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Netzsperre gegen Downloader - Kommentar zum Hadopi-Beschluss in Frankreich
Um zu verstehen, was in dieser Woche im französischen Parlament beschlossen wurde, sollte man zunächst Denis Olivennes kennen lernen. Der 48-Jährige ist aus zwei Gründen über die französischen Grenzen hinaus bekannt. Zum einen soll der „Medien-Mogul“, so weiß die Gala zu berichten, die Sängerin Carla Bruni zu einer Unterredung mit Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy eingeladen und insofern den Grundstein für deren heutige Beziehung gelegt haben. Offizieller Anlass dieses Treffens damals im Élysée-Palast war die Bekämpfung der so genannten Internetpiraterie. Bei diesem Thema ist Oliviennes’ Bekanntheit noch größer als in Sachen Bruni. Als Olivennes noch Chef der französischen Multimedienkette Fnac war, beauftragte Präsident Sarkozy ihn damit, Wege zu finden, wie man auf die Herausforderungen der Digitalisierung reagieren könne. Was also kann man tun, um der wachsenden Zahl illegaler Downloads und damit einhergehender Urheberrechtsverletzungen Herr zu werden? Medien-Manager Oliviennes fand eine Antwort. Sie lautet: Man braucht strengere Strafen!
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Das Sanktionsmodell, das die so genannte Oliviennes-Kommission erarbeitete, basiert auf einer Regel aus dem Baseball. Dort darf sich ein Spieler drei Fehlschläge erlauben bevor er aus dem Spiel ausscheidet. Einige US-amerikanische Bundesstaaten haben analog dazu die so genannte „Three Strikes“-Statuten eingeführt. Sie besagen: Nach drei schweren Verbrechen werden Straftäter automatisch zu einer lebenslangen Haft ohne Bewährung verurteilt. Denis Oliviennes fand Gefallen an der Idee, Downloader wie schwere Straftäter zu behandeln und übertrug das Modell auf die Digitalisierung: Wer trotz Verwarnung beim Urheberrechtsbruch im Internet erwischt wird - so der Kern von Oliviennes Idee – wird für bis zu einem Jahr aus dem weltweiten Netzwerk ausgeschlossen. Geregelt wird diese Bestrafung von einer Hadopi genannten „Hohen Behörde für die Verbreitung geistigen Eigentums und Rechtsschutz im Internet“, die ohne einen richterlichen Beschluss Hinweisen der Industrie nachgehen soll. Wenn sich der Verdacht bestätigt, verwarnt die Behörde mit zwei E-Mails, dann mit einem Brief per Einschreiben. Reagiert der Nutzer darauf nicht, wird ihm vom Provider der Zugang zum Netz gekappt – für eine Dauer von zwei Monaten bis zu einem Jahr. Die Nutzungsgebühren für seinen Internetanschluss muss er trotzdem weiter zahlen. Internetsperren als Sanktionen für Urheberrechtsverstöße - diese Idee lehnte das EU-Parlament erst kürzlich ab. Denn der Zugang zum Internet, so die Parlamentarier, zähle zu den Grundrechten, die nicht beschnitten werden dürfen. Nach einer ersten Abstimmungsniederlage erreichte das Oliviennnes Modell in dieser Woche in der französischen Nationalversammlung trotzdem eine Mehrheit. Kritiker des Gesetzes glauben deshalb, dass es nicht wie geplant im Herbst in Kraft treten kann. Zudem bieten sie bereits Programme an, mit deren Hilfe man seine Identität im Netz – die so genannte IP-Adresse – verschleiern und so eine Verfolgung unmöglich machen kann. Vertreter der Musik- und Filmindustrie loben die Entscheidung des französischen Parlaments dennoch. So stellte Dieter Gorny, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes Musikindustrie, heraus, die französische Regierung mache vor, „wie man mit dem Problem der massenhaften Urheberrechtsverletzung im Internet effizient umgehen kann.“ Gorny machte keinen Hehl daraus, dass er sich derartige Eingriffe auch in Deutschland wünsche. Damit begleitet Gorny einen Strategiewechsel der amerikanischen Musikindustrie, die Ende 2008 ankündigte, das französische Warnmodell ebenfalls einführen zu wollen. Das Ziel dabei: Den langwierigen Weg über Gerichte abkürzen und die Provider, die den Internetzugang zur Verfügung stellen, zu Helfern der Rechteinhaber machen. Ob dieser Weg erfolgreicher sein wird als die bisherigen Versuche der Sanktionierung und Verfolgung, darf indes bezweifelt werden. Zum einen gibt es an diesem Modell erhebliche grundrechliche Zweifel, wie sie zum Beispiel der Blogger Markus Beckedahl im Gespräch mit jetzt.de äußerte. Zum zweiten wird diese neuerliche Verfolgung der potenziellen Kunden nicht dazu führen, dass diese mehr Produkte der Film- oder Musikindustrie kaufen werden. Das Kopieren verbieten zu wollen, ist ein aussichtloser Kampf. Denn die Kopie ist das unumkehrbare Grundprinzip der Digitalisierung. Will man die Schäden, die diese Form der verlustfreien Verbreitung mit sich bringt, eindämmen, muss man die Kopie akzeptieren. Man wird diese Entwicklung nicht stoppen können – auch nicht per Netzsperre. Deshalb schlagen französische Verbraucherschützer jetzt vor, das digitale Kopieren nicht zu kriminalisieren, sondern im Gegenteil allen zugänglich zu machen: „Wir müssen ein System einrichten“, zitiert der Deutschlandfunk den Verbraucherschützer Edouard Barreiro, „das die Künstler für jede Online-Kopie entlohnt - dadurch kann man alle Probleme lösen und man würde die Internetnutzer mit den Künstlern versöhnen." Das Modell, das Barreiro anspricht, wird auch in Deutschland schon länger unter dem Begriff der Kulturflatrate diskutiert. Dabei soll für die Nutzung von z.B. Tauschbörsen eine pauschale Abgabe erhoben werden. Einer der bekanntesten Verfechter dieser Idee ist Volker Grassmuck, der in einem Interview unlängst erklärte, wie eine Kulturflatrate funktionieren könnte: „Zusätzlich zu den Internetzugangsgebühren überweist man einen bestimmten Betrag – man könnte etwa an fünf Euro denken –, den die Provider an die Verwertungsgesellschaften weitergeben. Die schütten die Einnahmen an die Urheber aus. Jeder würde das Gleiche bezahlen, aber die Urheber würden nach der Zahl der Downloads entlohnt, die man, anders als bei Kopiermedien, technisch erfassen kann.“ Dieser Vorschlag wirkt in einer Woche, in der das digitale Kopieren abermals als kriminelles Vergehen bezeichnet wurde, vielleicht unrealistisch, er ist aber bereits Realität: Wer CD-Rohlinge oder Leer-Kassetten kauft, entrichtet damit eine so genannte Leermedienabgabe, die nach dem gleichen Prinzip verteilt wird. Es wäre also nur angemessen, ein solches Modell auf die Gegenwart des Internet zu übertragen. Dass in Paris stattdessen eine Netzsperre beschlossen wurde, die klingt als stamme sie aus dem Werkzeugkasten eines diktatorischen Staates, ist keine gute Nachricht – auch wenn sich Denis Oliviennes in dieser Woche vermutlich gefreut haben wird.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
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