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Wie die Klimakrise das Leben auf Fuerteventura verändert

Ángel lebt auf Fuerteventura und spürt die Auswirkungen der Klimakrise deutlich.
Foto: Ángel Borrero

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Die Auswirkungen der Klimakrise bedrohen die Lebensgrundlage von Menschen weltweit. An manchen Orten sind die Folgen schon heute besonders zu spüren. In den Klimatagebüchern berichten Menschen davon, wie sich das Leben in ihren Regionen durch die Klimakrise verändert. 

In der zehnten Folge berichtet Ángel Borrero, 23, aus Fuerteventura, wie die Klimakrise mehr Saharastaub in seine Heimat bringt, welche Auswirkungen dieser auf die Insel hat und wie er mit einem besonderen Pflanzsystem der Trockenheit trotzt.  

„Was wir hier erleben, nennen wir Calima. Das ist ein typisches Wetterphänomen auf Fuerteventura, bei dem Saharastaub bis zu uns auf die kanarischen Inseln geweht wird. Das passiert viel häufiger als früher und dieses Jahr war es besonders stark. Wenn es Calima gibt, muss man Mund und Nase bedecken, denn der Staub kann sehr schädlich für die Lunge sein. Auch die Winde sind viel stärker als noch in meiner Kindheit, sie sind heiß und trocken. Ich erinnere mich, dass es früher auch mal über längere Zeiträume komplett windstill war. Das kommt jetzt eigentlich kaum mehr vor. Zudem hat die Hitze in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Häufig haben wir jetzt auch im Winter 20 Grad und mehr, fast wie im Sommer. Meine Großmutter sagt, sie habe in ihrem ganzen Leben noch nie ein solches Wetter erlebt wie in den vergangenen paar Jahren.  

Als ich noch ein Kind war, war die Insel viel grüner, es gab mehr Vegetation. Verschiedenes hat dazu geführt, dass sie heute trockener ist. Zum einen haben die Menschen früher mehr Landwirtschaft betrieben. Doch dann fokussierten sich viele nur noch auf den Tourismus und das Land lag brach, es vertrocknete. Gleichzeitig stieg die Zahl der Familien in der Gegend immer weiter an – sie alle brauchten Wasser. Zusätzlich nahmen die Regenfälle immer mehr ab, viele Brunnen trockneten aus. So auch in meinem Dorf. Wir bekommen unser Wasser aus Entsalzungsanlagen aus dem Meer. Als Kind habe ich in den sogenannten Gavias geplanscht, wenn es stark geregnet hat. Das sind Terrassen, die typisch sind im Trockenfeldbau-System hier auf Fuerteventura, sie ähneln den Reisfeldern in Asien. Heute ist das undenkbar, weil einfach nicht genug Regen fällt.  

Vor knapp drei Jahren begann ich, ein neues Pflanzsystem auf dem Grundstück meiner Mutter anzulegen. Das Besondere: Es kann einen Monat lang ohne Wasser auskommen. Für mich hing die Natur schon immer ganz eng mit dem Wasser zusammen. Irgendwann habe ich über das Prinzip des sogenannten „Essbaren Waldes“, auch bekannt als Waldgarten, gelesen, und fand das wahnsinnig spannend. Dabei nutzt man alle sieben Schichten eines Waldes: das Kronendach, die Unterholzschicht, die Strauchschicht, die Gemüse- und Kräuterschicht, die Humusschicht, den Bodendecker und die vertikale Schicht, in der etwa Kletterpflanzen zu finden sind. Der Boden bleibt durch stetige Bedeckung mit Mulchmasse einer bestimmten Baumart feucht und so gedeihen die Pflanzen sehr gut. Ziel ist es, das ganze Jahr hindurch Früchte und Gemüse zu haben. Während der Coronakrise habe ich dann meinen eigenen Waldgarten angepflanzt: Zunächst begann ich zuhause mit kleinen Experimenten, meine Geschwister waren damals in der Quarantäne auch da und haben mitgeholfen. Ich habe mit einem Quadratmeter angefangen – heute ist der Waldgarten auf 1000 Quadratmeter angewachsen. Das ging teilweise fast zu schnell. Ich würde gerne noch mehr Landfläche so begrünen, aber dafür fehlt mir derzeit noch ein geeignetes Gelände.  

Mein Garten ist aber natürlich auch von der Klimakrise betroffen. Ganz zu Beginn meines Projekts etwa haben die starken Winde meine damals noch kleinen Pflanzen kaputtgemacht. Ihre Blätter sind durch Sonne, angewehten Staub und Sand verbrannt. Das zu sehen und den starken Wind und die Hitze zu erleben, macht mich traurig, denn ich kann überhaupt nichts dagegen tun. Ich habe vertrocknete Bäume und verdurstete Tiere gesehen, das bricht mir wirklich das Herz. Wir haben auch Hühner, einige von ihnen sind durch die Hitze umgekommen. Wenn deine Pflanzen und deine Tiere, in die du so viel Zeit und Liebe investierst, tot sind, wenn du heimkommst, ist das wirklich hart. Mein Gartenprojekt gibt mir aber viel Hoffnung, da einfach mitten in der Wüste eine Oase entstanden ist. Das bereitet mir viel Freude. Alles gedeiht und es gibt für mich nichts Schöneres als eine Frucht zu essen, die ich selbst angepflanzt hat. Ich bin momentan für mein Studium viel auf der Nachbarinsel Teneriffa, aber ich versuche, einmal im Monat heimzukommen, damit ich nach meinem Garten schauen kann. Meine Mutter hilft mir sehr bei dem Projekt, vor allem wenn ich nicht da bin. Sie war zu Beginn skeptisch, aber mittlerweile ist sie voll dabei.  

Mein Waldgarten kommt zudem komplett ohne Pestizide aus. Teils nutzen wir Tiermist zum Düngen, aber sonst nichts. Die konventionellen Landwirt:innen in der Gegend sprühen alle Pestizide auf ihre Pflanzen, viele nutzen Glyphosat – und wissen gar nicht, was sie der Natur und auch sich selbst damit antun. Sie verstehen nicht, dass sie selbst am Ende darunter leiden: Wenn man die Erde kaputtmacht, kann sie einem irgendwann nichts mehr zu essen geben. Viele Menschen auf unserer Insel verstehen das nicht. Dabei könnten sie es sogar nebenan sehen: In unserem Garten brauchen wir all das nicht, wir pflanzen saisonal an und können einen Großteil unseres Eigenbedarfs damit decken. Im Winter kann man zum Beispiel super Salat anbauen, im Sommer ist es dafür aber viel zu heiß. Wir haben mit Nachbar:innen ein ähnliches Projekt in ihrem Garten gestartet, schon nach einem Jahr konnten sie Kochbananen und Papayas ernten. Sie sind total begeistert – wie alle, die den Waldgarten in der Wüste unserer Insel sehen.“  

Mehr Informationen zu den Auswirkungen der Klimakrise auf den kanarischen Inseln:  

Auf den kanarischen Inseln führt die klimawandelbedingte Trockenheit und Dürre vor allem zu sozioökonomischen Schäden: Sowohl der Tourismus als auch die Landwirtschaft sind stark davon betroffen. Auch die Ökosysteme vor Ort leiden. Wissenschafter:innen gehen davon aus, dass durch die globale Klimakrise der Meeresspiegel auf den kanarischen Inseln bis 2050 um 18 Zentimeter ansteigen könnte: Neben den Verlusten wichtiger endemischer Tier- und Pflanzenarten könnten dadurch auch 148 Strände verschwinden – die Folgen für den Tourismus in der Region sind gravierend. Der Klimawandel wird voraussichtlich das Azorenhoch ausweiten, was zu länger andauernden Dürreperioden im Sommer und Winter über den Kanaren führen könnte. 

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