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Klimatagebücher: Wie sich die Klimakrise auf Südkorea auswirkt
Die Auswirkungen der Klimakrise bedrohen die Lebensgrundlage von Menschen weltweit. An manchen Orten sind die Folgen schon heute besonders zu spüren. In unseren Klimatagebüchern berichten Menschen davon, wie sich das Leben in ihren Regionen durch die Klimakrise verändert.
In der vierzehnten Folge berichtet Kun Woo Ro, 32, aus Gimpo, einem Vorort von Südkoreas Hauptstadt Seoul. Er beschäftigt sich wissenschaftlich mit Umweltveränderungen, ist Klimaaktivist und kritisiert seit einigen Jahren öffentlich die Klimaziele der südkoreanischen Regierung. Er erzählt, von schlechtem Waldmanagement, frühblühenden Kirschbäumen, Überflutungen, die Leben kosten, und unpünktlichen Zügen.
„Wenn ich über die Klimakrise spreche, muss ich immer an zwei Blüten denken. Denn an diesen sehen wir, wie sehr die Natur sich verändert. In der Schule fanden meine Freund:innen und ich es immer schade, dass wir die Kirschblüte verpassen. Mitte April stand alles in rosaroter Blüte – und wir hatten Prüfungen und mussten lernen. Heute blühen die Kirschbäume durch den früher einsetzenden Frühling bereits Ende März – die jetzigen Schüler:innen erleben sie inzwischen also voll mit. Eine Sache fühlt sich dabei besonders seltsam an: Weil es so früh im Jahr blüht, sind viele Insekten noch nicht geschlüpft oder aktiv. Man sieht also die wunderschönen Kirschbäume, aber keine Insekten. Früher hat es zur Zeit der Kirschblüte überall gesummt – jetzt nicht mehr.
Und dann gibt es da noch die zweite Blüte. Bei der handelt es sich um die der ‚Gewöhnlichen Robinie‘, eine Baumart. Wir haben hier ein Sprichwort: Wenn die Robinie blüht, müssen wir uns keine Sorgen mehr wegen Waldbränden machen. Denn dann startet normalerweise die Monsun-Zeit.
Doch auch das hat sich verändert, weil die Böden im Frühjahr sehr trocken sind: Im Frühling und Winter haben wir weniger Niederschläge als früher – und zugleich sind die Temperaturen im Frühjahr angestiegen. Diese Kombination ist ein guter Nährboden für Waldbrände. Es brennt daher inzwischen auch oft noch, nachdem die Robinie geblüht hat. Die stärkeren Brände liegen aber teils auch an unserem schlechten Waldmanagement – viele der Gebiete sind zu dicht bepflanzt und es gibt zu viele feueranfällige Baumarten wie etwa Kiefern. Das begünstigt Feuer zusätzlich.
Schon jetzt haben wir bei Überflutungen Dutzende Tote zu beklagen
In Südkorea erleben wir außerdem immer höhere Temperaturen: Im Jahr 2021 war es in Seoul an 219 Tagen heißer als durchschnittlich in den vergangenen 30 Jahren, 72 Tage waren hingegen kälter – das liegt vor allem am Jet-Stream-Wind. Dieser sorgt für abwechselnde Wetterlagen. Durch die Klimakrise aber wird er schwächer und Wetterlagen dauern länger an. Diesen Einfluss des Jet-Streams muss ich vielen Freund:innen und meiner Familie immer wieder erklären, wenn sie fragen, warum es in Zeiten der Klimaerwärmung auch zu kälteren Tagen kommt.
Eine weitere Veränderung ist der Regen: Wir haben mehr Tage mit extremen Regenfällen. In Seoul hat es 2022 an nur zwei Tagen die Hälfte der Jahresmenge an Niederschlag geregnet. Und allein im vergangenen Juli sind bei Überflutungen etwa 50 Menschen ums Leben gekommen, 35 wurden verletzt und vier werden noch vermisst. Ein Verwandter eines Freundes half während seines Wehrdienstes, nach dem Sturm nach Vermissten zu suchen – er starb leider bei der Suchaktion. Es war schrecklich. Und vergangenes Jahr wurde ein großer Teil von Gangnam, einem Viertel in Seoul, überflutet. Die Bilder gingen um die Welt.
Ich weiß, es ist schwer, einzelne Extremwetterereignisse einzig und allein auf die Klimakrise zu beziehen. Aber der Ozean um unsere Halbinsel war vor den starken Überflutungen viel wärmer als normalerweise. Dadurch entsteht mehr Wasserdampf und in Folge werden Stürme und Regenfälle viel stärker. Die globale Erwärmung liegt derzeit bei etwa 1,2 Grad Celsius. Und das ist erst der Anfang. Aber schon jetzt haben wir bei Überflutungen Dutzende Tote zu beklagen.
Viele bringen die Klimakrise noch nicht mit ihrem eigenen Leben in Verbindung
Die Klimakrise zeigt sich auch bei unseren Zügen. Die kommen normalerweise immer sehr pünktlich. Aber in den vergangenen paar Monaten kam es zu – für uns – massiven Verspätungen: Starke Regenfälle führen zu Ausfällen. Und wenn die Lufttemperaturen auf 35 Grad Celsius oder mehr steigt, erhitzen sich die Schienen auf über 50 Grad Celsius. In beiden Fällen können die Züge nicht mehr in ihrer Höchstgeschwindigkeit fahren. Das zeigt, wie vielschichtig die Folgen der Klimakrise sein können.
Ich hoffe, dass solche Einschnitte in den Alltag endlich die Bevölkerung wachrütteln. Denn auch wenn wir ein sehr industrialisiertes Land mit hohem Bildungsgrad sind, bringen viele die Klimakrise noch nicht mit ihrem eigenen Leben in Verbindung. Das liegt teils daran, dass es hier schon immer Extreme gab: Wir haben Jahrestemperaturen zwischen -20 und +40 Grad Celsius, den Monsunregen und Taifune. Die Veränderungen fallen bei uns noch nicht so ins Gewicht wie in Ländern mit stabilem Klima. Zwar gibt es nur wenige Klimaleugner:innen und im weltweiten Vergleich sehen die Menschen hier die Klimakrise als extrem wichtiges Thema an – aber trotzdem gehen die meisten davon aus, dass diese Krise „nur“ die Umwelt betrifft.
Die Arbeit mit der Regierung ist frustrierend
Und was zur Hölle macht unsere Regierung? Immerhin machen Politiker:innen mittlerweile öffentlich die Klimakrise verantwortlich für Umweltkatastrophen. So wird das Thema in den Fokus gerückt, das ist gut. Aber es wirkt wie eine billige Ausrede, wenn daraus keine politischen Konsequenzen folgen. Unsere Politik ist einfach sehr konservativ. Wenn Nichtregierungsorganisationen oder Umweltgruppen ihre Themen anbringen, müssen sie sich immer auf große Kompromisse mit der Regierung einlassen. Das endet in einer Art Selbst-Zerstörung der Umweltbewegung: Die einen sagen ‚Wir dürfen nicht so weit von unseren Forderungen abweichen‘, die anderen finden ‚Wenn wir überhaupt etwas erreichen wollen, dann müssen wir auf die Regierung zugehen.‘
Ich selbst bin auch Teil einer Klimaschutzgruppe und die Arbeit mit der Regierung ist frustrierend. So zerbricht der wichtige Zusammenhalt in der Bewegung. Da es nur zwei große Parteien gibt, die abwechselnd die Regierung stellen, sehen diese keine Notwendigkeit, Klimaschutz pro-aktiv in die politische Agenda aufzunehmen. Auf internationalen Druck hin, hat die Regierung nun immerhin einen Klimaplan vorgestellt, bis 2050 klimaneutral zu werden. Aber die Maßnahmen greifen viel zu kurz. Ich fürchte, viele junge und motivierte Menschen ziehen sich nach einiger Zeit aus der Klimabewegung zurück, weil die Arbeit mit der Regierung zu viel Energie kostet und wenig bringt.
Gerne würde ich auch hier ein Projekt wie den ‚Klimawald‘ starten: Während meines Masterstudiums in Bayreuth habe ich mit anderen Studierenden und Professor:innen der Universität und mit Angestellten des dortigen Forstamtes auf einem Hektar verschiedene Baumarten gepflanzt, die sich gut an Hitze- und Trockenstress anpassen können. Sowohl heimische als auch nicht-heimische Arten. Das war vor vier Jahren, mittlerweile sind die Bäume teils über drei Meter groß und kommen viel besser mit dem veränderten Klima zurecht als die in Deutschland üblichen Fichten- und Kiefernmonokulturen.
Ich vermisse diese Offenheit für einen alternativen Umgang mit dem Wald hier in Südkorea. Oft fällt es mir schwer, in Gesprächen über die Klimakrise konstruktiv oder hoffnungsvoll zu bleiben. Im Gegenteil, ich werde irgendwann deprimiert von all den erdrückenden Fakten. Ich glaube, es geht sehr vielen so, die im Klima- oder Umweltschutz arbeiten. Aktivismus kann enorm viel Energie ziehen. Aber der Austausch über die Klimakrise tut mir gut. Dann merke ich, ich bin nicht alleine. Die Welt verändert sich zwar nicht, wenn man darüber spricht. Aber geteilte Sorgen bringen die Menschen einander näher.“
Mehr Informationen über die Klimakrise in Südkorea
Seit 1979 hat sich die jährliche Durchschnittstemperatur in Südkorea bereits um mehr als 1 Grad Celsius erwärmt. Prognosen gehen davon aus, dass die Klimakrise zu früheren und länger andauernden Sommern mit mehr extrem heißen Tagen führt. Zunehmende Extremregenfälle und tropische Wirbelstürme könnten auch die Energieversorgung des Landes gefährden. Laut Forscher:innen werden bis 2050 Dürren viel häufiger auftreten. Zu einem großen Teil von Wasser umgeben, ist auch der Meeresspiegelanstieg ein klimawandelbedingtes Problem in Südkorea, der daraus resultierende Schaden könnte das Land etwa 60 Milliarden Dollar kosten.