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Klimatagebücher: Wie sich die Klimakrise auf Bangladesch auswirkt
Die Auswirkungen der Klimakrise bedrohen die Lebensgrundlage von Menschen weltweit. An manchen Orten sind die Folgen schon heute besonders zu spüren. In den Klimatagebüchern berichten Menschen davon, wie sich das Leben in ihren Regionen durch die Klimakrise verändert.
In der achten Folge berichtet Farzana Faruk Jhumu, 24, aus Bangladesch, wie ihre Familie von der Klimakrise betroffen ist und warum es wichtig ist, Kinder und Jugendliche bei ihrem Engagement zu unterstützen.
„In Bangladesch haben wir unterschiedliche klimabedingte Probleme: Im Süden sind der Meeresspiegelanstieg und die Versalzung der Böden die größten Probleme. Das trifft besonders die Frauen. Denn sie sind für das Wasserholen zuständig. Viele laufen mehrere Stunden am Tag, um Trinkwasser zu finden. Wie viel ihre Familien zu trinken bekommen, hängt davon ab, wie viel sie tragen können. Oft trinken sie selbst am wenigsten, damit der Rest der Familie genug hat. Das wirkt sich negativ auf ihre Gesundheit aus. Aufgrund der versalzenen Böden können viele zudem ihre Felder nicht mehr bestellen und ihre Nahrungssicherheit ist gefährdet. Deswegen gehen in vielen Familien die Väter zum Arbeiten in die Städte, während die Frauen mit den Kindern zurückbleiben. Der Wassermangel ist auch in anderer Hinsicht ein Dauerproblem. So kommt es im Süden von Bangladesch immer wieder zu Stürmen und Überflutungen. Dadurch breiten sich Krankheiten aus, die durch Wasser übertragen werden, etwa Cholera. Im Norden von Bangladesch ist hingegen das größte Problem die Dürre. Die Felder vertrocknen. In der Regenzeit können die ausgedörrten Böden das Wasser dadurch nicht aufnehmen und es kommt zu Überflutungen. Die Menschen dort leiden also doppelt.
Meine Familie und ich leben im Zentrum des Landes, in der Hauptstadt Dhaka. Hier wohnen sehr viele Menschen, die ihre Heimat verlassen mussten, auf sehr engem Raum, viele in prekären Situationen, auch in den Slums herrscht Wasserknappheit. In Dhaka ist durch Verkehr und Müll die Luftverschmutzung riesig, das spüre ich am eigenen Leib: In meiner Familie haben vier von fünf Personen Atemwegserkrankungen, meine Mutter und meine Schwester leiden unter Asthma.
All diese Probleme sind real. Ich habe Frauen getroffen, die zwei Stunden zum Wasserholen laufen müssen. Sie wissen wahrscheinlich nichts von der Klimakrise oder dass es Klimakonferenzen gibt. Sie wissen nur, dass sie sehr lange laufen müssen und dass sie am wenigsten Trinkwasser abbekommen. Sie wünschen sich nur ein gutes Leben. Das ist so frustrierend: Diese Menschen haben nichts zur Klimakrise beigetragen, das waren die Länder, die so viele fossile Brennstoffe verbrennen. Das ist unfair.
Als ich 2018 mit Freund:innen anfing, ehrenamtlich in den Slums von Dhaka Kindern Unterricht zu geben, merkten wir schnell, wie viele Familien aufgrund der Klimakrise ihr Zuhause auf dem Land verlassen mussten. Ihre Dörfer wurden überflutet oder von Stürmen verwüstet, ihre Ernten vertrockneten. In der Stadt hoffen sie auf ein besseres Leben, enden aber im Slum. Als ich das verstand, beschäftigte ich mich intensiver mit dem globalen Klimawandel. Schnell wurde mir klar, dass es um mehr geht als um klimafreundliches Handeln im Alltag. Es geht auch darum, wie die Klimakrise mit großen Unternehmen zusammenhängt.
2007 gab es einen Mega-Zyklon in Bangladesch, der zwar Dhaka nicht direkt betraf, dennoch fiel bei uns der Strom aus. Ich war damals noch ein kleines Kind und ich erinnere mich noch genau an die Angst, die ich hatte. Doch bis heute, 16 Jahre später, hat sich für die vom Sturm vertriebenen Familien immer noch nichts geändert. Denn wenn man im eigenen Land zum Geflüchteten wird, bekommt man keinen Flüchtlingsstatus – und somit auch keine Unterstützung vom Staat.
In Bangladesch ist mehr als die Hälfte der Bevölkerung unter 35 Jahre alt. Ich bin überzeugt: Kinder und junge Menschen können viel verändern. Dafür braucht es aber demokratische Prozesse, Kampagnen und politisches Engagement. Nicht alle jungen Menschen haben die gleichen Möglichkeiten, viele sind weniger privilegiert als andere. Ich sehe es daher als meine Verantwortung, diese jungen Menschen zu unterstützen und sie auf lokaler Ebene zu empowern. Ich will sie allerdings nicht mit Informationen überschütten, die sie nicht verstehen. Deshalb versuche ich in meinen Workshops, alles auf ihre Umgebung herunterzubrechen und einen Austausch von lokalem Wissen zu ermöglichen. Es ist mir wichtig, ihnen klarzumachen: Ihr seid nicht schuld am Zustand der Welt. Außerdem macht die Arbeit wirklich Spaß. Das ist ein wichtiger Punkt, wenn man sich für die Umwelt einsetzt: Es darf Spaß machen!
Im Internet verband ich mich mit MAPA auf der ganzen Welt – MAPA steht für „Most Affected People and Areas“. Gemeinsam arbeiten wir daran, die Narrative rund um die Klimakrise zu verändern. Wir wollen mitbestimmen, wie wir gesehen und in der Klimabewegung repräsentiert werden. Wir befinden uns vielleicht alle im selben Sturm – aber wir sitzen in unterschiedlichen Booten. Die Klimakrise ist kein schreckliches Zukunftsszenario, sondern wir erleben sie jetzt. Es geht hier nicht um Menschen, die ein bisschen über ihre Gefühle sprechen. Sie sprechen über ihre Lebensrealität.
Wir müssen nicht nur Lösungen für 2070 finden, sondern heute jene Personen adressieren, die für all das verantwortlich sind. Und sie dazu bringen, für den Schaden zu zahlen. Sie müssen verstehen, was sie anrichten und damit aufhören. Bangladesch ist eines der wenigen Länder, die schon eine Entwicklungsstrategie bis 2100 haben – aber wie kann es sein, dass auch hier noch immer in Kohle investiert wird? Warum nimmt die Regierung weiterhin Menschen und Gemeinden ihre Flüsse weg, nur um Energieunabhängigkeit zu erlangen? Wenn wir die Klimakrise abdämpfen wollen, dann geht das nur nachhaltig und mithilfe von erneuerbaren Energien. Wir müssen langfristig vorausdenken und planen. Wir sollten außerdem nicht mehr in Ländergrenzen denken, denn auch wenn die Probleme überall unterschiedlich sind – die Wurzel des Problems ist überall dieselbe.“
Mehr Informationen zu den Auswirkungen der Klimakrise auf Bangladesch:
Bangladesch ist eines der Länder, das am stärksten durch die Klimakrise gefährdet ist: Schon jetzt gehen Schätzungen davon aus, dass mindestens sechs Millionen Menschen durch klimabedingte Katastrophen und veränderte klimatische Bedingungen aus ihren Heimatorten vertrieben wurden. In der Zukunft werden die Auslöser für Binnen-Klimaflucht – wie etwa Stürme, Überflutungen, Versalzung, Trockenheit – dort sehr wahrscheinlich zunehmen. Dabei trägt Bangladesch trägt nur zu 0,4 Prozent zu den globalen Treibhausgasen bei.