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Dildo, Vibrator und andere Haushaltsgeräte

Text: RaoulYannik
Schmutzige Hände in dämmrigem Licht. Man kann sie nur schemenhaft erkennen, die schwitzenden Männer, die im Halbkreis knien. Nur ein kleiner Ausschnitt am Boden wird durch eine starke Lampe strahlend hell ausgeleuchtet. Im Hintergrund, verborgen im Halbdunklen stehen Frauen und Männer und beobachten die unwirkliche Szene. Es herrscht atemlose Stille, nur unterbrochen von einem leisen, angestrengten Keuchen. Es ist drückend heiß und die Spannung steigt ins unerträgliche. Was wird passieren? Wer wird ihn zuerst in der Hand halten? Jetzt ein Aufschrei, der Kreis wird enger, die Zuschauer drängeln sich nach vorn. Wer darf ihn berühren? Vielleicht die Frau mit der Brille und den hochgesteckten Haaren. Die Praktikantin auf keinen Fall, sie ist zu jung. Auch der ältere unrasierte Mann nicht. Wir wissen es nicht wer der Erste war. Aber die Archäologen der Eberhard-Karls-Universität Tübingen haben ihn nach langer Suche in der Höhle „Hohle Fels“ bei Schelklingen auf der Schwäbischen Alb gefunden. Der Fund ist eine wissenschaftliche Sensation. Ein 20 Zentimeter langer, intensiv polierter und gravierter Penis aus Siltstein, einem feinkörnigen Sedimentgestein wurde im Juni 2005 ausgegraben. Mehrere Radiokohlenstoff-Messungen beweisen es eindeutig. Der Steinzeitdildo ist über 28.000 Jahren alt.



Nicht nur der Fund ist beachtlich. Auch Größe und Form des steinzeitlichen Sexspielzeugs zeugen von einem hohen Gebrauchswert. Die gewichtigen Maße, zwischen 2,8 und 3,6 cm im Durchmesser und 19,8 cm in der Länge sprechen für die hohen Ansprüche der verwöhnten Steinzeitfrau. Das es sich eindeutig um eine steinzeitlichen Dildo handeln muss, ist bewiesen. Die extrem lang gestreckte Grundform kommt so in der Natur nicht vor. Auch die künstliche Bearbeitung durch Steinzeitmenschen zeigt, dass der frühe Mensch so dumm nicht war. Feine Schleifspuren und die starke Politur auf der Oberfläche, dazu mehrere sorgfältig eingeschliffene, umlaufende Linien lassen das Objekt eindeutig als Phallus erkennen. Aber der Fund war nicht nur ein steinzeitliches Sexspielzeug. Es war auch ein Universalwerkzeug mit mehreren Haushaltsfunktionen. Spuren an der Oberfläche belegen, dass er auch als Schlagstein und vielleicht sogar als Waffe Verwendung fand.



Dildo und Vibrator haben eine lange, historische Geschichte. Der erste bekannte Vibrator stammt aus den Zeiten von Kleopatra. Da es noch keine Batterien gab, mussten die Bediensteten im alten Ägypten auf Fliegenfang gehen, um den ersten Vibrator funktionsfähig zu machen. Die summende und brummende Schar wurde in zu Tüten gerollten Papyrus gesteckt und verhalf zu klitoralen Freuden.



Auch heutzutage ranken sich noch viele Fragen und Legenden um das Thema. Schamhaft wird geschwiegen, versteckt und einsam genossen. Nach einer Spiegel-Umfrage wissen zwar 66 Prozent aller Deutschen, wofür ein Dildo geschaffen wurde, aber ich habe die Umfrage überprüft und weiter geforscht. Meine repräsentative Befragung von siebzehn Frauen im mittleren Alter ergab, dass sich der Wissenstand in der Bevölkerung auf den uralten Witz vom Vibrator und dem Rasenmäher beschränkt, den ich aus Gründen einer seriösen Berichterstattung hier nicht erzählen möchte. Das bedeutet, dass 33,99 Prozent der Deutschen keine Ahnung von Rasenmähern haben. Aber nicht nur in Deutschland gibt es gravierende Wissenslücken. Wie mir berichtet wurde, schockte Britney Spears in der britischen Sendung „Popworld“, den Moderator Simon Anstell. Auf die Frage, was sie als letztes im Mund gehabt hätte, antwortete Britney: „Ein Dildo“. Nach kurzem Nachdenken, soll Britney in Tränen ausgebrochen sein. Die Szene wurde aus verständlichen Gründen herausgeschnitten. Daraus kann man ableiten, dass die massiven Anwendungsmängel auf fehlende oder unzureichende Bedienungsanleitungen zurückzuführen sind.



Auch meine zunächst einfach erscheinende Passantenbefragung in der Fußgängerzone einer Großstadt in Nordrhein-Westfalen, nach dem Unterschied zwischen Dildo und Vibrator, erbrachte nur Sprach- und Ratlosigkeit. Dabei ist die Antwort einfach: Wenn er von alleine nichts tut und faul rum liegt, muss es ein Dildo sein. Es kann aber auch ein Vibrator ohne Antrieb sein. Vielleicht sind die Batterien alt, schwach und lustlos. Wenn er aber Geräusche von sich gibt, sich bewegt und aktiv ist, dann muss es ein Vibrator sein.



Damit kommen wir zu Fragen, die viele Männer bewegen: Liebt sie mich wegen meiner inneren Werte, oder bin ich nur ein wandelnder Dildo der gebraucht werden soll? Kann man einen Dildo im Haushalt dulden, oder wird das Spielzeug zum ernstzunehmenden Rivalen? Kann der gut, aber nicht zu gut versteckte Dildo zum Scheidungsgrund werden?

Um diese Fragen zu beantworten, müssen wir eine neue Studie von (vorwiegend männlichen) Sexualforschern interpretieren. Danach befriedigen sich 86 Prozent aller Frauen selbst. Die Studie hat auch eindeutig ergeben, dass viele Frauen Sexspielzeuge verwenden. Nicht bekannt ist die genaue Zahl von Sexspielzeuganwenderinnen. Sehr betont wurde in der Studie, dass Frauen eher kleine Dildos und Vibratoren bevorzugen, die sie in der Handtasche überall mit hinnehmen können. Das gibt zu denken, denn der Trend zu kleineren Größen ist ein wichtiges Signal, dass viele Männer aufatmen lässt. Offensichtlich, und das ist wissenschaftlich bewiesen, präferiert die Mehrzahl der Frauen Kleineres.



Gesellschaftliche Veränderungen und ein neues Selbstverständnis berufstätiger Frauen erfordern neue Produkte. Der Trend geht eindeutig zum kleinen Zweitdildo für unterwegs und für den Arbeitsplatz. Diese neue Freiheit führt zu ersten Auswüchsen, denen die Mehrzahl älterer Männer verständnislos gegenüber steht. In der Filiale einer bekannten, deutschen Supermarktkette nahm die Übersexualisierung bereits überhand. Eine Supermarkt-Mitarbeiterin hatte voller Stolz ihren am Vormittag neu erworbenen Vibrator ausgepackt und zur allgemeinen Begutachtung den Kolleginnen und Kollegen gezeigt. Die Vorfreude währte nur kurz. Konservative Vorgesetzte sprachen die fristlose Kündigung aus. Ich konnte bei meinen Recherchen nicht feststellen, ob außer der Mitarbeiterin, auch Gurken und anderes Gemüse aus dem Sortiment verbannt wurden. Meine Anfrage an den Vorstand der Supermarktkette ist bis heute noch unbeantwortet. Ich werde meine Leserinnen und Leser über die neuesten Entwicklungen auf dem Laufenden halten.



Die geschlechtsspezifischen Restriktionen bedürfen einer schnellen Überarbeitung. Männer dürfen nicht öffentlich ihr Geschlechtsteil zeigen. Das ist behördlicherseits verboten. Dagegen dürfen Frauen, zwar immer noch nicht am Arbeitsplatz, aber ungesühnt im Cafe ihren Dildo aus der Tasche ziehen und mit der Freundin über die Funktionsweise diskutieren. Dieser diskriminierende Missstand muss mutig behoben werden. Die Gesellschaft hat ein Recht auf unbeschwerte Freude, frei von restriktiven Moralvorstellungen.



Auch aus den Niederlanden gibt es Neues zu berichten. Die ersten Automaten, die Vibratoren und Dildos anbieten, werden an gut frequentierten Plätzen aufgestellt. Die Bezahlung ist einfach und diskret per Kredit- und Bankkarte. Die Nachfrage ist groß, denn immer mehr selbstbewusste Frauen stehen offen zu ihrem persönlichen Dildo.



Die Trendsetter aus der Mode- und Promiszene bestimmen die Ins und Outs. Von der Familie Beckham ist bekannt, dass sie sich so ziemlich jeden Luxus leisten kann. David Beckham, der Superkicker von Real Madrid, hat seiner Gattin Victoria ein ganz besonderes Luxusgeschenk gemacht - einen Platinvibrator. Angeblich soll das dekorative Stück 1,8 Millionen Dollar wert sein. Es ist damit das teuerste Sexspielzeug der Welt, das mit einfachen Batterien von der Tankstelle betrieben wird. Angeblich erwägt auch Mick Jagger den Ankauf dieses Luxus-Sexspielzeugs, um es einer Freundin zu schenken. So ändern sich die Zeiten. In den Anfangszeiten des Rock, soll Mick Jagger einem vor ihm knienden Groupie einen Schokoriegel rektal … Aber das führt jetzt zu weit und ist Rockgeschichte.



Das Design spielt eine wichtige Rolle in der gesellschaftlichen Akzeptanz. Designer-Skulpturen aus Glas, Keramik oder Edelstahl können auch als Schmuckstück auf dem Wohnzimmertisch repräsentative Aufgaben erfüllen. Der Nachteil solcher Geschenke ist, dass Dildo, Liebe und Vibrator früher oder später nur noch Erinnerungsstücke sind. Es muss etwas Neues her. „Shag Bags“, Aufbewahrungsbehälter für Vibratoren aus echtem Nerzfell, oder für das kleinere Budget aus Kunstfell sind der Hit im diesjährigen Weihnachtsrummel.



Dieses Jahr avanciert der Dildo in saisonal passenden Farben zum Lifestyle Accessoire und gehört in jede Prada-Handtasche. Der hautfarbene Standarddildo bekommt ernstzunehmende Konkurrenz. Zunehmend wird er durch leuchtende Farben, vom zarten Hellgrün, bis zum knalligen Rot bedrängt. Der schwarze Doppeldildo um Abendkleid ist ein immer gerngesehenes Geschenk, das nicht nur die Gefühle, sondern auch die Geschlechtsteile berührt. Wer noch unschlüssig ist, entscheidet sich vielleicht für einen kleinen Delphin im zarten Himmelblau? Auch für konservative Hausfrauenkreise ist mehr Mut zu Farbe und Form, zu mehr Solidarität und Aufklärung gefordert.



Dem Ruf nach mehr solidarischer Entscheidungsfreude sind fünf Bürokolleginnen einer mittelständischen Präzisionsuhrenfabrik aus Böblingen gefolgt. Um die kurz bemessene Mittagspause sinnvoll zu nutzen, wurde die Anschaffung eines Vibrators beschlossen und im örtlichen Sexshop realisiert. Leider hatten mich die fünf Damen vor dem Kauf nicht konsultiert. Die Initiative scheiterte an den technischen Hürden. Die fehlenden Batterien mussten nachträglich im Elektronikfachmarkt nachgefragt werden. Die Frage des dienstbeflissenen Verkäufers nach der Batteriegröße konnte nicht beantwortet werden, da die fünf Damen unfähig waren, das Gerät aus der diskreten Plastiktüte zu nehmen. Aus dem intelligenten Vibrator wurde ein dummer Dildo ohne Batterien.

Es zeigt sich, dass der robustere Dildo im Alltagsgebrauch die bessere Entscheidung ist. Meine besonders bewunderte Ex-Freundin Elke kam sehr ins stottern, als der dreizehnjährige Sohn eine brisante Frage stellte: „Mumm, darf ich die Batterien aus deinem Vibrator nehmen, meine Playstation geht nicht mehr.“ Mit einem Dildo wäre das nicht passiert. Der Sohn hätte sich voraussichtlich mehr um seine vernachlässigten Hausaufgaben gekümmert und müsste sich nicht mit einem ADS (Aufmerksamkeits-Dildo-Syndrom) rumquälen.



Es ist offensichtlich, die Technik überfordert viele Frauen. Darum gebe ich einer Vibratorneuheit aus Großbritannien nur geringe Marktchancen. Die Firma Cool & Groovy Toy Company hat einen neuartigen Vibrator entwickelt. Beim Betrachten einer ankommenden SMS wird das Sexspielzeug in Schwingungen versetzt. Es sind drei Bewegungsmodi enthalten, die von der Buchstabenanordnung in der Kurzmitteilung aktiviert werden. Die Übertragung von Handy zum Vibrator erfolgt per Bluetooth-Funk. Das erinnert mich an meine Ex-Freundin Petra, die mich aus der Umkleidekabine eines Bekleidungshauses in Sindelfingen anrief, damit ich sie zurückrufen kann. Leider war die Vibrationsalarm ihres Handys zu schwach.



Darum möchte ich technisch unbedarfte Damen vor der Anschaffung eines Vibrators ausdrücklich warnen. Im Haushalt ist der rustikalere Dildo dem störanfälligen Vibrator haushoch überlegen. Aber auch als Sportgerät ist der weniger störanfällige Dildo zu bevorzugen. In der linksliberalen TAZ lese ich von einer fleißigen Radlerin, die eine Silikon-Slip-Einlage bevorzugt, deren fest angebrachter Dildo für Füllung und eine Noppenzunge für klitorale Reibung sorgt. (Quelle: TAZ 1997). Die Gefahren der Technik sind groß. Wer einen elektronischen Dildo amerikanischer Bauart in eine Steckdose europäischer Norm zwängt, verursacht er einen Kurzschluss im gesamten Haus.



Wer sich nicht zwischen Dildo und Vibrator entscheiden kann, dem bietet der Haushalt schon seit der Steinzeit eine Vielzahl von gleichwertigen Gegenständen. Meine Ex-Freundin Petra hat mir anschaulich die Funktionsweise einer Sektflasche erklärt, die ich verantwortungsbewussten Anwenderinnen weitergeben möchte. Zuerst das störende Papier am Flaschenhals sorgfältig entfernen. Dann mit der Zungenspitze vorsichtig um den Flaschenhals um das Glas auf scharfe Kanten und Unebenheiten prüfen. Dann ganz nach Geschmack die Sektflasche austrinken, oder die leere Flasche mit etwas lauwarmem Wasser auffüllen. Für den exquisiten Geschmack ist gut gekühlter und spritziger Champagner zu empfehlen. Das kolportierte Gerücht über entstehenden Unterdruck gehört in den Bereich der Märchen.



Zum Schluss möchte ich noch auf die vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten von elektrischen Zahnbürsten, die gern unter der Dusche verwendet werden, und Haarbürsten hinweisen. Diesen Tipp habe ich von Marianne, der ich an dieser Stelle sehr herzlich danken möchte. Aus der Bildzeitung vom 11. Januar 2006, der ich an dieser Stelle sehr herzlich danken möchte, erfuhr ich soeben, dass von anal eingeführte, tiefgefrorenen Forellen abzuraten ist, da sich beim auftauen die Gräten im Darm verhaken können.



Falls Sie liebe Leserin Ihre Erfahrungen berichten möchten, freue ich mich über Ihre bebilderte Zuschrift. Die Antworten werden für eine wissenschaftliche Studie verwendet. Die sensationellsten Entdeckungen auf dem Gebiet der Dildo- und Vibratorforschung werden prämiert.



© Copyright 2006 by Raoul A. Yannik www.raoulyannik.de




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