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Wie ich plötzlich lesbisch wurde!

Text: puppenspieler
Nee, es war nicht so, wie bei Pelle und Pascal, dass mich einfach nur, ganz unvorhergesehen und unverhofft, so plötzlich aus dem Nichts heraus, 'ne Frau küssen musste und plötzlich war mir klar:

"Ich bin lesbisch!".

Aber vielleicht ist das bei Lesben ja anders als bei Schwulen.



Wie dem auch sei, ich kann mich noch ganz gut daran erinnern, wie ich in der 3., 4. Klasse mit Steffi, meiner Banknachbarin, in den Pausen wild herumknutschte, aber niemand wäre damals, auch nicht ich selbst auf die Idee gekommen, eine von uns könnte lesbisch sein. Nein, ich war auch sehr an Jungs interessiert.



Als ich zwölf war, fuhr ich ins Ferienlager und kabbelte mich ständig am Strand herum, mit C., der 19- jährigen Gruppenleiterin.

Niemand wunderte sich darüber. Es war wohl objektiv gesehen ein schwesterliches Verhältnis.

Dass ich, als ich sie kurze Zeit später in Berlin, unserer gemeinsamen Heimatstadt, ein Mal wieder sah, völlig nervös wurde und nicht ich selber war, bemerkte niemand. Nicht mal ich selbst bemaß dem damals eine Bedeutung zu.



Mit 15 maß ich beim Küssen mit Jungs ständig nur die Zeit, um zu sehen, ob wir das Nachbarpärchen vielleicht schlagen könnten.

Vom Küssen mit Jungs zu Tode gelangweilt, dämmerte es mir leicht, dass irgendwas vielleicht nicht stimmte. Ich vertraute mich meiner besten Freundin an und es geschah.... lange Zeit nichts.



Ich spürte es irgendwie schon instinktiv, doch ich wollte es nicht sein:

" Lesbisch" klang in meinen Ohren wie ein Schimpfwort und meine Vorstellungen von Lesben liefen ungefähr darauf hinaus: Sehen alle aus wie Männer, verhalten sich auch so, haben alle kurze Haare, tragen alle Holzfällerhemden und haben wohlmöglich einfach nur keinen Mann abgekriegt .

Ja, das waren auch genau die Lesben, die einem auf der Straße als solche auffielen. Nee, dazu wollte ich absolut nicht gehören. Niemals, Igitt!



Also probierte ich's mit Jungs und Männern. Empfand nichts. Außer Langeweile, vielleicht mal dem Gefühl von " Spaß".



Ich war fast 18 als ich im Fernsehen zufällig das erste Mal einen Lesbenporno sah. Frauen, zwar mit kurzem Haar, aber ohne zu männlich oder weiblich zu wirken, sondern einfach nur normal.

Es erregte mich.

Und was tat ich? Ich schaltete erschrocken den Fernseher aus!

Es dämmerte mir langsam und ich bekam Angst. Angst davor, wie es wohl wäre, mal wirklich eine Frau zu küssen, ob es mir überhaupt gefiele, wenn ja, wie weit ich wohl gehen könnte und besonders Angst davor es als nächstes meinen Eltern und all meinen Freunden sagen zu müssen.

Doch ich beschloss, immerhin, wenigstens mal 'ne Frau zu küssen.



Kurze Zeit später, komischerweise, traf ich sie dann: Die Frau, die ein paar Monate später, meine feste Freundin, meine erste große Liebe werden sollte, D.

Es war ein Hin und Her, voller Spannung, stets in dem Unwissen, wie sie mich wohl fände, ob es mehr als Freundschaft war, ob sie es auch wollte, mich zu küssen. Wir trafen uns täglich, tausendmal kurz davor uns zu küssen, tausendmal mit zu viel Angst davor, Angst vor uns selbst, dem was wir sind, vor unseren Eltern, unseren Freunden, unserem Umfeld.



Dann nach 3 Monaten des gegenseitigen Antastens, Belauerns, täglichen Treffens, der erste Kuss: es war ein Feuerwerk der Gefühle; das erste Mal mit richtigen Schmetterlingen im Bauch, das erste Mal erregt, nur so vom Küssen, stundenlang, ohne auch nur einmal auf die Uhr geschaut, an irgendwas gedacht zu haben, nichtmal an die Eltern, ohne Angst vor irgendwas.

Sich einfach nur richtig zu fühlen.



Wenig später der erste Knutschfleck am Hals, entsetzte Eltern, als sie dadurch erfuhren, wer ihre Tochter wirklich war: Eine Lesbe!

Monate des Heulens, des Unverständisses, des großen Vertrauensbruches, der Ablehnung und der Enttäuschung vergingen, Jahre, um damit klar zu kommen.



Nee, es war nicht so, wie bei Pelle und Pascal, dass mich einfach nur, ganz unvorhergesehen und unverhofft, so plötzlich aus dem Nichts heraus, 'ne Frau küssen musste und plötzlich war mir klar:

"Ich bin lesbisch!".

Aber vielleicht ist das bei Lesben ja anders als bei Schwulen.

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