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Das Märchen vom heldenhaften Hofnarren

Text: viajero
Es war einmal ein König, der hatte eine wunderschöne Tochter. Diese Tochter war nicht nur wunderschön, sondern auch sehr stolz und ein wenig hochmütig.



Und da diese Prinzessin nun heranwuchs und in das heiratsfähige Alter kam ward sie so schön, daß sie das Herz eines jeden Mannes brach, der sie zu lange ansah. Und es kamen Prinzen und Ritter von weit her um das Herz der Prinzessin zu erobern. Ihr aber war keiner der Ritter und Prinzen gut genug. Der eine war ihr zu dick, der andere zu dünn, der dritte zu alt und der vierte zu jung, kurzum keiner konnte sie zufrieden stellen.

Nun hatte der König auch einen Hofnarren, ein quirliges kleines Kerlchen, nicht viel größer als die Wolfshunde des Königs mit denen dieser auf Fuchsjagd ging. Der Hofnarr war bekannt für seine Offenheit, er war der einzige, der es wagte dem König die Wahrheit zu sagen. Eines Tages erblickte er im Rosengarten des Schlosses die schöne Prinzessin und verliebte sich sofort in sie. In seiner Offenheit trat er vor die Prinzessin und gestand ihr seine Liebe. Sie aber nahm ihn nicht ernst und lachte nur über das kleine Kerlchen, daß ihr nur bis zum Bauchnabel ging.

Nun begab es sich aber eines Tages, daß sich der Himmel verdunkelte und die Erde erzitterte und ein furchtbarer Gestank hereinbrach über das Königreich. Die Leute brachte die Nachricht von verwüsteten Feldern und überdimensionalen Fußspuren ins Schloß. Und dann sahen sie ihn kommen, den Drachen. Sein Körper war über und über mit feuerroten Schuppen besetzt und sein Atem rauchte. Er tötete das Vieh auf den Feldern und er zertrampelte die Ernte. Er ließ sich vor dem Schloß nieder und forderte die Ritter des Königs zum Kampf oder die Prinzessin zur Frau. Aber die Ritter des Königs waren Feiglinge und sie verkrochen sich in den entlegensten Winkeln der Burg, weil sie Angst hatten. Keiner von ihnen wollte sein Leben im Kampf gegen das fürchterliche Untier riskieren. Da trat der Narr vor, gürtete sich sein Holzschwert um und sagte: „Ich gehe“. Der König lachte nur und sagte: „Bleib hier. Sei kein Narr.“ Aber der Narr antwortete: „Ich bin ein Narr“.

Der Narr stieg auf sein Steckenpferdchen, zog sein Holzschwert und ritt dem Drachen entgegen. Der Drache sah ihn nicht einmal kommen, so klein war er. Der Narr hatte das Herz eines Helden und den Mut eines Löwen und haßte es verlacht zu werden. Er hatte sich immer gewünscht ein Ritter zu sein um das Herz der Prinzessin erobern zu können, nun wollte er wenigstens wie ein Ritter sterben. Er hieb mit aller Kraft auf den Drachen ein, aber die Hiebe seines Holzschwerts prallten an den Schuppen des Drachen ab und sie kitzelten ihn nicht einmal. Dafür aber machten sie den Drache auf den Narren aufmerksam. Aus seinem Maul spie er eine riesige Flamme mit der er den Narren anzündete und in eine lebende Fackel verwandelte.

Als König sah, daß sein getreuer Narr sich geopfert hatte, schämte er sich und befahl seinen Rittern einen Sturmangriff auf den Drachen. Er selbst sprengte mit angelegter Lanze voran. Bogenschützen überhäuften den Drachen mit Pfeilen. Katapulte schleuderten Wurfspieße. Der Tod des Narren hatte sie so beschämt, daß sie ihm in nichts nachstehen wollten. Es entwickelte sich eine furchtbare Schlacht in der so mancher Recke den Tod fand, aber am Ende hauchte das Untier von unzähligen Wurfspießen und Lanzen getroffen seinen Atem aus.

Als die Prinzessin vom heldenmütigen Tod des Narren erfuhr brach ihr stolzes Herz und sie weinte vierzig Tage und vierzig Nächte lang und aus ihren Tränen entsprang ein Fluß, der das Königreich in einen blühenden Garten verwandelte.

Den Narren aber begrub man wie einen König und man häufte einen Hügel auf über seinem Grab und darauf baute man eine Kapelle. Diese Kapelle wurde zur Pilgerstätte und der Narr zum Heilgen für die hoffnungslosen Fälle.

Seit jener Zeit finden sich im Wappen des Königreichs ein Holzschwert und ein Steckenpferd.

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