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Wird Korn der neue Gin?

Lightfox / photocase.com - Illustration: Federico Delfrati

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Es muss so in etwa zwei Jahre her sein, als mein bester Freund und ich vor dem Schaufenster eines super hippen Ladens in Köln stehen und er auf einen Gin „Made in Köln“ zeigt. „Weißt du Lena, ich möchte auch so etwas machen“, sagt Johann damals zu mir. Ich: „Hä, warum solltest du Gin machen?“ Die Idee, zwischen all den Siegfrieds, Sünners, Van Laaks und wie die regionalen Kölner Gins alle heißen, ein weiteres Produkt zu platzieren, erscheint mir äußerst dämlich. Und außerdem: Johann hat einen guten Job. Warum sollte er den aufgeben?  

„Aber Lena, keinen Gin – ich will Korn herstellen!“, sagt Johann. „Was aus unserer Heimat. So wie bei Craft Beer, da geht’s ja auch um Regionalität.“ Auf die Idee kam er gemeinsam mit seiner Schwester Anka und seinem Kumpel Lars – beim Feiern. Johann ist überzeugt: „So ein regionaler Schnaps, der könnte richtig einschlagen.“ Für mich klingt das nach einer, höhö, Schnapsidee: zu viel Aufwand und ein unkalkulierbares Risiko.

Einzig und allein der Preis von Korn, immerhin nur halb so teuer wie Wodka, sprach jemals für das Getränk. Und jetzt soll das hip sein?

Aber Johann ist angefixt. Er will mich überzeugen, dass Korn seinen schlechten Ruf nicht verdient. Also gehen wir in die Kneipe gegenüber. „Herrengedeck“ heißt das Zauberwort, und schon bei dem Gedanken an diesen so beißend riechenden Alkohol mit der komischen Strohnote wird mir ein bisschen schlecht.  Weil Korn mich stets an sehr dumme, alkoholgeschwängerte Nächte aus meiner Teenie-Jugend erinnert. An Dorfpartys, auf denen ich den Deich runter gekullert bin, und an alte Männer, die im einzigen Bistro im Ort den ganzen Abend an der Theke hangen und den Spitznamen „Körnchen“ trugen. Einzig und allein der Preis von Korn – nur halb so teuer wie Wodka – sprach damals für das Getränk. Deshalb mochten ihn wohl auch die Dorfrentner, meist sozial schwache Alkoholliebhaber, und Teenager so gern. Und jetzt soll das also hip sein?

In der Kölner Kneipe muss das Zeug erstmal runter. Nach drei Bier und drei Korn liege ich schon fast unterm Tisch, als ich noch einen Doppelten hingestellt bekomme – weil es „so schön“ war. Mittlerweile bin ich mir sicher, dass Johann echt einen Schuss weg haben muss. Er hingegen redet die ganze Zeit von der Hochwertigkeit von Korn: „Korn hat ein Reinheitsgebot, darf nur in Deutschland hergestellt werden und ist einer der ältesten Schnäpse ‚Made in Germany‘. Weder Gin noch Wodka können das von sich behaupten.“ Außerdem könne Gin überall in der Welt gebrannt werden, deshalb gäbe es davon mittlerweile ja auch so viele Variationen. „Und was ist mit Wodka“, frage ich schon leicht lallend.  Der Barkeeper mischt sich in unser Gespräch ein: „Wodka wird in der Regel totdestillert und hat deshalb keinen eigenen Geschmack mehr. Guter Korn, der aus Weizen gebrannt wird, schmeckt hingegen angenehm malzig.“ Deswegen erfülle Wodka zwar den Zweck, betrunken zu werden, aber „ohne geschmacklichen Mehrwert.“ Aha. Dass betrunken werden mit Korn ebenfalls klappt, merke ich mittlerweile zu gut.

"Niemand rechnet mit Korn. Er hat diesen Underdog Status", sagt NORK-Gründer Johann

Am nächsten Morgen, mit überraschend leichtem Kopf, muss ich Johann nochmal nach seiner Idee fragen. Ist das vielleicht nur so eine Phase? Wie damals mit dem Gin?  Denn tatsächlich ging es Johann früher, als er vor acht Jahren noch mein Mitbewohner war, stets nur darum, immer eine Flasche Gin und genug Tonic im Eisfach zu haben. Soll Korn jetzt sein neuer Gin sein? „Gin ist inzwischen echt langweilig geworden. Korn dagegen ist tatsächlich etwas Besonderes. Niemand rechnet mit Korn, er hat diesen Underdog-Status. Wenn unser Korn auch noch schön präsentiert wird, in einer schicken Glasflasche mit einem stylischen Logo, können wir unsere Heimat in die angesagtesten Bars bringen“, sagt Johann.  

Damals hätte ich nie gedacht, dass er damit Recht haben könne. Mittlerweile ist 2017, Johanns Idee ist tatsächlich zu einem kleinen, aber florierenden Geschäft der Korn-Marke NORK geworden. Zunächst war die einmalige Produktion von 300 Flaschen geplant, mittlerweile wurden 600 Flaschen verkauft, die Produktion ist nach oben unbegrenzt offen. „Warum Doppelkorn der bessere Wodka ist“, schreibt das Magazin Der Stern über meinen Freund Johann und ich frage mich, ob das alles wahr sein kann. Aber irgendwie ist es auch logisch. Retro zieht halt, Regionales auch, und ein Gefühl von "handgemacht mit Liebe und Begeisterung" muss das Produkt vermitteln. Getränke wie Gin sind so zum Distinktionsmerkmal geworden: Wenn man keine Allerweltsmarke im Schrank hat, sondern den einen Gin von der kleinen Brennerei von zwei jungen Bartträgern mit Holzfällerhemd, deren Grafikerkumpel ein sehr schönes Logo entworfen hat. Das gefällt jungen Großstädtern, die den bunten Oversize-Strickpulli ihres Daddys anhaben und regionales Bio-Gemüse im Tante Emma Laden kaufen – und dazu einen schön präsentierten „vintage“ Korn – gerne auch ein bisschen ironisch.

Meinem Vater gefällt der neue Trend zum Korn ebenfalls. Am Silvesterabend wollen wir uns genau mit jenem Korn vom Jahr 2016 verabschieden, den Johann mir damals vor zwei Jahren in Köln so schmackhaft machen wollte. Die klare Flüssigkeit in meinem Glas kommt aus einer Flasche mit  schwarz-weißem, cleanem Etikett mit einer Getreideähre und Holzverschluss. „Hamburg ♥ Bremen am Tresen vereint“, steht darauf. „Willkommen 2017 und Goodbye 2016“, sage ich und stoße mit meinem Vater an.

Ich bin überrascht, denn so schlimm wie ich ihn von der Kneipentour von zwei Jahren in Erinnerung hatte, schmeckt dieser Korn im ersten Moment absolut nicht. Es ist ein fast milder Schnaps, mit einem leicht süßlichen Weizengeschmack. Der Abgang hingegen ist jedoch so unglaublich stark, dass die Hitze des Alkohols mir den Hals hoch und bis hin zu den Ohren brennt. Pur gab es Korn daher bei der ostfriesischen Omi nicht, sondern schön gemischt mit Apfelsaft. Meine Freunde experimentierten dann mit Fanta- und Sprite-Korn. Am beliebtesten blieb aber immer noch, die Chemiebombe, Korn mit Brausepulver. Ich verdränge diese Erinnerung schnell.

Aber kann dieses Getränk wirklich der Gin-Nachfolger werden? Johann ist davon überzeugt. Noch ist er mit seinem Korn fast alleine auf dem Edelkorn-Markt. Als nächstes wird in die ganze Republik expandiert. Im Süden ist die Korn-mit-Apfelsaft-Mischung noch unberührt. Und gerade deswegen kann sich für Süddeutsche ein ganz neues Geschmackerlebnis ergeben. Aufgepasst Obstler, – jetzt kommt Korn!

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