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So einfach kannst du Gemüse auf dem Balkon anpflanzen

So schön grün! Melanie Öhlenbach weiß, wie man das hinbekommt.
Foto: Jens Lehmkühler

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Melanie Öhlenbach, 40, bloggt seit sieben Jahren auf Kistengrün über ihre Urban-Gardening-Leidenschaft und hat mit „Mein Stadtbalkon“ auch ein Buch darüber geschrieben. Im Interview erzählt die Bremerin, worauf man beim Balkongärtnern achten muss.

jetzt: Melanie, wie bist du zum Gärtnern gekommen?

Melanie Öhlenbach: Ich bin auf dem Land großgeworden. Meine Eltern waren die klassischen Selbstversorger mit Streuobstgarten, aber damals war das für mich noch nicht so ein Lebensgefühl wie heute. Mein Einstieg war der, dass ich viel über die Prinzessinnengärten und ähnliche Projekte in Berlin gelesen hatte, also diese klassischen Urban-Gardening-Geschichten. Ich dachte: Cool, man kann also auch in einer Kiste Gemüse ziehen. Als ich eine Wohnung mit Balkon gefunden habe, ging’s los.

Wie lange machst du das jetzt schon?

Meine ersten Tomaten und Kartoffeln hatte ich 2013. Ich habe damals einfach mal eine gekeimte Kartoffel in die Erde gestopft und geschaut, was passiert – nach ein paar Monaten hatte ich tatsächlich ganz viele kleine Kartoffeln, das war irre. Parallel hatte ich mir Tomatensaatgut bestellt: eine Wildtomatensorte namens Golden Currant. Die ist gelb und etwas anders als das, was man aus dem Supermarkt kennt.

„Man kann immer mal schnell rausgehen und sich in seinen ,Garten‘ setzen“

Aber warum gärtnerst du ausgerechnet auf dem Balkon?

Der Vorteil ist, dass man immer mal schnell rausgehen und sich in seinen „Garten“ setzen kann. Gerade, wenn man mal genervt ist, kann man kurz ein bisschen Unkraut zupfen oder am Lavendel schnuppern. Ich muss nicht erst mit dem Fahrrad durch die halbe Stadt fahren, um in einen Schrebergarten zu gelangen.

Ein Garten käme für dich also nicht in Frage?

Ich sag mal so: Mein Balkon hat sechs Quadratmeter und ein bisschen mehr Platz wäre schon schön. Aber meine Eltern hatten zwei Gärten, sodass ich weiß, wie viel Arbeit das ist. 

Wie viele Pflanzen und Sorten hast du bei dir auf dem Balkon?

Ich habe meist 30 bis 40 verschiedene Sorten, davon allein fünf oder sechs Tomatensorten. Blumen hatte ich anfangs gar nicht, mittlerweile habe ich etwa 30 Prozent Blumen, der Rest sind Gemüse und Kräuter.

Wie viel Platz hast du selbst noch auf dem Balkon?

Im Moment noch recht viel, aber das ändert sich im Verlauf des Sommers, wenn die Pflanzen gewachsen sind. Jedes Mal denke ich: So schlimm wird’s schon nicht werden, aber wenn dann erstmal die Tomaten hochgehen … (lacht) Aber ich achte immer darauf, dass zumindest noch zwei Stühle und ein Klapptisch draufpassen.

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Ein Regal eignet sich für alles, was nicht stark in die Höhe wächst, zum Beispiel Kräuter.

Foto: Melanie Öhlenbach

Wie nutzt man den begrenzten Platz auf dem Balkon am besten?

Das kommt drauf an. Ich hatte auch mal ein Regal auf dem Balkon, um in die Höhe zu gärtnern und dadurch die Fläche zu vergrößern – Vertical Gardening, wie es so schön heißt. Für mich hat das aber nicht so gut funktioniert, weil der Raum in den Fächern nach oben begrenzt ist. Bei Kräutern geht das noch einigermaßen, aber Tomaten brauchen einfach mehr Platz. Momentan habe ich bei mir nur die üblichen Balkonkästen und ein paar Kisten.

Wie viel Zeit investierst du täglich für deine Gärtnerei-Leidenschaft?

Das Minimum sind 15 bis 30 Minuten am Tag, aber mehr geht natürlich immer. Durchschnittlich eine Stunde, würde ich sagen. 

Was macht dir am Urban Gardening am meisten Spaß?

Ich finde schön, beobachten zu können, wie eine Pflanze wächst. Sobald man Pflanzen auf dem Balkon hat, kommen zudem die Tiere dazu: Hummeln, Bienen, Vögel, Käfer. Ich bin so näher dran an der Natur.

Warum sollte sich jeder einen Balkongarten zulegen?

Weil es die Stadt grüner macht – und ich hoffe, dass es dem Klima guttut. Ich finde es auch toll, dass man lernt, wie eine Pflanze wächst und wie viel Arbeit, Energie und Wasser da drinsteckt. Das hilft einem zu verstehen, wie wertvoll Lebensmittel eigentlich sind.

„Wie viel Sonne gibt es auf dem Balkon? Danach wählt man die Pflanzen aus“

Worauf muss ich achten, wenn ich mir einen Balkongarten zulege?

Zuallererst: Wie viel Sonne gibt es auf dem Balkon? Denn danach wählt man die Pflanzen aus. Es gilt aber natürlich auch: Wer keine Gurken mag, sollte keine einpflanzen. Ich persönlich finde es immer schön, nicht nur Standard-Pflanzen auszusäen, die man auch im Supermarkt bekommt, sondern außergewöhnlichen Sorten eine Chance zu geben.

Welchen zum Beispiel?

Statt der runden, roten Tomate kann man auch birnenförmige Cocktailtomaten nehmen, die total süß schmecken. Es gibt auch gelb-grün gestreifte, fast schwarze und orangene Tomaten. Genauso bei Beeten: Es gibt nicht nur rote Beete, sondern auch gelbe und orangefarbene. Es gibt weiße Radieschen, violette Bohnen – also ganz außergewöhnliche und tolle Sachen.

Wo bekommt man das Saatgut dafür her?

Am besten schaut man mal bei Initiativen, die sich für den Erhalt alter Sorten einsetzen, zum Beispiel beim VEN, dem Verein zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt e.V., oder beim VERN, bei Dreschflegel oder der Arche Noah aus Österreich. Dort bekommt man nicht das 08/15 Supermarktsaatgut, sondern wirklich gutes Zeug.

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Anfangs hat Melanie nur Gemüse und Kräuter auf dem Balkon angepflanzt, mittlerweile blühen dort auch Blumen.

Foto: Melanie Öhlenbach

Schmeckst du den Unterschied?

Ja, natürlich. Die selbst gezogene Tomate schmeckt doch immer am besten. Auch selbstgezogener Salat hat wirklich Geschmack – im Gegensatz zu dem aus dem Supermarkt. Es ist übrigens auch schön zu sehen, dass Obst und Gemüse in Wirklichkeit nicht immer gleich aussieht, wie man beim Blick auf die Gemüseabteilung annehmen könnte.

An welches Gemüse können sich auch Anfänger rantrauen?

Radieschen sind relativ einfach. Spinat, Mangold und Bohnen auch. Auch Kräuter sind perfekt für Anfänger. Oder: Einfach mal eine gekeimte Kartoffel oder Zwiebel einzupflanzen – leichter geht’s nicht.

„Ich benutze aus ökologischen Gründen immer torffreie Erde“

Welches Equipment brauche ich für den Balkongarten?

Das einzige, was man sich wirklich kaufen muss, ist Erde. Alles andere kann, muss man aber nicht haben. Statt einer Gießkanne tut’s auch ein Messbecher, statt einer Schaufel ein Löffel. Man kann auch alte Obst- und Weinkisten bepflanzen. Oder einen Drahtkorb, den man mit Zeitungspapier auslegt. Ganz Faule können ihr Gemüse sogar direkt in den Sack Erde pflanzen und müssen lediglich an den richtigen Stellen ein paar Löcher reinschneiden.

Es gibt ja verschiedene Erdsorten. Empfiehlst du eine bestimmte?

Ich benutze aus ökologischen Gründen immer torffreie Erde. 

Nachhaltigkeit ist dir wichtig. Wie kann man seine Balkongärtnerei möglichst nachhaltig handhaben?

Torffreie Erde, alte Sorten besorgen, auf Bio-Qualität achten. Man muss auch nicht alles neu kaufen, sondern kann Blumenkübel im Sperrmüll finden. Ich verstehe den Begriff der Nachhaltigkeit aber auch im Gesamtkontext mit dem Ökosystem. Ich benutze daher keine Gifte, wenn eine Pflanze mal Blattlausbefall hat – insbesondere beim Anbau von Lebensmitteln rate ich davon ab. Die Blattläuse kann man entweder selbst mit dem Finger abstreifen oder wartet, bis Florfliegenlarven oder Marienkäfer ihren Dienst tun.

Heutzutage kann man die meisten Obst- und Gemüsesorten im Supermarkt kaufen: Lohnt sich der Aufwand überhaupt, wenn man Zeit und Kosten gegenüberstellt?

Die ehrliche Antwort lautet: nein. Aber so darf man nicht rechnen. Klar ist: Eine reine Selbstversorgung durchs Gärtnern auf dem Balkon funktioniert sowieso nicht, dafür wachsen die Gemüse zu langsam und es gibt zu wenig Platz. Dafür bräuchte man schon einen Garten. Rein wirtschaftlich rechnet sich das ebenfalls nicht – dafür sind Lebensmittel in Deutschland viel zu günstig. Ein Kilo Kartoffeln bekommt man ja oft schon für weniger als einen Euro. Aber mir geht es um etwas anderes: Das Gefühl, selbst etwas zu machen, etwas über die Natur zu lernen und darin Entspannung zu finden.

Wenn du dir eine gewöhnliche Mahlzeit bei dir zu Hause machst: Wie viel von den Zutaten stammt durchschnittlich aus deinem Garten?

Das ist schwer zu beantworten. Wenn ich Kartoffeln anpflanze, bekomme ich da am Ende vielleicht zwei Kilo raus – das reicht gerade mal für vier Mahlzeiten. Daher: Den Großteil kaufe ich zu. Aber es reicht immer, um das Essen noch ein bisschen aufzupeppen.

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