Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

Wie man mit (Groß-)Eltern über die Klimakrise reden könnte

Die jüngeren Generationen werden die Folgen des Klimawandel viel länger aushalten müssen, aber können jetzt nicht ohne die Hilfe der Älteren die Politk verändern.
Foto: Federico Giampieri/unsplash / toa555/Adobe Stock

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

Mehr Klimaschutz, mehr Klimagerechtigkeit – das fordern viele junge Menschen und gehen am Freitag, den 24. September, weltweit dafür mit Fridays for Future auf die Straße. Zwei Tage vor der Bundestagswahl soll hier in Deutschland nochmal Druck auf die Politik aufgebaut werden. Denn: Es geht um ihre Zukunft. Für junge Menschen ist es wichtig, ältere Menschen – die stärkste Wähler:innengruppe – auf ihrer Seite zu haben. Wie können junge Menschen ihre Eltern, Großeltern und Bekannten überzeugen, die Klimakrise ernst zu nehmen? Wie können sie ein solches Gespräch vorbereiten? Janna Hoppmann, 26 Jahre, ist Klimapsychologin und setzt sich mit dem Erleben und Verhalten von Menschen in der Klimakrise, sowie dem Engagement für Klimaschutz auseinander.

jetzt: Wissenschaftler:innen warnen vor den dramatischen Folgen der Klimakrise. Dass der Klimawandel menschengemacht ist, erkennen die allermeisten Menschen in Deutschland an. Aber warum handeln sie nicht alle?

Janna Hoppmann: Es gibt nach einem Überblick von Susanne Moser der Stanford University fünf zentrale psychologische Barrieren. Erstens, die psychologische Distanz: Lange war es in Deutschland so, dass man die Klimakrise als für einen persönlich weniger relevant und emotional weit weg wahrgenommen hat. Mit der Flutkatastrophe in Deutschland hat sich das ein Stück verändert. Oft wird die Klimakrise auch als eine Krise erlebt, die in der Zukunft stattfindet. Aber sie findet im Hier und Jetzt statt, darüber besteht ein wissenschaftlicher Konsens. Und das sollte man klarstellen.

Die zweite Barriere: kognitive Dissonanz, also innerliche Widersprüche zwischen Überzeugung und Handeln. Gibt es Widersprüche in unserem Verhalten, wollen wir diese überwinden. Das führt meist dazu, dass wir uns etwas zurechtlegen. Etwa bei Flugreisen: Will eine Person nachhaltig leben und fliegt trotzdem, kann sie die Relevanz des Flugsektors herunterspielen, um den Widerspruch in sich aufzulösen. Selten kommen Menschen direkt zu dem Schluss, ihr Verhalten zu verändern – häufig wählen sie lieber einen bequemeren Weg.

klimapsychologin janna hoppmann text

Die 26-jährige Janna Hoppman hält Vorträge über die psychologischen Grundlagen und Auswirkungen der Klimakrise.

Was hindert uns noch am Handeln?

Die dritte Barriere ist, dass uns Katastrophenszenarien und überwältigend negative Gefühle vom Handeln abhalten. Weil die Angst und Wut, die wir dann empfinden, dazu führen, dass wir der Situation eigentlich gerne entfliehen würden. Ein trauriger Eisbär auf seiner Scholle überfordert uns. Sich die Risiken der Krise bewusst machen und berechtigte Sorge empfinden, ist der erste Schritt. Aber wir brauchen ebenso positive Assoziationen, positive Bilder und Geschichten, die Lust machen, uns weiter mit dem Thema zu beschäftigen und zu handeln. Wir brauchen nicht nur Szenarien für eine Erhitzung um zwei oder drei Grad, sondern auch hoffnungsvolle Zukunftsszenarien. Viertens und fünftens spielt die Frage der Identität eine große Rolle: Wie wird klimafreundliches Verhalten vom Umfeld aufgenommen, gibt es soziale Ablehnung? Zudem der Selbstwertschutz: Kann ich morgen mit dem Kilmaschutz anfangen und trotzdem noch in den Spiegel schauen? Ändern Personen – etwa Führungskräfte – ihr Verhalten, müssen sie sich Fehler, die sie in der Vergangenheit begangen haben, eingestehen.

Wie spreche ich mit meinen Eltern oder Großeltern – gerade jetzt vor der Wahl – über die Klimakrise, um sie von der Wichtigkeit zu überzeugen?

Wichtig ist, sich Gedanken darüber zu machen, ob man überzeugen oder einfach einen Dialog eröffnen und verhärtete Fronten aufbrechen möchte. Während des Gesprächs sollte man stets offen bleiben und Neugier am Gegenüber zeigen.

Und wie bereite ich mich am besten auf so ein Gespräch vor?

In einem von mir entwickelten Leitfaden dazu empfehle ich, sich folgende Fragen zu stellen: Wer ist die Zielgruppe? Möchte ich Wissen vermitteln, Bewusstsein schaffen oder gemeinsam ins Handeln einsteigen? Interessiert sich die Person/ der oder die Gesprächsparter:in schon länger für die Klimakrise oder steht sie noch ganz am Anfang? Mit welcher Haltung gehe ich ins Gespräch? Welche Gefühle möchte ich in das Gespräch tragen und auslösen, welche nicht? Fortgeschrittene können sich dann noch Gedanken über Framing und Storytelling machen: Wie bereite ich Infos auf, welche Wörter benutze ich, mit welchen Werten kann ich mein Gegenüber abholen? Und schließlich: Welche Geschichten machen das, was ich sagen möchte, greifbar und lebendig?

„Ein früher Kohleausstieg ist wie eine gute Zahnprophylaxe oder die Lebensversicherung“

Ganz konkret: Wie kann auf folgende Aussagen eingegangen werden? Zum Beispiel: „Deutschland trägt doch kaum was zu den weltweiten Emissionen bei.“

Hier kann man auf die historischen Emissionen und Verantwortung Deutschlands eingehen und dass wir Deutschen pro Kopf sehr viel CO₂ ausstoßen. Deutschland gehört zu den Top Ten der weltgrößten CO₂ -Verursacher. Dieses „2-Prozent-Argument“ ist ein gutes Beispiel für Verzögerungsdiskurse. Das psychologische Phänomen dahinter ist die Verantwortungsdiffusion auf globaler Ebene: das Abschieben der Verantwortung auf andere Personen. Wir stecken in einem globalen sozial-ökologischen Dilemma: Kurzfristig lohnt es sich für mich als einzelnes Individuum, weiter zu machen wie bisher. Wenn wir alle das jedoch tun würden, wäre langfristig gar niemandem geholfen – denn das Leid für uns alle wäre unglaublich groß.

„Dieser Sommer war doch verregnet, keine Spur vom Klimawandel.“

Bei dieser Aussage können wir auf den Unterschied zwischen Wetter und Klima eingehen und dabei auf den wissenschaftlichen Konsens renommierter Wissenschaftler:innen verweisen.

„Kohlekraftwerke früher abzuschalten, rettet auch nicht die Welt.“

Diese Aussage zeigt ein Ohnmachtsgefühl, die Verantwortung wird abgeschoben. Generell ist es bei solchen Aussagen wichtig, die Missverständnisse auch als diese darzustellen, die eigentliche Faktenlage zu erklären und wie es zu diesen Denkfehlern kommen kann. Hier macht es großen Sinn, ganz klar zu benennen, was die klimaschädlichsten Bereiche unseres öffentlichen Lebens sind. Neue Berechnungen des Analyseinstituts Energy Brainpool zeigten, dass wir bis 2038 durch Kohlestrom fast die Hälfte unseres verbleibenden CO₂-Budgets verbrauchen würden. Auch sollten wir darstellen, welchen positiven Impact es daher hätte, den Kohleausstieg früher umzusetzen: Es würde unglaublich viel Risiko einsparen, so ein besseres Zusammenleben ermöglichen und uns helfen, unsere Lebensgrundlagen zu erhalten. Ein früher Kohleausstieg ist wie eine gute Zahnprophylaxe oder die Lebensversicherung. Im besten Fall verhindern wir damit große Katastrophen, die wirklich weh tun. Also auch positive Bilder liefern und die sogenannten Co-Benefits betonen: Was gewinnen wir alles mit dem Kohleausstieg an Lebensqualität?

Stellen wir uns folgende Situation vor: Die Eltern wollen klimaverträglich leben. Sie kaufen regionale und biologische Lebensmittel, beziehen grünen Strom… Dennoch: Sie gehen auf Kreuzfahrt, um sich die Gletscher anzuschauen. Die Tochter ist verzweifelt über das Verhalten der Eltern. Was kann sie tun?

Als Kind hat man ein großes Einflusspotenzial auf die Eltern. Grundsätzlich werden sie zuhören oder im Nachhinein darüber nachdenken. Deswegen ist es wichtig, im Austausch zu bleiben und die Fronten nicht zu verhärten. Der Einstieg in ein Gespräch kann über eine offene Frage gelingen: „Sagt mal, ich wundere mich, euch liegt Klimaschutz doch am Herzen, wie seid ihr auf die Idee gekommen, eine Kreuzfahrt zu machen?“ Die Frage hat das Potenzial, zum Nachdenken anzuregen. Entweder kann die Tochter den Eltern so ihr widersprüchliches Verhalten aufzeigen oder den Eltern ist das bereits bewusst und es kann sich ein Gespräch über nachhaltiges Reisen anschließen.

Weiteres Szenario: Die Großeltern interessieren sich nicht für die Klimakrise. Kommen die Enkel zu Besuch, gibt es große Mengen Fleisch. Jedes Mal fliegt viel in den Müll. Auch fahren sie jeden Meter mit dem Auto, obwohl sie noch sehr fit sind und um die Ecke ein Bahnhof ist. Wie kann das Enkelkind ein Gespräch über klimafreundliches Verhalten starten?

Wieder eine offene Frage stellen: „Was bedeutet denn für euch die Klimakrise?“ Herausfinden, ob die Großeltern sich Sorgen machen, ob die Klimakrise für sie nah oder weit weg ist, also wie es um die psychologische Distanz steht. An welcher Stelle fühlen sie sich bedroht? Sorgen sie sich um das Wohlergehen der Enkel und deren Zukunft? Außerdem kann das Enkelkind erzählen, warum ihm Klimaschutz wichtig ist und wie es dazu kam. Sinnvoll ist es zu fragen: „Habt ihr Lust, Ideen zu hören, wie ihr klimafreundlicher leben könntet?“ So wird die Autonomie gewahrt und gemeinsam können Ansatzpunkte für die Großeltern erarbeitet werden, die ihnen Spaß machen und ihnen zu Recht das Gefühl geben, ein wichtiger Teil des nötigen Wandels zu sein.

Und was kann man tun, wenn der Opa die Klimakrise leugnet?

Klimaleugner:innen sind in Deutschland eine sehr kleine Gruppe. Um die eigene Energie zu schonen, sollte man überlegen, mit wem es stattdessen wirkungsvoller wäre zu reden. Denn ein einzelnes Gespräch wird überzeugte Klimaleugner:innen sicherlich nur selten zum Umdenken anregen, das braucht mehr Zeit – und viel Ruhe, zu erforschen, was hinter der Leugnung an Frust, Sorgen und Ängsten vielleicht steckt. Dennoch ist es wichtig, mit diesem Opa im Gespräch zu bleiben, auch um gesellschaftlich nicht auseinander zu driften. Wichtig ist es dabei, auf Missverständnisse klar hinzuweisen und den wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Konsens in den Vordergrund zu rücken. Denn nach der Studie von More in Common aus 2021 sorgen sich 80 Prozent der Menschen in Deutschland um die Klimakrise. Wenn bestimmten Institutionen kein Glaube geschenkt wird, können andere Botschafter:innen herangezogen werden, die die Klimakrise auch ernst nehmen und die glaubwürdiger für die leugnende Person sind. Etwa wenn der Opa die öffentlich-rechtlichen Medien nicht anerkennt, können andere Medien herangezogen werden oder Parteien, andere Familienmitglieder, NGOs.

Individuelles Konsumverhalten ist das eine. Um die Klimaziele zu erreichen, braucht es vor allem auch politische Veränderungen. Wie können junge Menschen ältere Menschen davon überzeugen, die Klimakrise in ihrer Wahlentscheidung zu berücksichtigen? 

Laut der aktuellen psychologischen Forschung haben drei Komponenten einen entscheidenden Einfluss auf die politische Wahlentscheidung. Die Identifikation mit der Partei, die sich über lange Zeit, durch die Sozialisierung, bildet. Dann die Sympathie zu aktuellen Kandidat:innen. Zudem die politischen Streitfragen. Also, ob man etwa das Klimathema als so relevant erachtet, dass man die Wahlentscheidung gezielt danach ausrichtet. Bei der Identifikation und der politischen Streitfrage kann ich ansetzen. Erst einmal nachfragen, welcher Partei sich die Person zugehörig fühlt und warum beziehungsweise seit wann. Dann zur Reflektion anregen, ob dieses Zugehörigkeitsgefühl dem entspricht, was ihnen tatsächlich am Herzen liegt oder ob ihm ein Update verpasst werden müsste: „Sag mal, passen deine Werte und Anliegen nicht viel eher zu einer anderen Partei?“ Außerdem über die Relevanz der Klimakrise sprechen, darüber diskutieren, ob es sich nicht lohnen würde, bei dieser Jahrhundertwahl alles auf das Klima auszurichten. Also verdeutlichen, dass die Klimakrise DIE politische Streitfrage für diese Wahl ist.

Wie können ältere Menschen ermutigt werden, zu demonstrieren oder sich in einer politischen Gruppe zu engagieren?

Hier kann man das Potenzial einer Gruppe aufzeigen, etwas Großes zu bewegen auf einer politischen Ebene, was weit über den Impact hinaus geht, den ich im Alltag mit einzelnen Konsumentscheidungen haben könnte. Hinter Demonstrationen steht meist ein breites Bündnis: Verbände, Kirchen, Gewerkschaften… Gemeinsam kann man überlegen, wo sich die Großeltern wohlfühlen, und sie unterstützen, den entsprechenden Block auf der Demonstration zu finden. Ich möchte wirklich dazu ermutigen, vor der Wahl Gespräche über die Klimakrise zu wagen, auf Augenhöhe zu plaudern, ohne gleich das Ziel zu haben, zu überzeugen. Lasst uns einander zuhören und uns dann dabei gegenseitig helfen, selbst aktiv zu werden.

  • teilen
  • schließen