu Nicht-Gefühlen. Aber es hilft alles nichts. Um ein gleich gesinntes Paar zu finden bedarf es einiger Vorbereitung und langfristiger Planung. Werners Organisationstalent ist jetzt gefragt. Da er zugestimmt hat, ist sein qualifizierter Rat: Liebling, hol mal Papier und etwas zum Schreiben. Wir machen am Besten eine Checkliste.
Nach meinen Interviews mit Viola und Werner ist so ein strategisches Vorgehen durchaus zu empfehlen. Denn es müssen Suchinserate in einschlägigen Szene- und sonstigen Magazinen aufgegeben werden. Und in den spezialisierten Internetforen und Portalen sollte ein ansprechend formuliertes Profil mit mehr oder weniger aussagekräftigen Bildern hinterlegt werden. Auch die Zeit, die vermutlich in Internet-Chatrooms verbracht wird, ist nicht zu unterschätzen. Werner sieht eine Menge Fragen auf sich zukommen, denn ab jetzt überlässt Viola dem Mann im Haus das weitere Vorgehen.
Liebling, was machen wir, wenn uns Freunde oder Arbeitskollegen erkennen? Werners Frage ist berechtigt, denn die trotz aller gesellschaftlichen Toleranz ist Vorsicht angesagt, auch wenn Viola das gemeinsame Swingprojekt locker angeht. Man möchte sich ja nicht in Sexmedien als betrachtenswerte Frischfleischvorlage wiederfinden. Werner bekommt als der technisch Versiertere die Aufgabe, aussagekräftige Bilder aus dem intimen Bildarchiv so zu zensieren, dass die wichtigen Stellen, die Gesichter unkenntlich sind, und nur einige gynäkologische Körperteile sichtbar bleiben.
Aber auch Violas nächste Frage hat es in sich: Sag mal, wenn wir ein Paar finden, wo sollen wir uns treffen? Eine Frage die auch sehr genau besprochen werden muss. Denn die organisatorischen Voraussetzungen müssen stimmen. Zum Beispiel, welcher Wochentag geeignet ist, und ob die Oma die Kinder übers Wochenende nimmt.
Auch die Rückzugsmöglichkeiten sollten vorher abgestimmt werden. Falls man sich bei dem Wunschpaar einlädt, bleiben alle Optionen zwischen SM (Smalltalk), Sekt und Flucht (bei fehlender Sympathie) offen. Werner denkt an alles, und seine Frage: Aber was ist mit der Entsorgung, wenn die sich bei uns treffen wollen? Was machen wir, wenn das Treffen bei uns stattfindet und man sich eigentlich nicht viel zu sagen hat? bleibt unbeantwortet.
Meine Empfehlung, zu Tricks zu greifen wird gern aufgenommen. Ich werde beauftragt, im Fall der Fälle, also an dem Tag, an dem die Aktion stattfinden soll, nach genau zwei Stunden anzurufen und einen dringenden Notfall anzukündigen. Mein Vorschlag, ein geplatztes Aquarium oder ähnliches anzugeben wird gern notiert. Aber ich fürchte, dass Viola und Werner darüber später noch einmal diskutieren werden.
Bis zu diesem Stadium befinden sich Viola und Werner noch im Bereich der Theorie, denn Viola und Werner sind noch weit vom ersten FBC (Full-Body-Contact) entfernt. Aber Viola lässt nicht locker, denn sie hat zwangsläufiges Blut geleckt.
Hast du dir schon überlegt, wie das Paar so sein sollte? ist die drängende Frage, die Werners Lethargie überwinden soll. Seine Kreativität ist gefragt, denn am nächsten Wochenende wäre es ganz praktisch, terminlich gesehen.
Werners einfache Antwort: Es sollte zu uns passen, würde es zwar treffen, wäre aber zu ungenau. Man will ja nicht nur zusammen auf die Spielwiese, wo auch immer die sein mag, man hat ja auch gewisse Ansprüche, die sich in einem gehobenen Lebensstil artikulieren.
Viola und Werner sind sich zwar einig, was man sich auf keinen Fall antun will. Dazu gehören zum Beispiel unsägliche Oberlippenbärte und durchgestylte Paare, die wie aus dem Quellekatalog von vorletztem Jahr auftreten. Das Paar sollte weder zu dick, noch zu dünn sein, und natürlich gepflegt und rasiert. Ansonsten sollten die Interessen weitgehend übereinstimmen, und damit sind nicht die kulturellen Interessen gemeint.
Violas nächste, etwas resignierte Frage Schatz, suchen wir eigentlich Sympathie, oder unkomplizierten Sex? zeigt schon die Richtung. Aus der Suche nach einem toleranten Paar wird die banale Suche nach passenden Sexobjekten. Für Viola und Werner ist es zwar klar, das tolerante Wunschpaar sollte sympathisch, nett, unkompliziert und spontan sein. Wer treibt es schon gern mit jemand, der nicht zumindest auf der gleichen Wellenlänge liegt. Und da wird es schon schwierig. Wie kann man so etwas Unbestimmtes wie Sympathie vorurteilsfrei beurteilen, wenn schon bei der Vorauswahl eine Menge Vorbehalte mitspielen. An einem Beispiel möchte ich die Schwierigkeiten der Auswahl und der möglichen Vorbehalte kurz skizzieren.
Nehmen wir einmal, sozusagen ganz theoretisch an, dass ein mittelaltes Paar so zwischen Fünfundzwanzig und Fünfundvierzig mit mehr oder weniger gut versteckten Mängeln ein mitspielendes Paar für das momentan ziemlich triste Liebesleben sucht. Bei einem realistischen Selbstcheck zeigen sich bei Ihm die ersten Abnutzungserscheinungen und der Body müsste auch mal nachgestylt werden. Bei Ihr ist zwar noch alles ganz passabel, aber die Schwerkraft hat sich nach zwei Schwangerschaften eindeutig als die Stärkere erwiesen. Nun will man sich ja nicht unbedingt mit einem Paar zusammentun, das über makellose gestylte Fitnessbodys verfügt. Bei einem ersten Test unter Naturbedingungen, zum Beispiel in der Sauna oder heimischen Liegewiese könnte ja auf beiden Seiten Frust entstehen und vielleicht werden Vergleiche angestellt, die ungünstig ausfallen. Eine ausführliche Prüfung mehrerer Kandidaten ist daher unumgänglich.
Aber es kann ja sein, dass Viola und Werner ein Paar finden, bei dem es mit der bildlichen Sympathie so einigermaßen hinhaut. Vielleicht ist das tolerante Wunschpaar aus Sicherheitsgründen auch nicht ganz aus der Nähe, aber doch nicht so weit weg, das die Anfahrzeit mehrere Stunden in Anspruch nimmt. Das alles sind Fragen, die noch ungeklärt im Raum stehen.
In den nächsten Tagen herrscht bei Viola und Werner eine nervöse Spannung. Die ersten Nachrichten aus einschlägigen Internetportalen sind eingetroffen. Abends, wenn die Kinder im Bett sind wird die Ausbeute gesichtet. Zwar ist die Mehrzahl von Männern, die sich als Hausfreund (was immer das auch bedeuten mag) anbieten. Aber eine Zuschrift fällt nicht durchs große Auswahlsieb. Die Email strotzt nicht vor zu vielen Schreibfehlern. Die angehängten Bilder sind nett. Sie im Bikini vor dem Campingmobil. Sie beim Spazieren gehen im Wald im Kleid und schwarzen Strümpfen. Sie im Wald mit etwas hochgehobenem Kleid und schwarzen Strümpfen. Sie immer noch im Wald ohne Kleid mit schwarzen Strümpfen. Auf dem letzten Bild ist dann er, im Wohnzimmer auf der Couch, denn er musste ja das Schätzchen fotografieren. Jetzt kommt der erste Frust auf, vor dem ich Viola und Werner eindringlich gewarnt habe. Aus unerfindlichen Gründen ist Er immer etwas zu brav. Dagegen ist ihre Figur noch ganz passabel. Aber Viola und Werner wollen ja keine Supermodels.
Aber bei genauerer Betrachtung des Bildhintergrunds mit der eigens dafür angeschafften Lupe, bleibt von den erhofften gemeinsamen Interessen wenig übrig. Zwischen Altdeutscher Schrankwand, gekacheltem Couchtisch und Wassily Chair liegen unüberwindliche Welten, und die Chancen auf eine tiefer gehende Beziehung schwinden. Aber trotz aller Bedenken sind der Steckbrief der körperlichen Vorzüge und die Kurzbeschreibung der bevorzugten Praktiken eine Augenweide und die Aussichten auf mögliche Swingfreunde sind verlockend. Viola hat per Email ebenfalls einige Bilder zugeschickt. Zuerst die Urlaubsbilder, dann einige in eindeutigeren, in etwas gespreizteren Stellungen. Beim anschließenden Telefoncheck fand man sofort den heißen Draht zueinander und das erste Date ist vereinbart. Und schon stellen sich die nächsten Fragen.
Was ist mit der Sicherheitsfrage? Natürlich sind Kondome Pflicht, da sind sich Viola und Werner einig. Aber Viola kann die mit Erdbeergeschmack nicht ausstehen. Sollte man das aussprechen oder lieber runterschlucken. Und was ist, wenn sich bei einem der vier Mitspieler Gefühle entwickeln? Wie wird mit eventuell auftauchenden Eifersuchtsproblemen umgegangen?
Liebling, du musst mir versprechen, dass zwischen uns keine Eifersuchtsgefühle aufkommen, wenn ich mit der Anderen rummachen sollte? Der vorsichtig absichernde Satz von Werner wird natürlich von Viola bestätigt. Die Aussicht auf verbotene Leckereien wischt alle Bedenken weg und Werner ist beruhigt. Aber Viola hat ganz andere Sorgen.
Hast du dir schon Gedanken gemacht, was wir anziehen? Viola hat den Vorteil, dass sie aus einem unerschöpflichen Fundus mehr oder weniger erotischer Dessous wählen kann. Zu den standardisierten schwarzen Halterlosen, die so angenehm die ersten Dellen und blauen Äderchen an den Oberschenkeln verdecken, kommt die übliche Standarduniform, bestehend aus Schuhen oder Stiefeln mit hohen Absätzen, und wahlweise irgend etwas Luftiges.
Und dann kommt Violas leise, aber brisante Frage, die Werners Toleranz und eine Entscheidung erfordert: Soll ich einen Slip anziehen oder nicht? Wenn schon, denn schon, Werner ist für ohne, aber dafür das rote Kleid, das er an Viola so sexy findet. Solche Fragen sind schnell beantwortet, aber die typisch weibliche Kleidungsfrage wird zum männlichen Problem. Was für Schuhe trägt Mann zum Slip? Passen da die Nikes, oder sind die Boots vom letzten Amerikaurlaub noch in? Was bleibt beim Ausziehen an und was wirkt erotisch. Der Dessouskatalog von Beate U. hat zwar unendlich reizvolle Enthüllungen für Frauen, aber die Männer sind eindeutig benachteiligt. Slips mit neckischen Aufschriften, Bommeln oder Elefantenrüsseln sind doch zu peinlich. Fragen über Fragen die vor dem ersten Date noch zu klären sind. Letztendlich muss Viola mal wieder alles in die Hand nehmen und organisieren.
Viola und Werner sind sehr aufgeregt, denn das erste Date ist vereinbart und die Zeit drängt. Nur noch zwei Tage bis zum Wochenende und die Start und Spielfrage ist immer noch nicht ausdiskutiert.
Duuu ist das Eröffnungswort, das Werner signalisiert, dass schwierige Angelegenheiten besprochen werden müssen.
Liebling, was hast du auf dem Herzen? Werner weiß, dass nur mit viel Verständnis für die Nöte seiner Viola, die Dinge besprochen werden, die tatsächlich bewegen.
Du sag mal, also mal angenommen die Beiden sind uns so sympathisch wie sie am Telefon waren, wie soll das dann ablaufen? Nicht das Viola ein verschlossener und spröder Typ wäre. Ganz im Gegenteil. Viola hat keine Probleme mit Körperkontakt und nimmt sogar ihre zwei besten Freundinnen, die sie eigentlich hasst, liebevoll in den Arm und verteilt großzügig die obligatorischen Bussis. Aber mit einem Paar, das man nur von zwei offenen Telefongesprächen und einigen freizügigen Bildern kennt, ist das schon anders. Sollen die Frauen erst mal über die neuesten Küchenrezepte sprechen und nach einem Gläschen Aufwärm-Prosecco schmusend auf dem Sofa die Stimmung anheizen, während die Männer über die letzten Fußballergebnisse und die bevorstehenden Wahlen diskutieren?
An dieser Stelle verlassen wir Viola und Werner. Sie sehen, es sind noch viele Fragen offen. Wie die Geschichte weitergeht, und was Viola und Werner sonst noch so erleben erfahren Sie demnächst.
© Copyright 2006 by Raoul A. Yannik www.raoulyannik.de
So, oder jedenfalls so ähnlich könnte ein Gespräch beginnen, wenn sich eine Beziehung irgendwie festgefahren hat. Leider sind noch viele Hürden zu überwinden.
Du weißt doch, dass ich nur dich liebe ist vermutlich die diplomatischste Antwort, die alle Optionen offen lässt. Aber was sind die Ursachen für so eine Frage?
Der erste, der mutige Schritt in erotisches Neuland beginnt, wenn alle Variationen bis zum Überdruss durchgespielt, und sogar die ausgefallensten Spielzeuge langweilig werden. Die überraschende Frage kommt nicht einfach aus einer Laune heraus. Oft ist ein langer trau-ich-mich-oder-trau-ich-mich-nicht-Prozess vorangegangen.
Wie immer entscheidet dir richtige Antwort über die Fortsetzung. Denn Toleranz kann ein ziemlich unbehagliches Gefühl erzeugen, wenn der andere das tut, was man nicht möchte, aber dem man aus Gründen der freiheitlich-demokratischen Beziehungsordnung zustimmen muss.
Ein fröhliches: Aber klar, ich habe immer Lust um sich dann mit wichtigeren Dingen, zum Beispiel der Sportschau zu beschäftigen, wäre garantiert die falsche Reaktion auf eine Frage, die den sensiblen Bereich der gemeinsamen Sexualität betrifft. Vorsichtige Annäherung und das Ausloten der Wünsche und taktisches Gestalten der Richtung sind angesagt. Denn empfindsame Beziehungs-Profis wissen, dass die moralische Welt zunehmend als unerträglich empfunden wird, wenn die Möglichkeiten der Weiterentwicklung, der sexuellen, zu sehr begrenzt werden. Oder anders ausgedrückt: Beziehungs-Langeweile ist mit dem Phänomen eines sich langsam erhitzenden Dampfkessels vergleichbar. Steigt die Hitze im Innern des Kessels an, entsteht Druck. Bei Überdruck sucht der Dampf einen Weg, um zu entweichen. Frustrationsaggressionen entstehen, die eine undichte Stelle im Ehekessel suchen. Darum ist es immer klüger, rechtzeitig ein funktionierendes Ventil einzubauen, um den Überdruck zu kanalisieren. Ein Weg, um die Problematik des sexuellen Überdrucks zu kanalisieren, kann ein funktionierendes Netzwerk (bitte beachten Sie die Mehrzahl) toleranter Paare sein.
Es hat viele Jahrzehnte gedauert und es war ein weiter Weg vom ehelichen Schweigen zur sexuellen Freiheit, in der alles möglich, und noch schöner, alles erlaubt ist. Früher, so in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts, als Oswald K. (nicht Kinsey, das war ein anderer) noch der Vordenker der sexuellen Nachkriegstrends war, kamen, zuerst hinter vorgehaltener Hand und dann in der Sensationspresse, die ersten Berichte über heimliche Wohnzimmerpartnertauschaktivitäten auf. Aber die Begriffsbestimmung ist unbefriedigend und nicht mehr zeitgemäß. Denn das Prinzip des Partnertauschs trägt die Behinderung durch Regelungen schon in sich. Partnertausch bedeutet, dass zwei Paare, deren Partner in fester Beziehung leben, die Geschlechtspartner für eine bestimmte Zeitspanne austauschen. Nun kann dieses Vorhaben zwar sehr anregend sein, wenn die vielen reizvollen Variationsmöglichkeiten nicht wären. Denn mit zunehmender Erfahrung wachsen auch die Wünsche nach Kombinationsmöglichkeiten. Oder verbalerotisch ausgedrückt: Die Geilheit wächst im gleichen Verhältnis, wie die Hemmungen fallen.
Zum Beispiel könnten nach den ersten, erfolgreich verlaufenden Versuchen, mehrere Paare mitagieren, dann wird Partnertausch zum Gruppensex. Auch der bekannte Flotte Dreier ist eine, in der Kombination Platzhirschmann-mit-zwei-gefügigen-Frauen oft ausdrücklich gewünschte, männliche Kopulationsvariante. Während die weiblichen Wünsche nach einem zweiten oder dritten Mann oft feucht geträumt, aber selten offen artikuliert werden. Dazu kommen die ausgefalleneren Gruppierungen, die zum Beispiel unter den Bezeichnungen Gangbang oder Session auch im deutschen Sprachraum eine zunehmende Anhängergemeinde finden.
Alle Konstellationen, in welcher Besetzung oder Kombination sie auch stattfinden, haben eines gemeinsam, sie sind nicht Orts- oder Zeitgebunden und eigentlich überall möglich, vorausgesetzt die örtlichen Temperaturen (mehr oder weniger belebte Parkplätze, FKK- oder sonstige Seen, diskrete Waldlichtungen und Wiesen), die Räumlichkeiten (Privatwohnungen, Sexkinos oder Clubs), oder die Zeiten (Tag oder Nacht) lassen es zu. Das Ziel aller Aktivitäten ist mehr Lust, und darin liegt die eigentliche Schwierigkeit. Mehr Lust wird nicht durch Tausch erreicht, sondern durch das Ausprobieren aller Varianten der Nutzung. Wer schon einmal die brave Familienkutsche, zum Beispiel den geräumigen Kombi, gegen einen dynamische Leihsportwagen getauscht hat, weil der Alte nicht mehr richtig will und zu oft muckt, kennt die schmerzlichen Empfindungen, wenn die heiße Kiste nach kurzer Nutzung zurückgegeben werden muss.
Fröhliches swingen ist der neue Megatrend, der sich zu einem Volkssport mit allen Auswüchsen entwickelt. Sogar als nettes Geschenk für die Dame des Herzens, wird ein kleines Swingerlebnis als Alternative zu Kochtöpfen und Messer-Sets gern angenommen. Aber die Risiken und Nebenwirkungen sind nicht zu unterschätzen. Denn der nach meiner Meinung etwas angestaubt klingende, weil an die Sixties und Carnaby-Street erinnernde Begriff des Swingers ist eine eher lustige Bezeichnung für eine hoch komplizierte Angelegenheit, die weit in den Bereich des Unmöglichen hinein reicht.
Der Satz: Schatz hast du nicht auch mal Lust auf geiles Durcheinander erzeugt das schwierige Problem: Wie bringt man mindestens vier, vielleicht auch mehr Leute zusammen, die alle verschiedene Wünsche und Vorstellungen haben, wenn schon die klassischen Zweierbeziehungen extrem komplex sind? Mit diesem Dilemma, das immer größere Bevölkerungskreise betrifft, möchte ich mich mit diesem Beitrag auseinander setzen.
Beobachten wir gemeinsam ein verheiratetes Paar im mittleren Alter, nennen wir es der Einfachheit halber Viola und Werner, das eine kaum noch zu bändigende Lust auf fremde Haut verspürt. Beide wollen, und das haben sie sich fest versprochen, ihrem ehelichen Partner nicht untreu werden. Viola sichert sich durch den beruhigenden Satz: Schatz, wir probieren es nur einmal aus. Wenn irgend etwas nicht so ist, wie wir uns das vorstellen, dann lassen wir es ab. Viola und Werner vertrauen sich, und darum wollen sie nicht allein, sondern gemeinsam neue sexuelle Erfahrungen machen. Oder anders ausgedrückt, die Beiden, wobei Viola eindeutig die Aktivere ist, möchten zusammen endlich das erleben, von dem zwar alle Welt spricht, aber das bis jetzt aus den verschiedensten Gründen unerreichbar schien.
Viola und Werner sind sich einig, dass nach reiflicher Überlegung und unter Abwägung aller Alternativen, ein (mehrere sind zu empfehlen) tolerantes Ehepaar mit den gleichen Vorstellungen die ideale Besetzung wäre. Damit dieses Vorhaben nicht schon in der Startphase kläglich scheitert, habe ich, zusammen mit Viola und Werner (herzlichen Dank Viola) den folgenden Dialog für swingendes Vergnügen mitgeschrieben:
Erste Szene: Wohnzimmer mit gedämpfter Beleuchtung. Viola sitzt mit angezogenen Beinen auf dem roten Ledersofa und blättert in einer cosmopolitischen Zeitschrift. Werner sitzt in seinem bequemen Sessel und schaut auf das Fernsehgerät.
Schatz, (kleine Pause und niedergeschlagener Blick) du willst es doch auch? Die vollkommen überraschende Frage von Viola ist die Rückversicherung, dass die Aktion, die zwar schon das eine oder andere Mal angesprochen wurde, gemeinsam gewollt und nicht einseitig verordnet ist. Werner ist etwas irritiert, denn die Sportschau bringt die Höhepunkte der Woche, und er weiß in dem Moment nicht so recht von was Viola spricht.
Sein ohne den Blick vom Bildschirm zu wendende, souveräne Antwort: Aber ja Liebling, wir haben das doch schon besprochen geht in Violas gleichgültig erscheinender Mimik etwas unter. Aber eines ist damit erreicht. Die bis dahin einseitig-hundertprozentige, die moralische Verantwortung ist schon mal halbiert und die knisternde Spannung im Raum steigt. Oder wie Viola mit ihrem frechen Blick sagen würde: Jetzt sind wir beide schmutzig.
Da Viola, wie Sie sicher wissen, die Aktivere ist, lässt sie nicht locker. Denn wenn sie sich mal für etwas engagiert, dann gibt es keine halben Sachen, auch wenn Werner manchmal etwas schwer in die Gänge kommt und in diesem Moment lieber die Sportschau sehen würde.
Schatz sag mal, was machen wir, wenn wir an irgendwelche Psychopathen geraten? Viola denkt vorausschauend, wie es sich für die verantwortungsbewusste Leiterin des Familienunternehmens gehört, und Werner weiß jetzt, dass er Prioritäten setzen muss, denn sein Organisationstalent ist gefragt. Immerhin ist er der Mann im Haus, und er darf, wenn auch nur für kurze Zeit seine Gedanken abschweifen lassen. Ohne auf Violas Frage näher einzugehen, versucht er seine typisch männlichen, egoistischen Machophantasien durchzusetzen, denn die Gelegenheit ist günstig und die Borussen am verlieren.
Liebling sag mal, du träumst doch schon lange davon, mal mit einer Frau? Du hast mir doch mal erzählt, dass du damals, als du noch in der WG gewohnt hast, schon mal mit einer Frau ...? Und rückversichernd: Du hast doch damals immer diesen Anhänger mit der Doppelaxt getragen, weißt du noch?
Natürlich wäre es Werner am liebsten, wenn seine Träume von einem klassischen Dreier mit zwei Frauen in Erfüllung gehen würden. Er hätte keinen Besitzstress mit anderen Männern, und die Frauen könnten sich danach in Ruhe unterhalten. Ob Viola auch von einem Dreier (M+M+Viola) träumt, weiß Werner nicht. Sicherheitshalber hat sie ihm das verschwiegen.
Ich weiß nicht, ob Viola und Werner die Gefahren bedenken, die aus einer Dreierkonstellation (M+W+W oder M+W+M) entstehen können. Aber ich habe Viola und Werner ausdrücklich davor gewarnt. Denn besonders für Swinganfänger sind die Risiken, dass Gefühle ins Lustspiel kommen, oder der/die Singlemitspieler-In zu unkontrollierbaren Aktionen neigt sehr groß. Mein Tipp für Anfänger: Finger weg von Einzelmitspielern, auch wenn die Konstellation noch so verlockend erscheint.
Werners Dreierträume werden durch ein längeres Schweigen kommentarlos begraben. Aber dafür ist man sich einig, dass nur ein passendes Paar in Frage kommt. Nach einem tiefen Schluck aus ihrem Weinglas verspürt Viola das Bedürfnis, Ergebnisse zu produzieren
Schatz, hast du dir schon mal Gedanken gemacht, was wir für ein Paar suchen und für was? Violas zunächst ziemlich einfach erscheinende Frage ist nicht leicht zu beantworten. Natürlich suchen Viola und Werner ein passendes Paar für aktiv-lustvolle Freizeitgestaltung drinnen und draußen oder wo auch immer. Aber jetzt kommen die Detailfragen, und die haben es in sich.
Werners zurückhaltendes: Hm, also darüber habe ich noch nicht nachgedacht wirft den Entscheidungsball an Viola zurück, die rückhaltlos ihre Träume und Vorstellungen offenbaren soll, damit Werner ordnend, wie es sich für den weltmännischen Haushaltsvorstand gehört, eingreifen kann.
Wir wissen noch nicht, ob die beginnende Diskussion darauf hinauslaufen könnte, ob vielleicht ein tolerantes Paar zur aktiven Freizeitgestaltung in getrennten Räumen gesucht wird? Oder mehr das lustvolle Gemenge? Vielleicht besteht Werner auf ein Paar zum sehen, aber mehr soll es nicht sein? Oder man geht gleich ins Volle und es kann ganz unkompliziert und handfester werden? Nicht, oder nur am Rande angesprochen werden die Bi-Ängste der Männer? Ab welchem Berührungsstadium ist es für Werner schon Bi und ab wo fängt schwul für ihn an? Das alles sind Fragen, die noch geklärt werden müssen.
Schatz wir müssen uns aber ganz fest versprechen, dass wir nur das machen, was wir beide wollen, versprichst du mir das? ist Violas beruhigender Beschlusssatz, dem Werner nur noch mit einem aufrichtigen Versprochen und anschließendem Schweigen zustimmen kann.
Aber es ist noch lange nicht alles geklärt, denn jetzt geht es in die Details.
Du sag mal, wie und wo wollen wir eigentlich so ein Paar finden, hast du dir auch schon mal Gedanken gemacht, wann es bei uns geht? Und schon stecken Viola und Werner im Dilemma zwischen spontaner Lust, begrenzter Zeit durch die Kids, biologischer Rhythmen und zunehmende Suchdauer. Lustvolle Gefühle sind spontan, und geplante Gefühle verkommen mit zunehmender Suchdauer zu Nicht-Gefühlen. Aber es hilft alles nichts. Um ein gleich gesinntes Paar zu finden bedarf es einiger Vorbereitung und langfristiger Planung. Werners Organisationstalent ist jetzt gefragt. Da er zugestimmt hat, ist sein qualifizierter Rat: Liebling, hol mal Papier und etwas zum Schreiben. Wir machen am Besten eine Checkliste.
Nach meinen Interviews mit Viola und Werner ist so ein strategisches Vorgehen durchaus zu empfehlen. Denn es müssen Suchinserate in einschlägigen Szene- und sonstigen Magazinen aufgegeben werden. Und in den spezialisierten Internetforen und Portalen sollte ein ansprechend formuliertes Profil mit mehr oder weniger aussagekräftigen Bildern hinterlegt werden. Auch die Zeit, die vermutlich in Internet-Chatrooms verbracht wird, ist nicht zu unterschätzen. Werner sieht eine Menge Fragen auf sich zukommen, denn ab jetzt überlässt Viola dem Mann im Haus das weitere Vorgehen.
Liebling, was machen wir, wenn uns Freunde oder Arbeitskollegen erkennen? Werners Frage ist berechtigt, denn die trotz aller gesellschaftlichen Toleranz ist Vorsicht angesagt, auch wenn Viola das gemeinsame Swingprojekt locker angeht. Man möchte sich ja nicht in Sexmedien als betrachtenswerte Frischfleischvorlage wiederfinden. Werner bekommt als der technisch Versiertere die Aufgabe, aussagekräftige Bilder aus dem intimen Bildarchiv so zu zensieren, dass die wichtigen Stellen, die Gesichter unkenntlich sind, und nur einige gynäkologische Körperteile sichtbar bleiben.
Aber auch Violas nächste Frage hat es in sich: Sag mal, wenn wir ein Paar finden, wo sollen wir uns treffen? Eine Frage die auch sehr genau besprochen werden muss. Denn die organisatorischen Voraussetzungen müssen stimmen. Zum Beispiel, welcher Wochentag geeignet ist, und ob die Oma die Kinder übers Wochenende nimmt.
Auch die Rückzugsmöglichkeiten sollten vorher abgestimmt werden. Falls man sich bei dem Wunschpaar einlädt, bleiben alle Optionen zwischen SM (Smalltalk), Sekt und Flucht (bei fehlender Sympathie) offen. Werner denkt an alles, und seine Frage: Aber was ist mit der Entsorgung, wenn die sich bei uns treffen wollen? Was machen wir, wenn das Treffen bei uns stattfindet und man sich eigentlich nicht viel zu sagen hat? bleibt unbeantwortet.
Meine Empfehlung, zu Tricks zu greifen wird gern aufgenommen. Ich werde beauftragt, im Fall der Fälle, also an dem Tag, an dem die Aktion stattfinden soll, nach genau zwei Stunden anzurufen und einen dringenden Notfall anzukündigen. Mein Vorschlag, ein geplatztes Aquarium oder ähnliches anzugeben wird gern notiert. Aber ich fürchte, dass Viola und Werner darüber später noch einmal diskutieren werden.
Bis zu diesem Stadium befinden sich Viola und Werner noch im Bereich der Theorie, denn Viola und Werner sind noch weit vom ersten FBC (Full-Body-Contact) entfernt. Aber Viola lässt nicht locker, denn sie hat zwangsläufiges Blut geleckt.
Hast du dir schon überlegt, wie das Paar so sein sollte? ist die drängende Frage, die Werners Lethargie überwinden soll. Seine Kreativität ist gefragt, denn am nächsten Wochenende wäre es ganz praktisch, terminlich gesehen.
Werners einfache Antwort: Es sollte zu uns passen, würde es zwar treffen, wäre aber zu ungenau. Man will ja nicht nur zusammen auf die Spielwiese, wo auch immer die sein mag, man hat ja auch gewisse Ansprüche, die sich in einem gehobenen Lebensstil artikulieren.
Viola und Werner sind sich zwar einig, was man sich auf keinen Fall antun will. Dazu gehören zum Beispiel unsägliche Oberlippenbärte und durchgestylte Paare, die wie aus dem Quellekatalog von vorletztem Jahr auftreten. Das Paar sollte weder zu dick, noch zu dünn sein, und natürlich gepflegt und rasiert. Ansonsten sollten die Interessen weitgehend übereinstimmen, und damit sind nicht die kulturellen Interessen gemeint.
Violas nächste, etwas resignierte Frage Schatz, suchen wir eigentlich Sympathie, oder unkomplizierten Sex? zeigt schon die Richtung. Aus der Suche nach einem toleranten Paar wird die banale Suche nach passenden Sexobjekten. Für Viola und Werner ist es zwar klar, das tolerante Wunschpaar sollte sympathisch, nett, unkompliziert und spontan sein. Wer treibt es schon gern mit jemand, der nicht zumindest auf der gleichen Wellenlänge liegt. Und da wird es schon schwierig. Wie kann man so etwas Unbestimmtes wie Sympathie vorurteilsfrei beurteilen, wenn schon bei der Vorauswahl eine Menge Vorbehalte mitspielen. An einem Beispiel möchte ich die Schwierigkeiten der Auswahl und der möglichen Vorbehalte kurz skizzieren.
Nehmen wir einmal, sozusagen ganz theoretisch an, dass ein mittelaltes Paar so zwischen Fünfundzwanzig und Fünfundvierzig mit mehr oder weniger gut versteckten Mängeln ein mitspielendes Paar für das momentan ziemlich triste Liebesleben sucht. Bei einem realistischen Selbstcheck zeigen sich bei Ihm die ersten Abnutzungserscheinungen und der Body müsste auch mal nachgestylt werden. Bei Ihr ist zwar noch alles ganz passabel, aber die Schwerkraft hat sich nach zwei Schwangerschaften eindeutig als die Stärkere erwiesen. Nun will man sich ja nicht unbedingt mit einem Paar zusammentun, das über makellose gestylte Fitnessbodys verfügt. Bei einem ersten Test unter Naturbedingungen, zum Beispiel in der Sauna oder heimischen Liegewiese könnte ja auf beiden Seiten Frust entstehen und vielleicht werden Vergleiche angestellt, die ungünstig ausfallen. Eine ausführliche Prüfung mehrerer Kandidaten ist daher unumgänglich.
Aber es kann ja sein, dass Viola und Werner ein Paar finden, bei dem es mit der bildlichen Sympathie so einigermaßen hinhaut. Vielleicht ist das tolerante Wunschpaar aus Sicherheitsgründen auch nicht ganz aus der Nähe, aber doch nicht so weit weg, das die Anfahrzeit mehrere Stunden in Anspruch nimmt. Das alles sind Fragen, die noch ungeklärt im Raum stehen.
In den nächsten Tagen herrscht bei Viola und Werner eine nervöse Spannung. Die ersten Nachrichten aus einschlägigen Internetportalen sind eingetroffen. Abends, wenn die Kinder im Bett sind wird die Ausbeute gesichtet. Zwar ist die Mehrzahl von Männern, die sich als Hausfreund (was immer das auch bedeuten mag) anbieten. Aber eine Zuschrift fällt nicht durchs große Auswahlsieb. Die Email strotzt nicht vor zu vielen Schreibfehlern. Die angehängten Bilder sind nett. Sie im Bikini vor dem Campingmobil. Sie beim Spazieren gehen im Wald im Kleid und schwarzen Strümpfen. Sie im Wald mit etwas hochgehobenem Kleid und schwarzen Strümpfen. Sie immer noch im Wald ohne Kleid mit schwarzen Strümpfen. Auf dem letzten Bild ist dann er, im Wohnzimmer auf der Couch, denn er musste ja das Schätzchen fotografieren. Jetzt kommt der erste Frust auf, vor dem ich Viola und Werner eindringlich gewarnt habe. Aus unerfindlichen Gründen ist Er immer etwas zu brav. Dagegen ist ihre Figur noch ganz passabel. Aber Viola und Werner wollen ja keine Supermodels.
Aber bei genauerer Betrachtung des Bildhintergrunds mit der eigens dafür angeschafften Lupe, bleibt von den erhofften gemeinsamen Interessen wenig übrig. Zwischen Altdeutscher Schrankwand, gekacheltem Couchtisch und Wassily Chair liegen unüberwindliche Welten, und die Chancen auf eine tiefer gehende Beziehung schwinden. Aber trotz aller Bedenken sind der Steckbrief der körperlichen Vorzüge und die Kurzbeschreibung der bevorzugten Praktiken eine Augenweide und die Aussichten auf mögliche Swingfreunde sind verlockend. Viola hat per Email ebenfalls einige Bilder zugeschickt. Zuerst die Urlaubsbilder, dann einige in eindeutigeren, in etwas gespreizteren Stellungen. Beim anschließenden Telefoncheck fand man sofort den heißen Draht zueinander und das erste Date ist vereinbart. Und schon stellen sich die nächsten Fragen.
Was ist mit der Sicherheitsfrage? Natürlich sind Kondome Pflicht, da sind sich Viola und Werner einig. Aber Viola kann die mit Erdbeergeschmack nicht ausstehen. Sollte man das aussprechen oder lieber runterschlucken. Und was ist, wenn sich bei einem der vier Mitspieler Gefühle entwickeln? Wie wird mit eventuell auftauchenden Eifersuchtsproblemen umgegangen?
Liebling, du musst mir versprechen, dass zwischen uns keine Eifersuchtsgefühle aufkommen, wenn ich mit der Anderen rummachen sollte? Der vorsichtig absichernde Satz von Werner wird natürlich von Viola bestätigt. Die Aussicht auf verbotene Leckereien wischt alle Bedenken weg und Werner ist beruhigt. Aber Viola hat ganz andere Sorgen.
Hast du dir schon Gedanken gemacht, was wir anziehen? Viola hat den Vorteil, dass sie aus einem unerschöpflichen Fundus mehr oder weniger erotischer Dessous wählen kann. Zu den standardisierten schwarzen Halterlosen, die so angenehm die ersten Dellen und blauen Äderchen an den Oberschenkeln verdecken, kommt die übliche Standarduniform, bestehend aus Schuhen oder Stiefeln mit hohen Absätzen, und wahlweise irgend etwas Luftiges.
Und dann kommt Violas leise, aber brisante Frage, die Werners Toleranz und eine Entscheidung erfordert: Soll ich einen Slip anziehen oder nicht? Wenn schon, denn schon, Werner ist für ohne, aber dafür das rote Kleid, das er an Viola so sexy findet. Solche Fragen sind schnell beantwortet, aber die typisch weibliche Kleidungsfrage wird zum männlichen Problem. Was für Schuhe trägt Mann zum Slip? Passen da die Nikes, oder sind die Boots vom letzten Amerikaurlaub noch in? Was bleibt beim Ausziehen an und was wirkt erotisch. Der Dessouskatalog von Beate U. hat zwar unendlich reizvolle Enthüllungen für Frauen, aber die Männer sind eindeutig benachteiligt. Slips mit neckischen Aufschriften, Bommeln oder Elefantenrüsseln sind doch zu peinlich. Fragen über Fragen die vor dem ersten Date noch zu klären sind. Letztendlich muss Viola mal wieder alles in die Hand nehmen und organisieren.
Viola und Werner sind sehr aufgeregt, denn das erste Date ist vereinbart und die Zeit drängt. Nur noch zwei Tage bis zum Wochenende und die Start und Spielfrage ist immer noch nicht ausdiskutiert.
Duuu ist das Eröffnungswort, das Werner signalisiert, dass schwierige Angelegenheiten besprochen werden müssen.
Liebling, was hast du auf dem Herzen? Werner weiß, dass nur mit viel Verständnis für die Nöte seiner Viola, die Dinge besprochen werden, die tatsächlich bewegen.
Du sag mal, also mal angenommen die Beiden sind uns so sympathisch wie sie am Telefon waren, wie soll das dann ablaufen? Nicht das Viola ein verschlossener und spröder Typ wäre. Ganz im Gegenteil. Viola hat keine Probleme mit Körperkontakt und nimmt sogar ihre zwei besten Freundinnen, die sie eigentlich hasst, liebevoll in den Arm und verteilt großzügig die obligatorischen Bussis. Aber mit einem Paar, das man nur von zwei offenen Telefongesprächen und einigen freizügigen Bildern kennt, ist das schon anders. Sollen die Frauen erst mal über die neuesten Küchenrezepte sprechen und nach einem Gläschen Aufwärm-Prosecco schmusend auf dem Sofa die Stimmung anheizen, während die Männer über die letzten Fußballergebnisse und die bevorstehenden Wahlen diskutieren?
An dieser Stelle verlassen wir Viola und Werner. Sie sehen, es sind noch viele Fragen offen. Wie die Geschichte weitergeht, und was Viola und Werner sonst noch so erleben erfahren Sie demnächst.
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