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Zu Besuch bei der Conservative Political Action Conference
Verträumt blickt das Mädchen in die Ferne. Ihr Kopf liegt auf dem Oberschenkel eines jungen Manns, der ihr durchs Haar fährt. Das Paar liegt auf einem Feld und freut sich, weit weg zu sein von der komplizierten Welt. Mit dieser ländlichen Idylle wirbt die Dating-Website „ConservativesOnly.com“ an ihrem Info-Stand auf der Conservative Political Action Conference (CPAC).
Craig Knight aus Texas hat seine konservative eDarling-Variante gegründet, damit seine Kunden nicht Gefahr laufen, sich in einen Obama-Fan zu verlieben und deshalb gar an ihren konservativen Idealen zu zweifeln. Denn Ideale sind wichtig hier. Und Einigkeit. Das merkt man. Die 3000 Teilnehmern der CPAC-Konferenz sind sich zum Beispiel einig, wie die USA aussehen sollen: Der Einfluss der Regierung in Washington gehört möglichst weit zurückgedrängt. Und die Rolle des Einzelnen gestärkt. Damit der Kapitalismus ungestört wirken kann.
Die alljährliche Konferenz richtet sich vor allem an Studenten – die zu Aktivisten werden sollen. Wer wissen will, wo all Amerikas ultrakonservative Abgeordnete, Intellektuelle – und manchmal auch nur Wähler – herkommen, der ist hier richtig.
Konservative Unis finanzieren oft die Reise in die Hauptstadt. Die Jungs kleiden sich bei CPAC schwiegersohnhaft in Anzug und Krawatte, während die Mädchen mit Stöckelschuhen durch die Gänge laufen. Das Programm trägt den ganzen Tag: Es beginnt mit Yoga am Morgen, danach folgen Diskussionen über Sicherheitspolitik oder den Einfluss von Hollywood auf die Gesellschaft („treibt den moralischen Verfall voran“). Abends wird – wohl auch, um dem entgegenzuwirken – der Christen-Film „Young Messiah“ gezeigt.
Jetzt ist es Samstagmittag und während im riesigen Vortragssaal Präsidentschaftskandidat Marco Rubio Gott beschwört, läuft Mary Beth Hughes zwei Stockwerke tiefer an den vielen Infoständen vorbei. Die 20-Jährige bleibt neben einem Pappaufsteller von Ronald Reagan stehen und macht ein Selfie. Die Verehrung für den ehemaligen US-Präsidenten nimmt auf der ganzen Konferenz groteske Züge an: Es gibt das abendliche „Ronald Reagan Dinner“, kostenlose Reagan-als-Cowboy-Poster, Dutzende Biographien und sogar Bilderbücher, die Kinder zu Reagan-Fans machen sollen.
Jedes Jahr findet in Washington die konservative Aktivistenkonferenz CPAC statt. Kayla Cooper arbeitet für die Organisation "Future Female Leaders". Sie sagt: "Wir wollen jungen Frauen zeigen, dass es Spaß macht, sich für Politik zu interessieren."
Die US-Verfassung garantiert jedem Bürger das Recht auf Waffenbesitz - und alle Präsidentschaftskandidaten der Republikaner lehnen strengere Waffengesetze ab. Bei CPAC finden die konservativen Aktivisten die entsprechenden Aufkleber.
Die meisten Besucher der CPAC-Konferenz sind ziemlich jung und kleiden sich wie Jurastudenten im ersten Semester. Catherine Fassett, 18, sagt: "Wir brauchen einen Präsidenten, der wieder aufbaut, was Obama zerstört hat." Pete O'Rourke, 19, findet, dass Donald Trump genau dieser Mann ist.
Besondere Kostüme sind fester Bestandteil der ziemlich eigenen CPAC-Konferenz. William Temple aus Georgia sagt: "Ich verkörpere Patrick Henry, der für die Unabhängigkeit der USA gekämpft hat. Er hat gesagt: 'Gib mir Freiheit oder den Tod.' Darum geht es noch immer."
Obwohl Mary Beth noch nicht geboren war, als der „größte Präsident aller Zeiten“ 1989 das Weiße Haus verließ, hat sie eine klare Meinung über Reagan: „Er hat unser Land zusammengeführt – und das vermissen wir seit sieben Jahren von Obama, der die Gesellschaft spaltet.“
Dass Menschen sich für Sozialismus begeistern, heißt es hier, zeige, "wie schlecht das Bildungssystem geworden ist"
Dann berichtet Mary Beth, dass ihre Eltern ihr in Louisiana früh beigebracht hätten, was es bedeutet, konservativ zu sein. Diese hätten für Reagan in den Achtziger Jahren Wahlkampf gemacht und bisher zweifelt Mary Beth nicht an der Weltsicht ihrer Eltern. Diese bezahlen ihr den Besuch einer konservativen Privatuni in Mississippi, wo ihre Kommilitonen ähnlich denken.
Doch Mary Beth weiß, dass außerhalb dieser konservativen Nischen nur wenige Gleichaltrige von den Republikanern überzeugt sind. „Die meisten in meinem Alter sind große Fans von Bernie Sanders. Dass sie sich für Sozialismus begeistern, finde ich tragisch, und es zeigt, wie schlecht das Bildungssystem geworden ist.“
Mary Beth redet wie die Moderatoren bei Fox News oder im Talkradio: „Viele Millennials glauben, dass man Leuten helfen kann, indem sie staatliche Unterstützung bekommen, aber das ist doch keine dauerhafte Lösung. Es stimmt nicht, dass Konservative gefühlskalt sind. Jemanden einen Job zu geben und ihn aus der Abhängigkeit vom Staat zu befreien, das zeigt echtes Mitgefühl.“
Das wäre also die Selbstwahrnehmung. Doch die Mehrheit der jungen Amerikaner kommt nicht auf Begriffe wie „Mitgefühl“, wenn sie an die Republikaner denken. Die Meinungsforscherin Kristen Soltis Anderson, selbst erst Anfang 30, hat viele Millennials zu ihren Assoziationen befragt: "Die Partei gilt als intolerant, altmodisch und technikfeindlich", sagt sie. Nach der verlorenen Präsidentschaftswahl 2012 wurde in einem internen Bericht (von Medien als Autopsie-Report bezeichnet) gefordert, dass sich die US-Konservativen stärker für Frauen, Latinos und junge Leute öffnen müssten – also für all jene Gruppen, die Donald Trump vor allem nach ihrem Aussehen („Heidi Klum ist keine 10 mehr“) beurteilt beziehungsweise als „Vergewaltiger“ und „Loser“ bezeichnet hat.
Das sind große Probleme, wenn man als Partei mal wieder eine Wahl gewinnen will. Deshalb wird auf den Gängen des riesigen Gaylord National Convention Center, wo die CPAc-Konferenz stattfindet, versucht, junge Konservative zu umwerben. Wie beim Dating-Portal setzt man auch hier gerne auf Werte. Und auf klare Haltungen: Diverse Websites wie „Hypeline“ oder „Independent Journal Review“ vermarkten sich als konservative Alternativen zu Buzzfeed und sind ziemlich erfolgreich damit, virale Inhalte zu produzieren. Thinktanks wie das American Enterprise Institute werben hier um Praktikanten, während Stiftungen Broschüren mit dem Titel „So überzeugst du deine liberalen Professoren“ verteilen. Es übertreibt nicht sehr, wer das hier als Schlachtfeld um die Köpfe empfindet.
Es müssen nicht immer Werte sein: Für Frauen gibt es auch Röcke mit weißen Elefanten drauf
Auch und vor allem um die von Frauen: Die Website „Future Female Leader“ richtet sich gezielt an sie. „Wir wollen mit unseren Blogs und Accessoires zeigen, dass es Spaß macht, sich für Politik zu interessieren“, sagt Kayla Cooper am FFL-Stand. Und weil es ja nicht immer Werte sein müssen, hatte man hier eine andere Ideen dafür: rote Röcke mit weißen Elefanten drauf. Die werden – auch in anderen Farbkombinationen – tatsächlich gerne getragen auf der CPAC. Der Elefant ist schließlich das Wappentier der Republikaner.
Ob Millionen junger Frauen für den Rock allerdings plötzlich ihre Meinung über die Republikaner ändern, erscheint allerdings mindestens zweifelhaft. Denn alle vier verbliebenen Kandidaten – neben Donald Trump ist das Marco Rubio, Ted Cruz und John Kasich – sprechen sich beispielsweise gegen das Recht auf Abtreibung aus (Kasich und Trump lassen Ausnahmen zu). Abgesehen von Trump wollen sie auch die Zuschüsse für Planned Parenthood streichen – eine Organisation, die seit fast einem Jahrhundert Frauen in der Schwangerschafts- und Sexualberatung, bei der Krebsvorsorge und der Familienplanung sowie bei Abtreibungen und der Suche nach Krankenversicherungen für Geringverdiener hilft.
Kayla, die FFL-Mitarbeiterin im Elefanten-Rock, will sich nicht zu einzelnen Kandidaten äußern. Es dauert allerdings höchstens eine halbe Stunde, bis man als Besucher merkt, dass die meisten CPAC-Besucher den radikalsten Kandidaten unterstützen. Die Studentin Mary Beth ist da keine Ausnahme: „Ich bin ein sehr großer Fan von Ted Cruz. Er hat Rückgrat und Prinzipien und knickt vor niemanden ein. Von allen lebenden Politikern kommt er Ronald Reagan am nächsten.“
Zur Erinnerung: Cruz ist der Kandidat, der in Wahlkampf-Videos Schinken mit einem Sturmgewehr brät und in Tarnkleidung mit einem schwulenhassenden Reality-TV-Star auf Entenjagd geht (mehr bei SZ.de). Der Texaner hasst Kompromisse, Obama und dessen Krankenversicherung so sehr, dass er 2013 für einen government shutdown sorgte und den Ruf der USA gefährdete. Dass er von einer Mehrheit im immer jünger und bunter werdenden Amerika gewählt werden könnte, halten Experten für unmöglich – gleiches sagt der gesunde Menschenverstand. Doch im konservativen Parallel-Universum hält sich eine These, die auch Mary Beth kennt: „Wir haben mit John McCain und Mitt Romney zuletzt zwei moderate Republikaner nominiert. Wenn endlich ein true conservative antritt, dann gewinnen wir die Wahl.“
Ähnliches hofft auch Gary Dryer. Er hat bei der Vorwahl in seiner Heimat zwar Marco Rubio gewählt, aber mit Cruz könnte der 19-Jährige auch gut leben. Dryer steht vor dem imposanten Werbestand der National Rifle Association: Die Waffenlobby, die jede minimale Verschärfung der Gesetze bekämpft, ist Hauptsponsor von CPAC und bietet Studentenrabatte an. Die haben Gary überzeugt: „Ich hatte schon länger darüber nachgedacht, der NRA beizutreten. Ich besitze noch keine Waffe, aber ich will mir irgendwann eine kaufen.“
Gary, der an der Rice University in Houston Geschichte studiert, kennt sich nicht nur mit US-Politik sehr gut aus („Donald Trump hat von Außenpolitik keine Ahnung, er redet nur über die Mauer an der Grenze zu Mexiko“), sondern ordnet den Immobilien-Milliardär mit guten Argumenten in einer Reihe mit Italiens Bunga-Bunga-Premier Silvio Berlusconi und der französischen Populistin Marine Le Pen ein.
Doch als es um das Thema Waffenbesitz geht, wird schnell klar, dass auch Gary überzeugt ist, dass Obama am liebsten allen Amerikanern ihre Knarren wegnehmen möchte: „Die politische Linke redet nicht über illegale Pistolen und Gewehre, mit denen Verbrechen verübt werden. Sie will den Waffenbesitzern ein schlechtes Gewissen machen. Viele Leute sorgen sich, dass ihnen das in der Verfassung garantierte Recht auf Waffenbesitz weggenommen wird. Das hat Folgen: In Staaten wie Texas gibt es nun Gesetze, wonach man im Alltag offen Waffen tragen kann.“
In Sachen Waffenbesitz sind die Konservativen kompromisslos. Hier geht es um Grundwerte, um etwas in ihren Augen Uramerikanisches. Deshalb misstrauen gerade Tea-Party-Anhänger wie William Temple aus Georgia Donald Trump bei diesem Thema. Sie fürchten, dass er hier Deals machen und von der Maximalposition abweichen würde. Und Kompromisse und Grundwerte, das will man hier lieber getrennt halten.
"Trump ist egal, ob etwas politisch korrekt ist. Das macht doch einen guten Anführer aus."
Temple trägt gern Kostüme aus dem 18. Jahrhundert, als die ersten Tea-Party-Aktivisten gegen die Briten kämpften. Mit 60 Jahren ist er alles andere als jung, aber er bringt die Vorbehalte vieler CPAC-Besucher auf den Punkt: „Trump ist ein größenwahnsinniger, egoistischer Angeber, der sich wie ein großes Kind verhält. Früher war er ein Demokrat, deswegen vertraue ich ihm nicht, dass er echte Konservative als Richter für den Obersten Gerichtshof nominieren würde.“
Allerdings gibt es auch unter den konservativen Studenten Fans des provokanten Reality-TV-Milliardär-Kandidaten. Pete O'Rourke sagt fast trotzig: Ich werde für Trump stimmen, auch wenn man ja momentan deswegen angefeindet wird. Ich mag ihn und ich glaube, dass er genau der Mann ist, den wir jetzt brauchen.“ Der 19-Jährige stört sich nicht an den Beleidigungen und rassistischen Sprüchen: „Ihm ist egal, ob etwas politisch korrekt ist. Das macht doch einen guten Anführer aus: Er macht keine Kompromisse und versucht alles, um Probleme zu lösen.“ Es scheint oft so, als glaube man hier tatsächlich daran, dass Demokratie – und vor allem das in der so geliebten Verfassung festgeschriebene politische System der USA – ohne Kompromisse möglich sei.
Je länger man mit CPAC-Besuchern spricht (egal ob jung oder alt), wird deutlich: Sie haben jedes Vertrauen in bekannte Politiker verloren – und in alles sonst, was nach Establishment riecht. Ted Cruz ist nur deshalb Trumps ärgster Verfolger, weil er als Senator jahrelang Fundamentalopposition betrieben hat. Und die Verachtung für Obama ist so grenzenlos, dass es eine erschreckende Toleranz gegenüber Trumps oft kalkulierten Provokationen gibt, mit denen er am rechten Rand fischt.
Die 18-jährige Catherine Fassett studiert wie Pete am konservativen Hillsdale College und sie glaubt, dass Donald Trump wirklich ins Weiße Haus einziehen könnte: „Ich glaube schon, dass er gewinnen kann. Viele mögen ihn gerade, weil ihm egal ist, was die Leute denken. Aber mir gefallen einige seiner Kommentare nicht, deswegen kann ich ihn nicht voller Überzeugung unterstützen.“
Sie sei noch unentschlossen, meint Catherine, welchen Republikaner-Kandidaten sie am besten finde. Die Studentin denkt wie wohl alle 3000 CPAC-Besuche: „Trump ist definitiv besser als Hillary Clinton oder Bernie Sanders.“ Und dann folgt wieder so ein Satz, der die ganze Kompromisslosigkeit bündelt: „Wir brauchen jemanden, der die USA wieder auf den richtigen Weg zu führen und all das wieder aufzubauen, was Obama zerstört hat.“