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Klimatagebücher: Wie sich die Klimakrise auf den Wald in Mitteleuropa auswirkt
Die Auswirkungen der Klimakrise bedrohen die Lebensgrundlage von Menschen weltweit. An manchen Orten sind die Folgen schon heute besonders zu spüren. In den Klimatagebüchern berichten Menschen davon, wie sich das Leben in ihren Regionen durch die Klimakrise verändert – auch in Deutschland sind die Auswirkungen immer deutlicher zu spüren.
In der vierten Folge berichtet Franz Riedel, 26, aus Oberfranken davon, welche Schäden die Klimakrise in den deutschen Wäldern anrichtet. Riedel ist Borkenkäfer-Fachkraft bei der Bayerischen Forstverwaltung und kümmert sich um Bäume, die von den Schädlingen befallen sind. Im Fichtelgebirge und in anderen Mittelgebirgen des Landes ist der Borkenkäfer mittlerweile für riesige Rodungen verantwortlich.
„Vor kurzem war ich mit einer Waldbesitzerin unterwegs, einer älteren Dame. Als sie erfahren hat, dass so viele Bäume aus ihrem Wald gefällt werden müssen, hatte sie Tränen in den Augen – sie hatte die Fichten vor vielen Jahren mit ihrem Großvater gepflanzt. Es ist erschreckend zu sehen, wie so ein Reinbestand in Rekordgeschwindigkeit verschwindet. Er wächst hunderte Jahre lang und es braucht nur einen Tag, um ihn zu roden. Es tut extrem weh zu sehen, wie der Wald kaputt geht.
Schädlinge wie den Borkenkäfer gab es schon immer. Aber das, was wir jetzt sowohl hier in Oberfranken als auch in vielen anderen Regionen in Deutschland erleben, ist nicht normal. Angefangen hat die Misere mit einigen Stürmen im Jahr 2018, bei denen viele Bäume umgestürzt sind. Die waren leichte Beute für den Borkenkäfer, denn in diese geschwächten bzw. toten Bäume nistet sich der Käfer mit Vorliebe ein. Er bohrt sich in die Schicht zwischen Rinde und Holz und legt dort seine Eier ab. Daraus schlüpfen dann Larven, die sich in die Rinde fressen. Dabei werden die Leitungsbahnen des Baums für Wasser und Nährstoffe gekappt – der befallene Baum stirbt. Die Hitzesommer von 2018, 2019, 2021 und 2022 und die damit verbundene Trockenheit haben die Wälder zusätzlich belastetet. Hinzu kommt, dass sich Insekten in heißen und trockenen Jahren sehr gut vermehren. Normalerweise gibt es pro Jahr zwei Borkenkäfergenerationen, in den vergangenen Jahren waren es jedoch drei. Er vermehrt sich exponentiell. Bäume, die befallen werden, müssen gefällt werden, und wir müssen schnell sein, weil sie sich rasend schnell ausbreiten. Wir Förster:innen und die Waldarbeiter:innen kommen kaum noch hinterher. Im vergangenen Jahr waren im Fichtelgebirge 155 000 Kubikmeter Holz befallen.
Im Winter sind die Käfer nicht aktiv, weil sie eine Art Winterruhe halten. Das gibt uns Zeit, die befallenen Bäume zu identifizieren, sie zu fällen und aus dem Wald zu bringen. Das Holz ist anschließend noch verwendbar, die Holzqualität ist nur nicht so gut wie von gesunden Bäumen und wird deshalb meistens für Paletten oder Kisten verwendet. Der sogenannte Buchdrucker, die Borkenkäferart, mit der wir es hier zu tun haben, befällt zumeist Fichten. Und im Fichtelgebirge haben wir etwa 90 Prozent Fichtenanteil. Insgesamt ist die Fichte in Deutschland die häufigste Baumart – sie ist zwar heimisch, aber ihre Dominanz wurde künstlich herbeigeführt: Nach dem Zweiten Weltkrieg mussten Reparationen auch in Holzabgaben gezahlt werden. Da Fichten schnell wachsen und gute Holzeigenschaften besitzen, haben die Generationen vor uns dann vorrangig Fichten gepflanzt.
Heute sehen wir solche Reinbestände – so nennen wir in der Forstwirtschaft Monokulturen – sehr kritisch. Denn wenn eine Baumart im Wald ausfällt, zum Beispiel durch Schädlingsbefall, dann wird es sehr schwierig, einen gesunden Wald zu erhalten. Man kann den Generationen vor uns hier aber kaum einen Vorwurf machen, denn sie haben nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt.
In den 1980ern gab es bereits ein Waldsterben durch den sauren Regen. Damals konnte man Filter in Kohlekraftwerke einbauen, damit sie nicht so viele Schadstoffe ausstießen. Eine so einfache Lösung gibt es bei der Klimakrise nicht. Wenn irgendwo ein Land CO₂ ausstößt, dann hat das auch bei uns Auswirkungen, es ist ein globales Problem. Deswegen braucht es dringend bindende Verträge. Um die Wälder hier besser gegen Hitze und Trockenheit zu rüsten, empfehlen wir von der Bayerischen Forstverwaltung den Waldbesitzer:innen, neben einheimischen Arten auch verschiedene besonders trockentolerante Baumarten zu pflanzen. Das sind Arten wie Douglasien aus Nordamerika oder Bäume aus dem Mittelmeerraum, etwa Esskastanien oder Libanonzedern. Unser Ziel ist es, gesunde und klimaangepasste Mischwälder anzulegen. Ob diese Form der Wiederbewaldung letztendlich umgesetzt wird, hängt immer von den Waldbesitzer:innen ab. Aber ich erlebe sehr oft, dass die Klimakrise die Waldbesitzer:innen zum Umdenken bewegt.
Es sind schwierige Zeiten, ich habe noch Jahrzehnte im Wald vor mir – ich fürchte, dass wir aus dem Krisenmodus, in dem wir uns derzeit befinden, nicht mehr rauskommen. Wir stehen gerade noch am Anfang der Klimakrise und ich weiß nicht, was da noch auf uns zukommen wird. Extremereignisse werden sich häufen und stärker ausfallen. Die Trockenheit sehe ich wirklich als größtes Problem. Aber ich finde, man darf den Optimismus und die Zuversicht nicht verlieren. Ich will dafür sorgen, dass die Generationen nach uns auch noch in den Wald gehen können. Ich bin nicht Förster geworden, weil ich auf kalte Zehen im Winter stehe. Sondern weil ich etwas weitergeben möchte.“
Mehr Informationen zu den Auswirkungen der Klimakrise auf den Wald
Wälder sind wichtig für das Weltklima, da sie Sauerstoff bilden, CO₂ binden und den Wasserkreislauf mitbestimmen. Deutsche Wälder leiden unter der Klimakrise, da die Trockenheit ihnen zusetzt, was Schädlinge wie den Borkenkäfer begünstigt. Zusätzlich wurden in der deutschen Forstwirtschaft schon seit 200 Jahren vermehrt Fichten angepflanzt, obwohl hierzulande eigentlich Laubmischwälder dominierten. Seit 1881 erhöhte sich in Deutschland die durchschnittliche Jahrestemperatur durch den menschengemachten Klimawandel bereits um 1,5 Grad Celsius – 0,5 Grad Celsius mehr als im globalen Durchschnitt. Durch die Klimakrise nehmen Wetterextreme wie starke Trockenperioden, Hitze und Stürme zu, die sich auch auf den Wald negativ auswirken. Von 2018 bis 2021 sind mehr als 500 000 Hektar Wald abgestorben – dieser Verlust entspricht etwa fünf Prozent der deutschen Waldfläche.