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„Was guckst du so, Denis Moschitto?“

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jetzt.de: Denis, wenn du das aktuelle deutsche Fernsehprogramm in einem Satz zusammenfassen solltest, wie würde der lauten?
Denis Moschitto: Oh, da müsste ich sehr vorsichtig sein, um nicht zu ausfallend zu werden (lacht). Ich schaue wirklich sehr wenig bis gar kein Fernsehen, weil ich es stellenweise unerträglich finde. Mir kommt Fernsehen manchmal vor wie die Werbebeilage eines Wochenendmagazins, das keiner liest.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Ab Donnerstag ist Denis einmal wöchentlich im Gefängnis zu sehen: auf ZDFneo in der Sitcom "Im Knast".

Auch keine Lust aufs Öffentlich-Rechtliche?
Das öffentlich-rechtliche Fernsehen wird sehr geprügelt, wegen der GEZ-Gebühren. Ich habe aber das Gefühl, dass dort immer noch das beste Programm zu finden ist. Dort wird weiterhin gute journalistische Arbeit gemacht, genau wie bei Arte und 3sat, die ich total toll finde. Der Rest interessiert mich eigentlich nicht.

Weißt du denn, wie es so schlecht wurde?
Schwierig zu sagen, denn das Fernsehen ist ja längst ein bunter Strauß aus Problemen. Zum einen sitzen viele Leute in Entscheidungspositionen, bei denen ich mich frage: Wie um Himmels Willen seid ihr in diese Berufe geraten? Ich spreche da schlichtweg von Inkompetenz.

Gibt’s denn auch irgendetwas, wofür du doch noch gerne den Fernseher einschaltest?
Regelmäßig gucke ich nichts. Das liegt aber auch daran, dass ich kaum „live“ fernsehe. Eher schaue ich mir mal später etwas im Netz an, in den Mediatheken. Selbst das „Neo Magazin“ habe ich noch nie geguckt, wenn es im Fernsehen kam. Das wiederum – und generell Jan Böhmermann, der ja eine Entwicklung in Sachen Fernsehunterhaltung angestoßen hat –  finde ich super.

Du selbst bist ab Donnerstag wieder im Fernsehen: In der Sitcom „Im Knast“ auf ZDFneo spielst du Erdem, einen kleinkriminellen Deutsch-Türken. Du hast mal gesagt, du hättest dir am Anfang deiner Schauspielkarriere deinen „Asi-Sprech aus Köln-Bickendorf“ mühsam abtrainiert. War die Arbeit an „Im Knast“ nun wie eine Reise in die Vergangenheit?
Das wäre etwas zu viel gesagt. Ich hatte damals diesen klassischen „Sch“-und-„Ch“-Fehler, den ja viele junge Leute haben und pflegen. Und zugegeben, ich hatte auch eine etwas ungehobelte Art, mich auszudrücken. Aber Erdem macht schon noch weit mehr als das. Er ist ein kleiner Dummkopf, hat aber ein großes Herz.

Er ist zu lieb und nett, um der harte Gangster sein zu können, der er gerne wäre. Kennst du das Phänomen aus eigener Erfahrung?
Ja, das ist schon ein bisschen meine persönliche Geschichte. Ich war früher eigentlich auch nie hart genug, um bei den Spielchen der großen Jungs mitspielen zu können. Ich habe allerdings auch gemerkt, dass viele Menschen, die man vordergründig als gefährlich einstufen möchte, an sich von Grund auf sympathisch sind.

Hast du ein Beispiel?
In Berliner HipHop-Kreisen erlebt man das immer wieder. Das sind alles sehr herzliche Menschen.

Man wundert sich ein bisschen, dass du die Rolle des Erdem spielst. Schließlich wolltest du, wie du es nanntest, „nie mehr der ‚Migrantenhans’ sein.“
Erdem ist in meinen Augen nicht der typische „Migrantenhans“. Es wird auch nie wirklich thematisiert, dass er Türke ist. Ich habe grundsätzlich auch nur dann Probleme mit einer Rolle in deutschen Filmen, wenn ich jemanden spielen soll, dessen Migration als Problem dargestellt wird. Das gibt es ja immer wieder zu sehen: Ständig müssen im Film türkische Jungs ihre Schwestern verheiraten. Das ist das eine Extrem. Das andere ist, wenn Migranten im Film plötzlich deutscher sind als jeder Deutsche und nur noch Kartoffeln essen und solche Sachen. Das ist doch grotesk und schießt komplett an der Realität vorbei.

Erdems einzige negative Seite ist seine Kleinkriminalität: Autodiebstahl und Alkohol am Steuer. Durch seine Taten erhofft er sich, ein „richtiger Knast-Mann“ zu werden. Bist du als Jugendlicher selbst mal, sagen wir: unangenehm aufgefallen?
Zunächst mal bin ich sehr behütet aufgewachsen. Meine Eltern haben sich immer sehr um meine Schwester und mich gesorgt. Ich bin eben nur in einem Stadtteil groß geworden, in dem es auch mal ruppig zu gehen konnte. Dort musste man sich erstmal positionieren. Und aufgrund meiner Statur – ich bin ja nicht gerade der Größte oder der Breiteste -, hatten sich gewisse Rollen automatisch erledigt. Ich habe damals einfach nur aufgepasst, dass ich durch diese Zeit irgendwie durchkomme, ohne auf die Fresse zu bekommen. Und das ist mir, denke ich, auch ganz gut gelungen.

Was hat dir beim „Durchkommen“ geholfen? Cleverness?
Als clever würde ich mich im Nachhinein nicht unbedingt bezeichnen. Ich habe damals schon auch den einen oder anderen Blödsinn gemacht.

Welche Art von Blödsinn?
(lacht) Diebstahl war tatsächlich nie dabei. Es gab aber eine Phase, in der ich ein bisschen randaliert habe. Wir haben einfach auf der Straße abgehangen und dort rumgepöbelt.

Und was hat dich vor Schlimmerem bewahrt?
Was mich vielleicht gerettet hat, war meine Angst vor Gewalt. Es gab Leute, die sich sehr über Gewalt profiliert und darin ihre Identität gesucht haben. Ich fand das immer nur abstoßend. Ich hatte nie Freude daran, mich zu prügeln, hätte auch niemandem ins Gesicht schlagen können. Und meine Schwester war damals auch sehr hilfreich für mich.


Text: erik-brandt-hoege - Foto: ZDF/Stefan Erhard

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