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Rosenthaler Kadarka

Text: DonBoscoe
Die Angst geht um, in der boscoeischen Residenz, vor allen Dingen beim Hausherrn, denn es wird Besuch erwartet. Natürlich ist die damit verbundene Zerstreuung willkommen, nur kann es durchaus sein, dass der bierlaunige DonBoscoe an diesem Abend mit seinem ärgsten alkohlischen Feind zusammentreffen könnte: Dem Rosenthaler Kadarka. Leider fehlt diesem blogdings aus technischen Gründen die Möglichkeit, an dieser Stelle eine kurze, dem in diesem Punkt vorherrschenden feeling angemessene, schockige Sequenz einzuspielen. Egal. Schon allein der Name “Rosenthaler Kadarka” treibt mir die Angst in Mark und Bein. Warum das so ist, soll hier beschrieben werden. Weinkenner klicken bitte schnell weiter.



Um zu verstehen, woher meine absolute Abneigung gegen dieses Gesöff kommt, bedarf es der näheren Beleuchtung zweier Punkte: Was ist das überhaupt für ein Wein und was kann er bewirken.



Der Wein an sich



Es gibt ja Leute, die beschreiben diesen Wein ganz banal, ohne auf seine Gefahren ausdrücklich hinzuweisen: Dieser beliebte bulgarische Rotwein ist mit seinem fruchtigen Geschmack eine Bereicherung aller geselligen Anlässe. Ich möchte gerne denjenigen sehen, der zustimmen kann, dass dieser Wein beliebt und außerdem auch noch eine Bereicherung geselliger Anlässe ist. Meine Geschmackserfahrung sieht eher so aus: Nach dem Öffnen der mit einem Schraubverschluss versehenen Flasche wird der Raum mit einem süßlicher Duft erfüllt , angenehm süß, fast wie Traubensaft. Die Tatsache, dass kein angenehm duftender und für gewisse Vorfreude auf den Genuss sorgender Korken die Flasche verschließt, lässt allerdings schon schlimmeres erahnen, aber man sollte nicht voreingenommen sein. Nach dem Eingießen erkennt auch ein Nichtfachmann, dass es nicht leicht wird, dieses Getränk zu mögen. Der angemehme süßliche Duft erinnert jetzt, da er sich voll entfalten kann, an eine stark überdosierte Duftlampe mit dem letzten Blümchenfrühlingsbeneblungsgeruch von Rossmann. Hartgesottene brechen an dieser Stelle die Verkostung natürlich nicht ab, sondern überzeugen sich von der absoluten Ungenießbarkeit dieses Gesöffs. Der erste Schluck, und auch die härtesten unter den Harten sollten selten über diesen hinaus gehen, ist wie ein süßer Vorschlaghammer. Sämtliche Gesichtsmuskeln krampfen sich ob des Übermaßes an süßen Geschmacksstoffen zusammen, die Zunge wirkt leicht betäubt, ein leichtes bis mittelschweres Schütteln geht durch den Körper. Wer an dieser Stelle noch nicht reflexartig ausspuckt, darf sich beim Herunterschlucken auf eine Fortführung dieses Geschmackserlebnisses einstellen, zuzüglich einer nicht zu verachtenden Magenverkrampfung. Sollte diese erste Geschmacksprobe überlebt werden, empfehle ich, mit einem ordentlichen Schluck Wasser nachzuspülen, da man sonst Gefahr läuft, den doch recht widerlichen Geschmack nicht mehr los zu werden.



Es ist aber nicht nur der unvergleichliche Geschmack, der mir den Angstschweiß auf die Stirn treibt, sondern auch verschiedene Erlebnisse, die ich mit diesem minder edlen Tröpfchen erleben durfte.



Er wirkt



Die Leute, die mich kennen, wissen, dass ich in meinen Flegeljahren ein vor coolness strotzender Typ war. Als solcher durfte man natürlich auf keiner Party fehlen. Eigentlich wurden diese Parties nur veranstaltet, um verschiedene Experimente aus den Bereichen Sex, Drugs and Rock´n Roll in geselliger Runde durchzuführen, wobei Rock´n Roll eher durch andere Musikrichtungen abgelöst wurde. Im Mittelpunkt standen natürlich Grenzerfahrungen mit Alkohol. Üblicherweise hielten sich die männlichen Pubertierenden an Bier und an die Hausbar des einen oder anderen Erziehungsberechtigten, die weiblichen, meist als groupies wahrgenommenen, Besucher dieser Parties waren eher in Weinlaune. In eben solcher wurden kleine Spielchen veranstaltet. Verlierer durften sich an den weniger beliebten Alkoholika gütlich tun, das Zeug musste ja auch mal weg. An einem schlechten Tag und in einem noch schlechteren Spiel, an das ich mich kaum noch erinnern kann, traf es mich. Man kann ja nicht immer ein winner sein, und zu meinem Pech kam hinzu, dass der Rosenthaler Kadarka weg musste. Die Flasche hatte schon einige Parties überlebt, inzwischen verstehe ich, warum das so war. Es kam, wie es kommen musste. Ich durfte nicht nur das bereits beschriebene Geschmackserlebnis über mich ergehen lassen, in einem schlechten Lauf musste ich die gesamte Flasche leeren, zum Glück nicht auf ex, sondern über das gesamte Spiel verteilt. Ein Alptraum, ständig diese süße Plärre in sich hinein schütten zu müssen, zu merken, wie der Magen sich verkrampft, der Blick sich vernebelt, der Kopf anfängt zu brummen, die Welt um einen herum immer langsamer wird. Und plötzlich kippe ich um, samt Stuhl, an mehr kann ich mich leider nicht erinnern. Schlimmer als das Gefühl, ein Verlierer zu sein, war der Kater am nächsten Morgen. Meine Sachen waren völlig verdreckt , mein Schädel brummte und ich das hatte Gefühl, auf riesigen Wattbäuschen durch die Gegend zu schleichen. Höhepunkt des Ekels war aber diese fiese Geschmack im Mund, süß und säuerlich, widerlich, kaum wegzuspülen und ich durfte ihn ein ganzes Wochenende mit mir herumschleppen. Danach beschloss ich, nie wieder Alkohol zu trinken und vor allen Dingen einen weiten Bogen um den Rosenthaler Kadarka zu machen. Letzteres halte ich bis heute durch.



Er ist also gefährlich, dieser Rosenthaler Kadarka, und es gibt noch mehrere Geschichten, die diese Behauptung absolut bestätigen können. Oft von Frauen, die von den Auswirkungen dieser bulgarischen Superwaffe geradezu erschlagen werden, die mir beinahe mein erstes Auto vollgekotzt hätten, wenn ich nicht geistesgegenwärtig und stocknüchtern Türen und Fenster aufgerissen und aufgekurbelt hätte. Aber ich denke, ich habe eindringlich genug auf die Gefahren dieses Gesöffs hingewiesen.

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