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„Meine Familie ist gegen meinen Aktivismus, da er gefährlich ist“

Seit Daniel in seiner Heimatstadt Bukavu Klimaveränderungen immer stärker wahrnimmt, setzt er sich gegen die Klimakrise ein. Für seinen Aktivismus könnte er festgenommen oder sogar getötet werden.
Foto: Flawa Malle

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Die Auswirkungen der Klimakrise bedrohen die Lebensgrundlage von Menschen weltweit. An manchen Orten sind die Folgen schon heute besonders zu spüren. In den Klimatagebüchern berichten Menschen davon, wie sich das Leben in ihren Regionen durch die Klimakrise verändert. 

In der 25. Folge berichtet Daniel Kalalizi, 21, wie die Politik in seiner Heimat Klimaaktivist:innen einschüchtert und warum er auch gegen den Willen seiner Familie für eine klimagerechte Welt protestiert. 

„Hier in der Demokratischen Republik Kongo (DR Kongo) kann ich verhaftet werden, wenn ich für mehr Klimaschutz protestiere. Wir haben ein großes Problem mit Korruption: Oft zahlen gerade ausländische Firmen, die unsere Bodenschätze ausbeuten, Politiker:innen Geld, damit Umweltstandards nicht eingehalten werden müssen oder diese ein Auge zudrücken. Wenn wir dagegen protestieren, kann die Polizei uns mitnehmen und einsperren. Immer wieder werden Klimaaktivist:innen in DR Kongo getötet. Erst vor ein paar Wochen wurde ein Bekannter in Kinshasa, der Hauptstadt, verhaftet. Er ist auch Klimaaktivist. Sie haben ihn erst nach zwei Tagen wieder freigelassen. Aber in der Zeit im Gefängnis hat er nichts zu essen bekommen, sein Handy und Geld wurden ihm abgenommen, er hatte über die ganze Zeit keinerlei Möglichkeiten, mit Menschen außerhalb des Gefängnisses zu kommunizieren. Das hat er mir erzählt.

Das ist eine Form von Gewalt. Menschenrechts- und Umweltaktivist:innen haben Rechte. Unsere Politiker:innen missbrauchen diese immer wieder. Ich kann natürlich gegen diese Form der Behandlung protestieren – aber ich muss immer damit rechnen, selbst eingesperrt zu werden, wenn die falschen Menschen davon erfahren. Wenn man mitbekommt, wie andere Aktivist:innen festgenommen werden, entmutigt einen das natürlich. Es macht mich so wütend. Ich will weiterkämpfen. Aber viele Gesetze und die Struktur unserer Kultur machen es manchmal sehr schwierig für ‚kleine Leute‘ wie mich, ihre Stimme gegen die Mächtigen zu erheben. 

Meine Familie ist gegen meinen Aktivismus, da er so gefährlich. Es ist gefährlich, sich in der DR Kongo für Klimaschutz einzusetzen und dabei gegen die Politik zu protestieren. Sie sagen, ich riskiere mein Leben für schlechte Politiker:innen. Aber ich will mich auch nach dem Physik-Studium weiter für Klimaschutz einsetzen. Denn es betrifft auch meine Familie. Seit 2018 nehme ich Klimaveränderungen viel stärker wahr als vorher: Damals hatten wir vier Monate lang keinen Regen. Unsere Eltern haben die Felder bepflanzt, aber es wuchs nichts, weil der Regen fehlte. Kein Mais, kein Maniok, kein anderes Gemüse. Einige mussten bis zur nächsten Pflanzzeit warten, andere pflanzten ihre Feldfrüchte in kleinen Töpfen an, wieder andere begannen, ihren Lebensunterhalt durch Fischfang zu verdienen, obwohl der Fluss durch unkontrollierten Bergbau verseucht ist. Ich fragte mich, was los war, las mich ein und erfuhr von den Folgen der Klimakrise – damit begann auch mein Aktivismus. Seitdem beteilige ich mich an Protesten, organisiere diese mit und mache so die Öffentlichkeit auf das Problem aufmerksam. 

In meiner Heimatstadt Bukavu steigen die Temperaturen. In der Nacht lassen wir momentan die Türen offen, weil es so warm ist. Wir warten auf den Regen. Normalerweise hätte er schon Anfang August einsetzen sollen – aber jetzt, Ende August, haben wir noch keinen Regen bekommen. In den vergangenen fünf Monaten gab es außerdem verstärkt Brände. Wir vermuten, dass es verschiedene Ursachen dafür gibt: schlechte elektrische Infrastruktur, die langanhaltende Trockenzeit in Kombination mit sehr hohen Temperaturen und wahrscheinlich auch menschliche Aktivität. Ein kleines Feuer kann schon ausreichen, um viele Häuser und Leben zu zerstören. Eine Tankstelle in Bukavu ist auch abgebrannt, sie war ganz in der Nähe des örtlichen Krankenhauses.  

Die Probleme der Klimakrise werden bei uns noch verstärkt von der Tatsache, dass wir in einem kriegsgeplagten Land leben. Es gibt viele wertvolle Mineralien bei uns: Kupfer, Kobalt, Diamanten. Alles sehr gefragte Ressourcen – und die Quelle vieler Konflikte. Es kommen viele ausländische Firmen in die DR Kongo, sie nehmen uns das Land weg, die Arbeitsbedingungen sind schrecklich. Dadurch entstehen gewaltsame Konflikte innerhalb der Bevölkerung oder mit Nachbarländern. Menschen sterben wegen dieser Konflikte um natürliche Ressourcen.

Zusätzlich richtet die Förderung dieser Rohstoffe auch einen großen Umweltschaden an: Viele der Mineralien werden durch chemische Prozesse gewonnen. Bei vielen dieser Prozesse entsteht giftiges Abwasser. Aber viele Firmen entsorgen dieses Wasser nicht vorschriftsgemäß, sondern leiten es einfach zurück in die Flüsse. So gelangen gefährliche Stoffe in den Wasserkreislauf, Menschen verwenden das Flusswasser oder Wasser aus Seen wie dem Kivu-See zum Kochen – und sie nehmen diese Giftstoffe zu sich. Wir und unsere Kinder werden krank davon, es gibt viele Missbildungen und Krankheiten unter den Kindern. Menschen sterben wegen kontaminierten Wassers. Das ist die Schuld der Firmen und der Politiker:innen, die umweltschädliches Verhalten geschehen lassen. 

Aber es geht nicht nur um Mineralien: In der DR Kongo haben wir die zweitgrößten zusammenhängenden Tropenwälder auf der Welt. Diese werden abgeholzt. Das führt auch dazu, dass sich Krankheiten wie derzeit Affenpocken schneller verbreiten, weil Menschen öfter in Kontakt mit Tieren kommen, die das Virus tragen. Dabei müssen wir Tiere und Ökosysteme unbedingt schützen, das fordern wir Klimaaktivist:innen von der Politik. 

Ich glaube, wir müssen Klima- und Umweltbildung viel stärker in die kongolesischen Bildungspläne einbinden. Es kann nur ein gerechter Wandel stattfinden, wenn schon die Kinder lernen, wie wichtig es ist, das Klima zu schützen. Diesen Wandel braucht es so dringend und in unterschiedlichen Sektoren der Gesellschaft und der Wirtschaft. Wir Klimaaktivist:innen könnten unser Wissen in die Bildungseinrichtungen bringen, wir sprechen die regionalen Sprachen und können so direkt und auf Augenhöhe mit den Schüler:innen kommunizieren – von der Grundschule bis in die Universitäten. So könnten mehr junge Menschen selbst aktiv werden und Wissen in Taten umsetzen. Zum Beispiel verschiedene Techniken, um die Umweltverschmutzung und die Müllproblematik hierzulande in den Griff zu bekommen. Bildung ist der Schlüssel zum Leben. Wir brauchen sie, um uns gegen die Folgen der Klimakrise wappnen zu können.“ 

Mehr Informationen über die Klimakrise in DR Kongo:

Ein Großteil der zweitgrößten Tropenwälder der Welt liegt in der DR Kongo, sie speichern große Mengen CO₂. Auch wenn das Land reich an biologischer Vielfalt und Ressourcen ist, ist es eines der ärmsten der Welt. Die Klimafolgen werden in der DR Kongo wohl zunehmen: Laut Forschung wird ein Temperaturanstieg von drei bis fünf Grad Celsius im nächsten Jahrhundert erwartet. Außerdem soll es mehr Niederschlag geben, gleichzeitig aber auch verstärkt Trockenphasen in der Regenzeit. Diese Veränderungen werden das Leben der Menschen in der DR Kongo stark beeinflussen, da sie große Auswirkungen auf die Hauptwirtschaftssektoren wie Landwirtschaft, Handel und Wasserkraft haben. Die meisten Kongoles:innen leben von der Landwirtschaft, die hauptsächlich regengesteuert ist.  

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