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Die heiße Schwester

Text: septimo
Es war einer dieser Abende an denen man nichts erwartet und soviel passiert. Entgegen meiner ursprünglichen Absicht,

ging ich mit meiner Mitbewohnerin und ein paar ihrer Freunde aus. Zuerst waren wir in einer für Madrid sehr untypischen Bar, die mich sehr an die in Clockwork Orange erinnerte. Leider fehlten die weißen Frauen, die mit ihren eindeutigen Stellungen die Tische bilden. Auch tranken wir keine Milch, sondern, ganz im Gegenteil ziemlich viel Alkohol und wie das so üblich ist, verwarf ich mit jedem Schluck mehr meine guten Vorsätze für morgen, den Tag an dem meine Freundin eine Woche zu Besuch kommen sollte.



Inzwischen ziemlich angeheitert, war es ein leichtes mich zu überzeugen die Nacht noch nicht zu beenden. Auf dem Weg zum Club unterhielt ich mich mit der Schwester des norwegischen Freunds meiner Mitbewohnerin. Unterhalten ist eigentlich übertrieben, Small Talk trifft es besser.

Man redete über das Wetter in Madrid, Oslo und München, über das Nightlife in Madrid, Oslo und München und über die Menschen in Madrid, Oslo und München. Dabei fiel mir ihr zauberhaftes Lächeln auf, das mir in der dunklen Bar vollkommen verborgen blieb. Auch will ich nicht leugnen, dass mich in meinem durchaus alkoholisierten Zustand ihr kurzer Rock und ihre wohlgeformten Brüste gänzlich kalt ließen. Doch erstens schätzte ich sie auf Anfang, Mitte dreißig und zweitens, was viel schwerer wiegt habe ich eine süße Freundin, die morgen zu Besuch kommt. Mit diesen Gedanken stieg ich die Treppen des Clubs hinab. Inzwischen waren wir nur noch zu fünft, doch das tat der Stimmung keinen Abtrieb. Ganz im Gegenteil, die gitarrenlastige Musik animierte uns die Köpfe wild in der Luft herumzuwirbeln und so zu tanzen als wären wir alleine auf der Welt.



Gegen sechs Uhr morgens machte sich langsam Aufbruchsstimmung breit. Nur ich und die heiße Schwester blieben. So wie mich meine Mitbewohnerin zum Abschied ansah („Du musst wissen, was du tust“), wusste sie was passieren würde. Kaum waren die anderen außer Sichtweite, zerrte mich die Schwester an die Bar. Dort bestellte sie ohne mich zu fragen zwei Gin Tonic und begann mit ihren Fingernägeln meinen Handrücken zu streicheln.



Genau in diesem Moment begann in meinem Kopf der nimmer enden wollende Ohrwurm „soll ich’s wirklich machen, oder lass’ ich’s lieber sein – JEIN“. Sie sah so verdammt scharf aus. Ihre langen blonden Haare, das süße, leicht verdorbene Lächeln, dazu ihr ständiges Blinzeln mit den Augen und der sich sanft unter ihrem weißen Top abzeichnende Busen. Da Norwegerinnen schneller trinken als gewöhnliche Frauen, waren wir schneller auf der Tanzfläche als erwartet. Das war mir aber ganz lieb, denn dort konnte ich der Versuchung ein wenig aus dem Weg gehen.



Doch, so als wollte mir der DJ einen Streich spielen, kamen keine wilden E-Gitarren mehr aus den Lautsprechern, als viel mehr eine Gezähmte. Slash schenkte uns „Don’t you cry tonight“. Der klassische Rauschschmeiß-Schieber.

Ihr Sex-Appeal war unglaublich. Sie kam während des Liedes immer näher, bis sie direkt vor mir stand. Dann drehte sie sich um, legte ihren Kopf auf meine Schultern, ging ein wenig in die Knie und rieb ihren Po leicht an meinem Körper hinab. Das war zuviel! Die unmittelbare Folge dieser Einlage spürte ich weiter unten und sie, das norwegische Luder, tat das bestimmt auch!



„Teufel links, Engel rechts“. Der Engel dachte an seine Freundin, die Treue in Person und sagte: “Das kannst du nicht machen. Deine Freundin liebt dich und außerdem willst du ihr treu sein.“ Der Teufel hingegen dachte an die sich bietende Möglichkeit: „Diese Chance kannst du dir nicht entgehen lassen. Schau sie dir an, das geile Miststück! Du musst deiner Freundin nichts davon sagen, es ist ja nur für eine Nacht“.



Sie drehte sich um, guckte mich mit ihren großen, blauen Augen an, schloss sie und bewegte ihren Lippen auf meinen Mund zu. Ich tat dasselbe. Ich konnte nicht wiederstehen. So knutschten wir bis zum Ende des Liedes auf der Tanzfläche. Am Ende des Liedes, floh ich auf die Toilette. Ich setzte mich und fühlte mich schuldig. Nein, ich konnte meine Freundin nicht betrügen.



Als ich zurückkam, fragte sie mich, ob alles in Ordnung wäre. Ich packte allen meinen Mut zusammen und gestand ihr, dass ich eine Freundin habe. Daraufhin gab sie mir einen Kuss auf die Wange, flüsterte mir „Wie schade“ ins Ohr und ging.



Alleine auf einem Sofa sah ich die heiße Schwester langsam aus dem Club und aus meinem Leben verschwinden und sang vor mich hin:

„Soll ich’s wirklich machen, oder lass’ ich’s lieber sein – JEIN“.

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