Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

„Wie zur Hölle gratuliert man seiner Ex-Freundin zum Geburtstag?“

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

Eine Trennung ist wie der Tod eines geliebten Menschen, sagen die einen. Eine Trennung ist wie ein Wiedergeburt, die anderen. Unserem Autor ist nur eins klar: Seine aktuelle Trennung ist weder das eine noch das andere, sondern einfach das überfordernste Gefühl, das ihm in seinen 25 Lebensjahren widerfahren ist. Also schreibt er darüber. Soll ja angeblich helfen.

Heute hat sie Geburtstag. Das hatte sich ja angebahnt. Wie ein Zahnarzttermin, den man am Anfang des Monats schon bedrohlich am Ende desselben herumlungern sieht. Nicht, dass ich den Tag der Geburt meiner Ex-Freundin mit einer Wurzelbehandlung vergleichen will, aber darauf gefreut habe ich mich jetzt auch nicht gerade.

Denn es gibt einfach Tage, an denen die Narben einer Trennung schlimmer schmerzen als sonst. Darunter die Klassiker: christliche Feiertage und Jahreswechsel, aber eben auch die jeweiligen Geburtstage. Sich jährende erste und letzte Tage einer vergangenen Beziehung können ebenfalls wehtun – vor allem, wenn man, wie ich, ein Faible für solche Kalenderspielereien besitzt. Aber selbst die absurdesten Momente können rückblickend zu Gedenktagen erklärt werden. Der blöde Super Bowl zum Beispiel, weil man ihn doch immer zusammen geschaut hat. Oder der erste Schnee, bei dem man sich immer im gemeinsamen Lieblingskaffee auf eine heiße Schokolade getroffen hat.

Die ganze Woche über bin ich immer wieder auf diesen Tag hingewiesen worden

Lisas Geburtstag vor zwei Jahren war der inoffizielle Start unserer Beziehung. Noch im vergangenen Jahr habe ich meiner Ex – laut ihrer eigenen Aussage – das „wahrscheinlich beste, liebevollste und aufmerksamste Geschenk ihres Lebens“ gemacht. Ein paar Monate zuvor waren wir in Budapest auf ein Konzert gegangen. Am nächsten Tag hatte sie in einem Second-Hand-Laden eine Lederjacke entdeckt, wie für sie gemacht. Leider etwas teuer, also beschloss sie, noch mal drüber zu schlafen, wir kämen ja eh noch mal vorbei. Kamen wir natürlich nicht. Von da an hatte ich zwischen Cafehäusern und Bierchen an Donau öfter mal den Satz gehört: „Verdammt, ich hätte sie nehmen sollen!“ In unserer letzten Nacht bin ich dann mit ein paar Freunden „Essen holen gegangen“. Während die Jungs wirklich zum Thailänder um die Ecke gegangen sind, bin ich durch die halbe Stadt geirrt, habe die Jacke gefunden und sie mit dem Take-Out wieder nach oben geschmuggelt. An ihrem Geburtstag wartete die Jacke dann mit einer Rose am Revers hinter unserer Bar auf sie. Zugegeben, die Rose war ein wenig drüber, aber ansonsten: nicht schlecht, oder?

Heute sitze ich an Lisas Geburtstag in einem Zug nach Nürnberg und starre seit 20 Minuten auf unser Chatfenster in meinem Handy. Wie zur Hölle gratuliert man seiner Ex-Freundin zum Geburtstag? Dabei hätte ich ja genug Zeit gehabt, mich auf diese Frage vorzubereiten. Die ganze Woche über war ich auch von außen immer wieder auf diesen Tag hingewiesen worden. Ein gemeinsamer Freund erzählte mir zum Beispiel beim Spazierengehen, dass sie am Donnerstag in unserer Stammbar feiern würde und er nicht wisse, ob er hingehen solle. „Ich bitte dich, wegen mir doch nicht – geh!“, antwortete ich natürlich.  Ein anderer, verpeilter Freund fragte wiederum in unserem Gruppenchat nach, wann wir denn jetzt alle zu Lisa gehen würden. Dafür erntete er nur nur Augenroller-Emojis und Äffchen mit Händen vor den Augen. Gestern Abend erinnerte mich mein gewissenhaftes Handy dann auch noch freundlich an den Termin. Als ob ich dieses Datum jemals vergessen würde.

Dabei ist das Datum selbst gar nicht mal so wichtig. Klar, Weihnachten, Ostern, der Jahrestag 2018: Das alles sieht momentan für mich wie die cheesy, rosa eingefärbte Rückblende aus einer Rom-Com aus. Aber allgemein geht es bei den Daten eigentlich um ritualisierte Momente – egal ob durch gesellschaftliche Norm oder eigenes Zutun. An diesen Tagen ist das verdammte Wurmloch in die gemeinsame Vergangenheit besonders durchlässig. Man erinnert sich besonders stark daran, was man zusammen erlebt hat. Man bemerkt umso deutlicher, wie anders nun alles ist, wo die andere Person nicht mehr da ist. Und wie soll man jetzt damit umgehen, wo man doch – mit einem Empathielevel nahe der Telepathie – genau zu wissen glaubte, wie es dem anderen geht und was er gerade erlebt.

„Alles Liebe!“ Mit oder ohne Kusssmiley?

Auf ihrem Handy ist bisher jedenfalls noch keine Nachricht mit meinem Absender eingetrudelt. Die hängt nämlich immer noch in meinem Gerät fest. „Alles Liebe!“ Mit oder ohne Kusssmiley? Ist wohl beides zu viel. Liebe eh. Vielleicht doch anrufen? Zu früh. Aber „Alles Gute!“? Da kann ich ihr auch gleich einen automatisierten Gruß auf die Facebook-Pinnwand posten. Dann also doch einen Smiley dahinter, aber keinen von den gelben – die hat sie immer gehasst, genau wie übertriebenen Emoticon-Gebrauch im Allgemeinen. Entweder ‚:)’ oder ‚;)’? Zwinkern wirkt so aufgesetzt, es gibt nichts zu zwinkern im Moment. Also schreibe ich. „Alles Gute! :)“ … Senden … Was wohl die Menschen mit den wirklichen Problemen gerade so machen?

Trotzdem macht sich nach dem Absenden eine ähnlich große Erleichterung in mir breit wie damals in dem kleinen Second-Hand-Laden in Budapest, als die Jacke noch da war. Die Absurdität meiner Reaktion fällt mir ähnlich schnell auf, wie die Zweifel zurückkommen. Wäre nicht vielleicht doch eine Karte angemessener gewesen? Andererseits hat sie mich verlassen, also alles gut. Wobei: Wenn ich jetzt umkehre schaffe ich es vielleicht doch noch spontan zurück nach München und kann so zu späterer Stunde in unsere Bar einlaufen?

Auf dem Handy leuchtet ein „Dankeschön!“ auf. Das ging verhältnismäßig schnell, vielleicht hat sie ein bisschen darauf gewartet. „Feier heute übrigens in unserer Bar. Wusste nicht, ob ich Bescheid sagen sollte …“ Gut, dass ich gerade in einem Zug nach Nürnberg sitze.

* Unser Autor möchte lieber anonym bleiben. Vermutlich werden es einige Bekannte trotzdem bemerken, aber damit kann er leben. Seine Ex-Freundin auch, wenngleich sie nicht glaubt, dass ihre Trennung jemanden interessiert. Vielleicht hat sie recht.

  • teilen
  • schließen