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Marlon Brando - Hollywoods letzter erlogener Mann ist tot
Am 3. April dieses Jahres wurde Marlon Brando 80 Jahre alt. Knapp drei Monate später starb er am 1. Juli in einem Krankenhaus in L.A. Er war offensichtlich nicht mehr der, den man einst als besten Schauspieler Hollywoods bezeichnete.
Sucht man im Gegenwartskino nach einer zeitgemäßen Entsprechung für Marlon Brando, trifft man auf Imitate wie Vin Diesel oder den frühen Bruce Willis. Aber diese kommen meistens als Action-Proleten in Streifen daher, die keinesfalls der Intensität von Die Faust im Nacken (USA 1954) entsprechen.
Für alle, die schon aus der Pubertät heraus sind, hat das Hollywood-Cowboy-Machogehabe schon lange an Glaubwürdigkeit und Reiz verloren. Außer in Kampf- und Abendteuerfilmen gibt es höchstens noch nostalgische Gangster, die sich ein Stück des starken Mannes einbehalten durften.
Ansonsten haben die Sexuelle Revolution, die Frauenbewegung und die androgynen 80er Jahre zum Glück ihre Spuren hinterlassen. Postmoderne Helden sind drastische Fortentwicklungen von Brandos ersten zaghaft angebrochenen und ambivalenten Hemmingwayschen Antihelden.
Charaktere und ihr Aussehen haben sich verändert. Glatte Schönlinge wie Brad Pitt und Jude Law werden nicht älter (Falten sind nicht mehr männlich) und Bärte wirken an ihnen wie eine aufgesetzte Attitüde. Sanfte und oft planlose Chaoten und Neurotiker definieren die Bedeutung von Stärke neu. Mut zum Gefühl, Fehler eingestehen und sich entschuldigen.
All das wurde von Schauspielern in den 50er Jahren nur selten verlangt. Schon gar nicht von Marlon Brando, einem echten Römer (nicht nur in Julius Cäsar USA 1953): zielstrebig, laut und irgendwie primitiv mit einer unvergleichlichen physischen Präsenz.
Toughe Troublemaker und Outcasts wurden zu seiner Zeit noch wirklich geglaubt und nachgelebt. Wie ein letztes Aufbäumen gegen die Wirklichkeit der Nachkriegsjahre, wirken die letzten Ausläufer von einer schon zusammenbrechenden Idealvorstellung.
Einem Macho traut man nicht mehr. In Komödien und B-Movies verliert er gegen jeden Filmcharakter, der Selbstreflektion aufweist. Animalische Triebe bringen höchsten noch einen Sexfilm vorwärts.
Bis zu einem gewissen Grad hat der Zuschauer eingesehen, dass er Filmidealen nicht entsprechen kann. Daher muss die Traumfabrik glaubwürdigere Figuren produzieren. Als Film und Gesellschaft selbstreflexiver wurden, waren Rebellen in Lederjacken nicht mehr akzeptabel.
Brandos Originalität:
Blick zurück auf einen jungen Schauspieler, der noch weit entfernt ist von der Schande des Dr. Moreau (USA 1996). Marlon Brando präsentierte das method acting des Actors Studio in Perfektion. Er spielte seine Rollen nicht, sondern lebte sie direkt aus. Das Ziel ist Realismus statt Manierismus.
Ein Marlon Stanley Kowalski kaut ständig Kaugummi und nuschelt, die Kamera für Endstation Sehnsucht (USA 1951) mag laufen oder auch nicht. Die Grenzen zwischen Filmfigur und echtem Menschen verschwimmen immer mehr. Seine Persona ist voller Gegensätzlichkeiten.
Sei es aus Publicity-Gründen oder aus Eitelkeit - seine spezifische Version von Männlichkeit auf der Leinwand oder in Zeitschriften scheint immer authentisch. Er ist jung, wild, hat viele Frauen und ist nie zu zähmen. Erfolg ist garantiert, entgegen jeder Intellektualität. Keine Poesie nur proletarische Prosa.
Doch letztendlich führt gerade die Identifikation mit konstruierten Filmfiguren zur stückweisen Selbstauflösung der eigentlichen Identität.
In letzter Konsequenz scheint Brando im Letzten Tango von Paris (Italien/Frankreich 1972) an der Bürde seines eigenen Lebens zu zerbrechen. Details aus seiner Kindheit verbinden sich mit dem Bild des verletzten, alternden Mannes. Zu oft hat er das Echtsein dargestellt, um noch zu wissen, wie man es wirklich lebt, wenn die Studioscheinwerfer nicht mehr leuchten.
Weder eigene Erwartungen noch die von Außen können am Ende noch erfüllt werden. An diesem Punkt ist auch dieser junge Wilde in der Post-Moderne angekommen - mit ihrer Tendenz zu Ehrlichkeit und Selbstzweifeln.
Brando hört schließlich mit den Diäten und auch mit den gehaltvollen Filmen auf. An das umjubelte Comeback mit der Rolle Des Paten (USA 1972) kann er nicht mehr anschließen.
Was bleibt:
Wäre Marlon Brando jung gestorben (wie James Dean, dessen Todestag sich übrigens nächstes Jahr zum 50. Mal jährt), hätten wir heute ein perfektes Bild von ihm und die Lüge dieses Mannes würde nicht von seiner eigenen gealterten Erscheinung hinterfragt.
Nach seinem Tod werden wohl zahlreiche Nachrufe gedruckt und Sonderprogramme seiner besten Filme ausgestrahlt werden, die sicher schon lange in Vorbereitung waren (man rechnete schließlich schon lange mit seinem Ableben).
Doch letztendlich werden sie wohl alle nur das Phänomen beleuchten, versuchen den Mythos einzufangen und den Zuschauer mit ein paar unschönen Details seines Alters und seiner Familiegeschichte locken.
Zu sagen, wer dieser Mann war, ist sicher unmöglich, eindeutig ist nur, wer er und was er zum Glück nicht war: ideal!
Sucht man im Gegenwartskino nach einer zeitgemäßen Entsprechung für Marlon Brando, trifft man auf Imitate wie Vin Diesel oder den frühen Bruce Willis. Aber diese kommen meistens als Action-Proleten in Streifen daher, die keinesfalls der Intensität von Die Faust im Nacken (USA 1954) entsprechen.
Für alle, die schon aus der Pubertät heraus sind, hat das Hollywood-Cowboy-Machogehabe schon lange an Glaubwürdigkeit und Reiz verloren. Außer in Kampf- und Abendteuerfilmen gibt es höchstens noch nostalgische Gangster, die sich ein Stück des starken Mannes einbehalten durften.
Ansonsten haben die Sexuelle Revolution, die Frauenbewegung und die androgynen 80er Jahre zum Glück ihre Spuren hinterlassen. Postmoderne Helden sind drastische Fortentwicklungen von Brandos ersten zaghaft angebrochenen und ambivalenten Hemmingwayschen Antihelden.
Charaktere und ihr Aussehen haben sich verändert. Glatte Schönlinge wie Brad Pitt und Jude Law werden nicht älter (Falten sind nicht mehr männlich) und Bärte wirken an ihnen wie eine aufgesetzte Attitüde. Sanfte und oft planlose Chaoten und Neurotiker definieren die Bedeutung von Stärke neu. Mut zum Gefühl, Fehler eingestehen und sich entschuldigen.
All das wurde von Schauspielern in den 50er Jahren nur selten verlangt. Schon gar nicht von Marlon Brando, einem echten Römer (nicht nur in Julius Cäsar USA 1953): zielstrebig, laut und irgendwie primitiv mit einer unvergleichlichen physischen Präsenz.
Toughe Troublemaker und Outcasts wurden zu seiner Zeit noch wirklich geglaubt und nachgelebt. Wie ein letztes Aufbäumen gegen die Wirklichkeit der Nachkriegsjahre, wirken die letzten Ausläufer von einer schon zusammenbrechenden Idealvorstellung.
Einem Macho traut man nicht mehr. In Komödien und B-Movies verliert er gegen jeden Filmcharakter, der Selbstreflektion aufweist. Animalische Triebe bringen höchsten noch einen Sexfilm vorwärts.
Bis zu einem gewissen Grad hat der Zuschauer eingesehen, dass er Filmidealen nicht entsprechen kann. Daher muss die Traumfabrik glaubwürdigere Figuren produzieren. Als Film und Gesellschaft selbstreflexiver wurden, waren Rebellen in Lederjacken nicht mehr akzeptabel.
Brandos Originalität:
Blick zurück auf einen jungen Schauspieler, der noch weit entfernt ist von der Schande des Dr. Moreau (USA 1996). Marlon Brando präsentierte das method acting des Actors Studio in Perfektion. Er spielte seine Rollen nicht, sondern lebte sie direkt aus. Das Ziel ist Realismus statt Manierismus.
Ein Marlon Stanley Kowalski kaut ständig Kaugummi und nuschelt, die Kamera für Endstation Sehnsucht (USA 1951) mag laufen oder auch nicht. Die Grenzen zwischen Filmfigur und echtem Menschen verschwimmen immer mehr. Seine Persona ist voller Gegensätzlichkeiten.
Sei es aus Publicity-Gründen oder aus Eitelkeit - seine spezifische Version von Männlichkeit auf der Leinwand oder in Zeitschriften scheint immer authentisch. Er ist jung, wild, hat viele Frauen und ist nie zu zähmen. Erfolg ist garantiert, entgegen jeder Intellektualität. Keine Poesie nur proletarische Prosa.
Doch letztendlich führt gerade die Identifikation mit konstruierten Filmfiguren zur stückweisen Selbstauflösung der eigentlichen Identität.
In letzter Konsequenz scheint Brando im Letzten Tango von Paris (Italien/Frankreich 1972) an der Bürde seines eigenen Lebens zu zerbrechen. Details aus seiner Kindheit verbinden sich mit dem Bild des verletzten, alternden Mannes. Zu oft hat er das Echtsein dargestellt, um noch zu wissen, wie man es wirklich lebt, wenn die Studioscheinwerfer nicht mehr leuchten.
Weder eigene Erwartungen noch die von Außen können am Ende noch erfüllt werden. An diesem Punkt ist auch dieser junge Wilde in der Post-Moderne angekommen - mit ihrer Tendenz zu Ehrlichkeit und Selbstzweifeln.
Brando hört schließlich mit den Diäten und auch mit den gehaltvollen Filmen auf. An das umjubelte Comeback mit der Rolle Des Paten (USA 1972) kann er nicht mehr anschließen.
Was bleibt:
Wäre Marlon Brando jung gestorben (wie James Dean, dessen Todestag sich übrigens nächstes Jahr zum 50. Mal jährt), hätten wir heute ein perfektes Bild von ihm und die Lüge dieses Mannes würde nicht von seiner eigenen gealterten Erscheinung hinterfragt.
Nach seinem Tod werden wohl zahlreiche Nachrufe gedruckt und Sonderprogramme seiner besten Filme ausgestrahlt werden, die sicher schon lange in Vorbereitung waren (man rechnete schließlich schon lange mit seinem Ableben).
Doch letztendlich werden sie wohl alle nur das Phänomen beleuchten, versuchen den Mythos einzufangen und den Zuschauer mit ein paar unschönen Details seines Alters und seiner Familiegeschichte locken.
Zu sagen, wer dieser Mann war, ist sicher unmöglich, eindeutig ist nur, wer er und was er zum Glück nicht war: ideal!