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"Lessig ist lässig" - Lawrence Lessig im Gespräch
Prof. Lessig, Sie und Ihr Kampf für eine freie Kultur im Internetzeitalter, sind bei vielen jüngeren Leuten so beliebt, dass die Wiener Kunst-Aktivisten von monchrom schon den Song "Lessig ist lässig" über Sie geschrieben haben. Wußten Sie davon? Ich habe davon gehört. Wenn ich nun sagen würde, Sie sind so was wie ein Popstar der Free Cultur Bewegung, würden Sie mir zustimmen? Nein. (lacht) Popstars verdienen im Gegensatz zu mir sehr, sehr viel Geld und nehmen Drogen.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Popstar ohne Geld und Drogen: Lawrence Lessig, Foto: AP Seit Jahren kämpfen Sie für Creative Commons als Alternative zu einem erdrückenden Urheberrecht, für Freie Kultur und Remixing, das Thema Ihres nächsten Buches, kurz: Für das gute Potenzial des Internet. Damit stoßen Sie auf viel Zustimmung bei den "Digital Natives", also der Generation, die mit digitalen Technologien aufgewachsen ist. Aber die ältere Generation, die zur Zeit noch die Gesetzt macht und an den entscheidenden Stellen in der Medienindustrie sitzt, scheint sich wesentlich schwerer damit zu tun, zu verstehen, worum es Ihnen geht. Erleben wir gerade den nächsten, großen Generationenkonflikt? Ja, es sieht so aus. Aber ich glaube, das Problem ist noch viel größer. Die ältere Generation versteht nicht nur die digitale Technologie nicht. Die ältere Generation versteht auch nicht das Bedürfnis der jungen Leute kreativ zu sein. Die ältere Generation ist die "Couch-Potato-Generation". Sie ist damit aufgewachsen, ins Kino zu gehen, eine gekaufte CD anzuhören, den Fernseher anzuschalten. Sie wuchs mit einer Kultur auf, die man konsumierte. Wenn diese Leute nun ihre Kinder angucken, dann denken viele erst einmal, dass das, was ihre Kinder da machen, als "Piraterie" bezeichnet wird: Sie klauen scheinbar die Werke anderer Menschen. Das macht auf den ersten Blick alles ganz einfach, denn natürlich soll man nichts stehlen. Aber die Eltern verkennen dabei, dass das, was die meisten Kinder machen, kreativ ist. Eine Studie in den USA hat herausgefunden, dass 57% der Teenager Inhalte selbst produzieren und im Internet teilen. Von den über 45jährigen wird das nur ein Bruchteil machen. Digitale Technologie hat also eine Generation hervorgebracht, die nicht gegen das Gesetz verstoßen will, sondern die kreativ sein will. Und die Frage ist: Sollte das Gesetz die Kreativität dieser Generation einschränken, so wie bisher? Dabei geht es um geistiges Eigentum: Es gibt Anhänger der Free-Cultur-Bewegung, die sagen, das widerspricht dem Wesen einer Idee. Eine Idee könne man gar nicht besitzen. Ergibt das Konstrukt "geistiges Eigentum" also überhaupt Sinn? Selbstverständlich. Urheberrecht ist Eigentum. Eigentum aus Sicht eines Anwalts ist ein exklusives Recht, das ihnen vom Staat garantiert wird. Und auch das Urheberrecht ist eine Ansammlung exklusiver Rechte. Es ist ihnen überlassen, diese Rechte an jemanden zu übertragen oder nicht. Ich habe überhaupt kein Problem damit, Ideen als "Eigentum" anzusehen. Aber wir müssen etwas Entscheidendes erkennen: Eigentumssysteme sollten so strukturiert sein, dass sie dem Wohle der Gesellschaft als Ganzes dienen. Es gibt also für das Eigentum Grenzen, die durch den Nutzen für die Allgemeinheit gesetzt werden. Das gilt insbesondere für das "geistige Eigentum": Wenn ich ein Gedicht schreibe und wenn Sie dieses Gedicht auswendig lernen und ihrem besten Freund aufsagen, dann besitze ich das Gedicht immer noch, mir wurde nichts weggenommen. Ein Ökonom würde sagen: Geistiges Eigentum ist "nicht-ausschließend". Ihre Nutzung schließt nicht meine Nutzung aus. Materielles Eigentum hingegen ist ausschließend. Wenn Sie mein Auto benutzen, beeinträchtigt das mich. Dieser fundamentale Unterschied erklärt, warum wir sehr unterschiedliche Regelungen für geistiges und materielles Eigentum haben. Was im digitalen Zeitaler passiert ist: Dieses Urheberrecht, das früher die Anliegen von ein paar Geschäftsleuten, also von kommerziellen Akteuren wie Verlegern, Musikern und Schriftstellern regulierte, gilt nun für jeden, der einen Computer besitzt. Vor dem digitalen Zeitalter war es sehr schwierig, mit dem Urheberrecht in Konflikt zu geraten. Niemand war der Ansicht, dass das Urheberrecht beeinträchtigt wird, wenn man sich hingesetzt und handschriftlich ein Gedicht aus einem Buch abgeschrieben hat. Im digitalen Zeitalter mit seinen neuen Technologien produziert aber jede einzelne Nutzung von Kulturgütern eine Kopie. Man kann sich auf einem Bildschirm kein Buch angucken, ohne eine Kopie zu produzieren. Der ganz alltägliche Gebrauch berührt also permanent diese komplexen Rechtsvorschriften. Und das ist ein sehr guter Anhaltspunkt dafür, dass wir die Rechtsvorschriften reformieren müssen. Sie ergeben einfach keinen Sinn mehr. Seit Jahren halten Sie auf der ganzen Welt zu genau diesen Problemen des Urheberrechts Vorträge. Woher nehmen Sie die Kraft so leidenschaftlich für die Zukunft des Internet zu kämpfen? Was mich antreibt ist das Gefühl, dass wir die Seele einer ganzen Generation den Proftiinteressen der Plattenindustrie opfern. Die Urheberrechtsgesetze sollten Künstlern helfen, und ich glaube, das ginge auch ohne das jetzige System. Niemand denkt darüber nach, dass das System in seiner momentane Form nicht nur den Künstlern schadet, sondern auch der Kultur und unseren Kindern. Was bisher meiner Ansicht nach in der Debatte viel zu sehr vernachläßigt wurde: Wegen unseres extrem schlecht konstruierten Urheberrechts, sind unsere Kinder heute im Prinzip Kriminelle. Sie gehen durch das Leben und nutzen die digitalen Technologien auf eine Weise, die ihnen völlig normal vorkommt. Doch nach geltendem Gesetz ist das illegal. Und wir sagen ihnen immer öfter, dass sie kriminell sind. Es gibt zum Beispiel in Deutschland einen Fall: Ein Kind hatte auf seinem Webblog ein Fan-Foto veröffentlicht, das es irgendwo im Netz gefunden hatte. Kein kommerzielles Umfeld, nur dieses kleine Foto auf dem Webblog eines Kindes. Dieses Kind mußte Tausende von Euro dafür zahlen. Das ist lächerlich. Jeder normale Mensch würde sagen, dass das lächerlich ist. Aber das Gesetz sagt: „Du hast das Urheberrecht verletzt, in dem du das Foto entgegen dem Willen des Urhebers veröffentlicht hast.“ Wenn man eine Generation heranzieht, die von sich selbst denkt, dass ihr Verhalten illegal ist, dann ist das extrem zersetzend für die Normen einer demokratischen Gesellschaft. Sie denken, sie verstoßen gegen das Gesetz, aber sie haben deswegen kein schlechts Gewissen sondern sie denken, das Gesetz ist idiotisch. Und sie werden in vielen Bereichen ihres Lebens weiterhin denken: Dieses Gesetz ist lächerlich, ich werde es einfach nicht befolgen. Deshalb sage ich: Wir müssen dringend das Urheberrecht reformieren, damit normal Leute nicht länger als Kriminelle durch das Leben gehen müssen. Und wir sollten uns dabei keine Sorgen um die Profite bestimmter Industriezweige oder reicher Künstler machen, die noch reicher werden wollen. Das ausführliche Gespräch mit Lawrence Lessig kann man am Freitag um 20.30 Uhr auf Bayern2Radio oder hier im Stream anhören.