Erklär’ das kurz.
Es gibt drei Bereiche, mit denen man im Musikgeschäft Geld verdienen kann: Klassisch als Label mit verkauften Platten. Dann als Musikverlag, der Rechte besitzt und verdient, wenn zum Beispiel ein Lied im Radio gespielt wird. Und drittens als Booking-Agentur, die Konzerte für Bands vermittelt und Prozente von der Gage kriegt. Die letzten beiden sind recht risikoarm, als Booker musst du mehr oder weniger nur am Telefon sitzen und Konzerte klarmachen.
Die Leute kaufen weniger Platten, gehen aber trotzdem noch zu Konzerten?
Sie kaufen fast gar keine Platten mehr, der Großteil unserer Bands pendelt zwischen 300 und 3000 verkauften Platten. Aber die Konzerte sind voll. Wir wissen genau, wie wenige Platten in einer Stadt verkauft wurden und dann stehen da viermal so viele Menschen und singen jedes Lied mit, woher können sie das?
Von gebrannten CDs?
Ja. Ich habe früher auch LPs auf Kassetten kopiert, aber das war ein gewisser Aufwand und bei weitem nicht so einfach wie auf Knopfdruck zehn Kopien von einer Platte zu machen. Ein Konzert ist als Event aber eben nicht kopierbar. Das Problem von Musik ist heute einfach, dass sie im Gegensatz zu Turnschuhen digital reproduzierbar ist.
Bei einem Indie-Label denkt man doch, die Leute würden Wert auf eine richtige Platte mit Cover und Booklet legen.
Wir bekommen schon Zuspruch, die Leute kaufen die Platten in unserem Online-Store und schreiben, dass sie nicht den Media-Markt unterstützen möchten.Den großen Plattenfirmen brechen die Verkäufe ja noch schlimmer ein als uns, so eine Compilation wie Bravo-Hits verkauft heute sicherlich nur noch einen Bruchteil vonfrüher.
Tapete hat viele kleine deutsche Bands unter Vertrag, wie rechnet sich das?
Jede Band wird bei uns sehr realistisch kalkuliert, es gibt keine Versprechen, die nicht gehalten werden können, keine Riesendeals. Die Bands bekommen einen Vorschuss, um die Platte zu produzieren. Dann pressen wir eine realistische Auflage, sagen wir mal 2000 Platten. Davon werden manchmal nur 300 verkauft und wir sitzen auf dem Rest. Wir verlieren bei den meisten Veröffentlichungen Geld. Konzept war aber immer: Platten machen, die wir selber gerne hätten.
Was kostet euch eine CD?
Ein Euro pro Fertigung der CD mit Booklet, dann muss für jede gepresste Platte noch ein Euro an die GEMA bezahlt werden, dann noch Künstlerlizenzen, Vertriebskosten und Handelsmarge und unser Team im Label arbeitet einen Monat lang dafür. Porto ist auch ein großer Posten, über 20.000 Euro im Jahr – aber wir müssen ja Radios und DJ's bemustern um die Chance zu haben, einem Publikum bekannt zu werden. Man kann sich also ausrechnen, dass es ein risikoreiches Geschäft ist. Wenn es schlecht läuft, verlieren wir 5000 Euro pro Album.
Eine der Bands die ihr aufgebaut habt ist Anajo, die mit ihrem neuen Album sogar in den Charts war - was bedeutet das?
Fast nichts mehr. Man muss sich vorstellen, in die Single-Charts kann man mit unter 200 verkaufter Stückzahl pro Woche einsteigen. Mit 5000 verkauften Platten ist laut GFK schon Platz 10 der Albumcharts drin. Anajo waren Platz 51, die Verkäufe der ersten Woche waren ein wenig enttäuschend, wenn man bedenkt wie präsent die waren, wie gut das Album ist und wie wir vom Vorgänger verkauft haben.
Hat das Prinzip „Platte“ ausgedient?
Mein Partner Dirk Darmstaedter hat mal prophezeit, dass es bald dahin kommen wird, dass eine CD-Veröffentlichung nur noch wie eine Setcard für einen Schauspieler ist. Eine Berechtigung zum Touren. Mit dem reinen Tonträgergeschäft können heute weder die Firmen noch die Künstler ein Auskommen haben. Würden die Lieder nur in digitaler Form vorliegen, sparte das Label enorm an Produktionskosten.
Grand Hotel auf Sparflamme, Lado nahezu fertig, wie geht's bei Tapete weiter?
Weiterhin mit zwölf Platten im Jahr, aber nach fünf Jahren Selbstausbeutung schwinden Kraft und finanzielle Reserven. Immerhin: wir konnten unsere beiden Auszubildenden anstellen. Irgendwie geht’s, schlimmer ist die Frustration.
Worüber?
Dass alles nicht zählt, wir nicht vorkommen. Jeder drittklassige Buchautor wird heute in eine Talkshow eingeladen, die Filmkultur wird jedes Jahr mit Millionen subventioniert. Um die Popmusikkultur kümmert sich eigentlich niemand. Eine Stadt wie Hamburg hat in einer Marketingforschung herausgefunden, dass junge Menschen bundesweit vor allem an Musik denken, wenn sie Hamburg hören. Wir sind ein Imagegewinn, deswegen habe ich vorgeschlagen, dass die Stadt dafür unsere Portokosten übernimmt. Wurde abgelehnt.