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Die Typologie der Wahlplakat-Beschädigung

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Die Farbbomber

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Das tun sie: Wie der Name schon sagt: Mit Farbbomben gezielt Plakate abwerfen. Je bunter, desto besser.

In dieser Situation werden sie aktiv: Farbbomber sind meist gut organisiert und planen ihre Aktionen im Voraus. Sie ziehen erst im Schutz der Nacht los und agieren dann meistens in Grüppchen: Einer hält die Tasche mit den Beuteln, einer wirft und einer steht Schmiere.

Typischer Satz, wenn sie erwischt werden: Gar keiner. Beim Wegrennen redet es sich nämlich eher schlecht.

Das wählen sie insgeheim: Meistens sind sie Mitglied einer Partei-Jugendorganisation, die allem, was nach rechtsaußen riecht, eine Kampfansage macht. Deshalb will da auch niemand so richtig den Wahlplakat-Vandalismus verurteilen. "Freie Meinungsäußerung und Parteienvielfalt sind nämlich ein Grundrecht in jeder Demokratie". Schon klar.

Beliebtestes Opfer: Alle Parteien mit "Heimat"- oder anderweitig nationalistisch-angehauchten Worten im Slogan. Deshalb hängen die ihre Plakate mittlerweile auch höher -  wobei das natürlich nur noch mehr am Ehrgeiz der Farbbomber rüttelt.

Die Bärtchen-Maler 

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Das tun sie: Ein Plakat hängt noch unverschmiert bis kurz vor der Wahl einfach so rum? Spätestens die Bärtchen-Maler werden es kriegen! Schnurrbart, Hitler-Balken oder zumindest ein schwarzer Schneidezahn gehören dabei zum Standard-Repertoire. War besonders viel Zeit zum Malen, vielleicht auch ein Penis.

In dieser Situation werden sie aktiv: Bärtchen-Maler sind dauereinsatzbereit. Erst wenn jedes Plakat ihre persönliche Note trägt, sind sie zufrieden. Also noch viel zu tun bis zur Bundestagswahl.

Das sagen sie, wenn sie erwischt werden: "Das war ich nicht, das war schon so!"

Das wählen sie insgeheim: Jeder kennt das Verlangen, einem Wahlplakat einen kleinen Schnäuzer zu verpassen. Dementsprechend decken Bärtchen-Maler das gesamte politische Spektrum ab.

Beliebtestes Opfer: Irrelevant. Hauptsache ein Plakat mit Foto.

 

Die Klauböcke

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Das tun sie: Im Gegensatz zu den anderen Vandalen erfüllen sie eher den Tatbestand des Kidnappings als der Sachbeschädigung. Denn anstatt Wahlwerbung zu "verschönern", nehmen sie einfach direkt das ganze Plakat mit, manchmal sogar inklusive Kabelbinder und Pfeiler.

 

In dieser Situation werden sie aktiv: Plakat-Kidnapping geschieht zumeist unter starkem Alkoholeinfluss, Plakate in Provinzen mit vielen Schützen- oder Volksfesten sind somit besonders gefährdet. Die Täter fühlen sich zumeist auf irgendeine Art und Weise von dem Plakat angezogen oder abgestoßen. Einzige Lösung: Das Ding muss weg!

 

Typischer Satz, wenn sie erwischt werden: "Mama, ich weiß auch nicht, wie das in mein Zimmer kommt!"

 

Das wählen sie insgeheim: Gar nicht. Die meisten Plakatdiebe haben entweder noch nicht die Volljährigkeit erreicht oder sie haben die Öffnungszeiten des Wahllokals verschlafen. Ist ja auch fies, dass Wahlen immer sonntags sind und die bekanntermaßen auf die Samstagabende mit den Schützenfesten folgen.

 

Beliebtestes Opfer: Spitzenpolitiker der FDP. Die sind nämlich entweder besonders skurril weichgezeichnet oder gucken pseudo-wichtig. Da hat man zumindest immer was zu kichern, wenn sie einen täglich aus der hintersten Zimmerecke anstarren.

 

Die Wortspieler

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Das tun sie: Aus Slogangs wie "gemeinsam erfolgreich" wird durch Übermalen und Ausreißen "einsam reich", die "Zensursula" liegt auch als Sticker in ihren Taschen bereit. Und wenn sich aus dem öden Plakat so gar kein Wortspiel formen lässt, geht immer noch ein platter Frustrationskommentar: Einfach mal unter den Spruch "Starke Wirtschaft!" ein "auf Kosten Anderer!" mit Edding schreiben. Das "A" in "Anderer" dann aber bitte als Anarchiezeichnen.

 

In dieser Situation werden sie aktiv: Die Wortspieler sind meistens zumindest vordergründig politsche Menschen. Sie wollen nicht nur beschmieren sondern auch provozieren. Dementsprechend agieren sie tagsüber in aller Öffentlichkeit nach dem Motto "Ich habe ein Recht auf freie Meinungsäußerung!". Ihre Verewigungen an den Wahlplakaten sind dementsprechend auch kein Gekritzel sondern "Tags".

 

Typischer Satz, wenn sie erwischt werden: "Scheiß Bullenstaat!". Manchmal schmieren sie dann später noch ein ACAB auf das nächste Merkel-Plakat.

 

Das wählen sie insgeheim: Kleine sozialistische Parteien, die niemals das Licht der fünf-Prozenthürde erblicken. Oder die Linkspartei.

 

Beliebtestes Opfer: CDU-Plakate. Da ist meistens auch noch viel Platz für eigene Ideen.

 

Die Korrekten

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Das tun sie: Anderen sagen, wie pubertär und sinnlos es doch ist, Wahlplakate zu beschmieren.

 

In dieser Situation werden sie aktiv: Gar nicht. Ein paar Mutige schauen vielleicht anderen beim Vandalismus zu. Aber natürlich mit einem Lächeln voller Verachtung. Das sagen sie, wenn andere erwischt werden: "Geschieht euch recht! Schließlich wird Wahlwerbung aus den Steuergeldern der ehrlichen Bürger bezahlt!"

 

Das wählen sie insgeheim: Das weiß keiner. "Es gibt ja nicht umsonst ein Wahlgeheimnis in Deutschland, nicht wahr?"

 

Beliebtestes Opfer: Sie selbst. Wer stets andere kritisert, darf sich nicht wundern, wenn er nach der nächsten Party selbst mit einem Penis im Gesicht aufwacht.

 

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