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Arschmodels

Text: Tippfinger
Ein entblößter Frauenarsch strahlte mir charmant entgegen, als ich kürzlich durch die Stadt schlenderte. Ein gänzlich nackter Hintern. Und das im Winter.

Zwar ist das eis- und arschkalt, aber so fängt man Blicke! Die Blicke der Passanten auf eine Plakatwand. Unter dem durchaus knackigen Hintern stand geschrieben: „Radio 107.7 – den Rock haben wir.“



Als ich von meinem Stadtbummel nach Hause zurückkehrte, lauerte mir ein weiteres Kleinod deutscher Popowerbung auf. Diesmal in meinem Briefkasten: „Noch knackiger“ stand auf einem Hochglanz-Kärtchen geschrieben. Natürlich über einem Hintern. Drehte man die Arschkarte um, so wurde man darüber aufgeklärt, dass knusprige Kartoffelchips beworben wurden.



Ich betrat meine Wohnung und schaltete den Fernseher ein. Es lief Werbung für eine Kuchen-Backmischung. Zu sehen war - wen wundert’s - ein freundlicher Frauenpo. Kommentar: „Russischer Zupfkuchen von Dr. Sowieso – für alle, die Backen mögen.“



Überall prangten mir aufdringliche Frauenärsche entgegen. In Zeitschriften, im Fernsehen, in Katalogen. Knackhintern verfolgten mich. Langsam aber sicher wurde mir klar: Die Zeit der Handmodels ist abgelaufen. Vor einigen Jahren noch mussten die Hände der Models für Ringe und Armbanduhren herhalten. Heute müssen Models ihre sämtlichen Ärsche für sämtliche Dinge hinhalten. Arschmodels braucht das Land! Auf jeden Fallus…äh…Fall!



Deswegen durchforsten sonnenbebrillte Kerle nicht nur New York und Miami Beach, auch deutsche Innenstädte sind den fixierten Argusaugen der fachkundigen Späher ausgeliefert. So genannte Arschmodel-Aufspürer erkennt man daran, dass sie unentwegt weibliche Wesen und deren Hintern auf Tauglichkeit und Knäcke (Substantiv von „knackig“) abscannen. Es gibt ziemlich viele Arschmodel-Aufspürer.



Allerdings steckt die Arschmodelbranche derzeit noch in den Kinderschuhen, eine Tatsache, die das Unverständnis der Gesellschaft gegenüber der Poposzene erklären mag. Fragt man Arschmodels nach ihrem Beruf, so werden allerlei beschönigende Berufsbezeichnungen kundgetan: „Rückseitenfotomodel“, „Angestellte für hintere Angelegenheiten“ oder „Schaustellerin im Bereich rückwärtiger Akt.“



Ich muss allerdings gestehen, dass ich mich mehr und mehr dem Sog des Arschtrends hingebe. Entblößte Hintern üben zweifelsohne eine starke Faszination auf mich aus. Überall werden mir Ärsche entgegengestreckt. Seriöse Superstars wie Eminem oder Ozzy Osbourne gehen mit gutem Beispiel voran. Privatmenschen steigen am Wochenende quietschfidel in Busse und vergnügen sich bei einer Runde hobbymäßigem Arschentblößen. Nackten Arsches und guten Mutes rennen Leute durch Einkaufszentren. Glücklich schreien sie sich von der Seele: „Ich liebe meinen Arsch, so wie er ist.“



Bald wird es keinen Handschlag mehr geben, alle werden sich per Arschschlag begrüßen. Deswegen fordere ich hiermit: Sagt „ja“ zum Arsch! Für all diejenigen, die nicht meiner Meinung sind: Einfach mal die Backen halten!

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