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Mapu und Bismani sind von den Waldbränden im Amazonas betroffen
Sie seien gerade beim Essen gewesen, als um sie herum an drei Stellen gleichzeitig ein Feuer ausbrach, sagt Mapu Huni Kuin. Innerhalb von drei Stunden wurden am 22. August dadurch fünf Hektar Land vollständig zerstört. Mapu ist sich sicher, dass Brandstifter dahinterstecken, im Auftrag von Großbauern. Und diese wiederum würden bestärkt von Jair Bolsonaro, dem brasilianischen Präsidenten. „Er hat viel Hass geschürt“, sagt Mapu.
Mapu ist 30 Jahre alt und Anführer der Huni Kuin, einer indigenen Gemeinschaft, die in der Provinz Acre im Norden Brasiliens an der Grenze zu Peru lebt. Mapu und seine Schwester Bismani, 24, die ihm im Dezember nachfolgen und damit die erste Kazikin, also weibliche Anführerin der Huni Kuin sein wird, waren in den vergangenen Wochen in Europa unterwegs, um über die Zerstörung des Amazonas-Regenwalds aufzuklären. Nach Deutschland, Österreich und Tschechien war ihre letzte Station Brüssel. Auf Einladung von Monika Vana, der Delegationsleiterin der österreichischen Grünen im Europaparlament, sprachen sie dort über die Brände im Amazonasgebiet und die Folgen der industriellen Landwirtschaft. Sie berichteten von der Kultur ihres Volkes und baten um Unterstützung für ihr Anliegen: Die Bewahrung des Regenwalds – und damit ihrer Heimat.
„Der Regenwald wird zerstört, nur um Profit zu machen“
Fast 10 000 Kilometer entfernt von dieser Heimat sitzen Mapu und Bismani am Donnerstag in einem Konferenzsaal des Europaparlaments, der im Vergleich zu den leuchtenden Farben ihrer traditionellen Kleidung noch ein bisschen trister wirkt als ohnehin schon. Die Gesichter der Geschwister sind mit roter und schwarzer Farbe bemalt und beide tragen einen großen Kopfschmuck aus Federn. Ernst und ausführlich beantworten sie die Fragen der Journalist*innen. Bismani sagt, es sei ihr nicht leicht gefallen, ihre vier Kinder zurückzulassen und diese weite Reise anzutreten. „Aber ich kämpfe hier auch für ihre Zukunft.“ Immer wieder klagen sie und ihr Bruder im Gespräch Präsident Bolsonaro an. „Die politischen Entscheidungen in Brasilien führen zu einem Völkermord“, sagt Mapu. „Die Großbauern vergiften das Land mit Chemikalien und Pestiziden. Der Regenwald wird zerstört, nur, um Profit zu machen.“ Bolsonaro betrachte die Indigenen als Störfaktor, als Hindernis für das Wirtschaftswachstum. Bevor er Präsident wurde, sei die Rodung des Regenwalds immerhin noch einigermaßen reglementiert worden. „Heute ist das nicht mehr so. Bolsonaro hat diese Strukturen geschwächt oder ganz abgeschafft. Niemand muss mehr Strafe zahlen, wenn er den Wald anzündet.“
Bereits kurz nach seinem Amtsantritt im Januar hat Bolsonaro Dekrete verabschiedet, die den Schutz des Regenwalds schwächen. Für ihn ist Amazonien vor allem eine industrielle Goldgrube, ein Gebiet, in dem es jede Menge Bodenschätze zu holen gibt und dessen riesige Fläche man hervorragend für den Anbau von Sojabohnen und die Viehzucht nutzen kann. Darum haben Minenbetreiber und Großbauern unter ihm weitgehend freie Hand: Zahlen des INPE, des brasilianischen Instituts für Satellitenforschung, belegen, dass die Rodungen im Amazonasbecken seit Bolsonaros Amtsantritt doppelt so schnell voranschreiten wie bisher.
70 000 Feuer hat das INPE seit Anfang 2019 in Brasilien registriert, fast doppelt so viele wie im Vorjahreszeitraum. Auch in Paraguay und Bolivien brennt der Wald. Das hat unmittelbar Folgen für Menschen wie Mapu und Bismani, deren Lebensraum bedroht ist, und langfristig auch für den Rest der Welt: Der Amazonas-Regenwald ist wichtig für die Stabilität des Klimas. Sollte dieses einzigartige Ökosystem kollabieren, würde das die Klimakrise noch um ein Vielfaches verstärken.
Die Huni Kuin leben im Regenwald in der Nähe der Provinzhauptstadt Rio Branco, die Gemeinschaft hat etwa 14 000 Mitglieder. In den vergangenen Jahrzehnten sind viele von ihnen in die Stadt gezogen, verdrängt von Großgrundbesitzern und auf der Suche nach einem besseren Leben. Auch Mapu verließ vor einigen Jahren den Regenwald, um in der Kleinstadt Plácido de Castro Jura studiert. Die Erfahrungen, die er dort gemacht hat, haben ihn geprägt und politisiert. Vom kollektiven Leben in seiner Gemeinschaft geriet er in eine Welt des Individualismus. Auf sich allein gestellt schlief er teils auf der Straße, hatte oft nichts zu essen. Dann lernte er andere Huni Kuin kennen, die in den städtischen Favelas lebten, mittellos und diskriminiert. „Da habe ich beschlossen, das Studium abzubrechen und diesen Menschen zu helfen, zurück nach Hause zu kommen“, sagt er heute.
Ist der Wald erst weg, könnte die Fläche für Landwirtschaft genutzt werden
2009 lebten allein in Rio Branco 3000 Huni Kuin unter schlechten Bedingungen. Mapu sagt, die Zahl sei seitdem noch einmal stark gestiegen. 2017 kauften die Huni Kuin darum zwei Hektar Land im Regenwald bei Rio Branco, sicherten sich das Vorkaufsrecht auf weitere fünf Hektar und gründeten das Wiederansiedlungs- und Kulturzentrum „Huwã Karu Yuxibu“. 28 Menschen leben derzeit dort, um zu ihrer kulturellen Identität zurückzufinden und wieder eine Zukunftsperspektive zu haben. In Workshops will das Zentrum unter anderem den Anbau traditioneller Heilpflanzen vermitteln sowie einen Austausch zwischen indigenen und nicht-indigenen Menschen anregen. Dass das bei den Rinderzüchtern und Sojabauern nicht gut ankommt, ist klar. Darum vermutet Mapu hinter den Feuern, die am 22. August in unmittelbarer Nähe des Zentrums ausbrachen, einen Anschlag der benachbarten Großgrundbesitzer. Sei der Wald erst weg, sagt Mapu, würden sie anbieten, dass man die Fläche jetzt ja auch für die Landwirtschaft nutzen könne.
Mapu und Bismani sind die ersten Indigenen, die jemals ins Europaparlament eingeladen wurden. Als Monika Vana von den Grünen das erzählt, kann der Dolmetscher es fast gar nicht glauben, aber Mapu und Bismani lächeln nur leise darüber. Sie nutzen ihre Chance, nun gehört zu werden, und fordern, dass das EU-Mercosur-Abkommen, das Freihandelsabkommen der EU mit Südamerika, nicht vom Parlament ratifiziert wird. „Es ist ein Anreiz für noch mehr Soja-Anbau und Viehzucht, für noch mehr Chemikalien und Pestizide. Bolsonaro stellt euch damit nur eine Falle – tappt nicht hinein!“, mahnt Mapu. Auch die Grünen im Europaparlament kritisieren das Abkommen scharf. „Insbesondere im Hinblick auf Umweltschutz und den Schutz von Demokratie und Menschenrechten muss das Mercosur-Abkommen drastisch hinterfragt werden“, sagt Monika Vana. „Die indigene Bevölkerung gehört in die Verhandlungen einbezogen.“
Auf ihrer Europa-Reise haben Mapu und Bismani auch an einem Protest vor der brasilianischen Botschaft in Wien teilgenommen und dort Aktivist*innen von „Fridays for Future“ getroffen. „Das ist Teil unserer Botschaft“, sagt Mapu. „Wir müssen uns zusammenschließen und unsere Kräfte bündeln gegen die Umweltzerstörung weltweit. Wir stehen alle vor den gleichen Herausforderungen.“ Einige der Demonstranten fühlten sich anscheinend etwas hilflos und sagten, dass sie konkret nichts gegen die Rodung des Regenwalds tun könnten. Ihnen hat Mapu einen einfachen Rat mitgegeben: „Wenn ihr in den Supermarkt geht, kauft kein Rind und kein Schwein. Dann unterstützt ihr nicht die Agrarindustrie, die unseren Wald zerstört, um euch dieses Fleisch zur Verfügung zu stellen.“
Am 9. September fliegen die Huni-Kuin-Geschwister zurück nach Brasilien. Bismani hofft, dass sie in ihrer neuen Rolle als Anführerin vor allem auch weitere Frauen in ihrer Gemeinschaft bestärken kann, für den Erhalt ihrer Heimat zu kämpfen. Denn noch ist es nicht zu spät. „Wir wollen von unserer Reise auch die Hoffnung mit nach Hause nehmen, dass der Wald überleben kann“, sagt Mapu.
Das „Huwã Karu Yuxibu“-Zentrum in Acre kann durch Spenden unterstützt werden. Das Geld wird für die Bezahlung des Landes genutzt, für das die Huni Kuin das Vorkaufsrecht erworben haben.