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Webserie „Transgender Online - Mein neues Geschlecht“
Austen hat sein T-Shirt ausgezogen. Er zeigt seinen nackten Oberkörper und spricht in die Kamera. Unterhalb der Brustwarzen sieht man zwei große Narben, drum herum große blaue Flecken. Der junge Mann sieht glücklich und stolz aus, trotz der Schmerzen, die er gerade hat. Austen, der früher anders hieß, hat sich mit einem operativen Eingriff die Brüste entfernen lassen. Später erzählt er noch, dass er seine Operation über eine Crowdfunding-Kampagne finanzieren konnte.
Der 27-Jährige ist einer von fünf Videobloggern, die in in der Webserie „Transgender Online - Mein neues Geschlecht“ des Web-Senders dbate.de, der vor allem Videotagebücher zu verschiedenen Themen zeigt, ihre Geschichte erzählen. Sie alle sind Transmenschen und zeigen dem Zuschauer, wie sie es geschafft haben, endlich in dem Körper zu leben, in dem sie sich wohl fühlen. Die Serie ist als Mitschnitt aus Skype-Interviews und YouTube-Videos gestaltet. Es gibt keinen Reporter oder Kommentator, einzig die Protagonisten kommen zu Wort. Die Schilderungen sind authentisch und eindrucksvoll. Weder beschönigen, noch dramatisieren sie ihre Geschichten – schließlich sollen Menschen erreicht werden, denen es ähnlich geht und denen das Format, mittels derer der Zuschauer wie auf der Dialogebene direkt angesprochen wird, vor allem Mut machen soll.
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In der Webserie lernt der Zuschauer nach und nach alle fünf besser kennen: Aaron Joel hieß früher anders, Lewis aus Brighton und Austen aus Minnesota auch. Ansehen tut man es ihnen nicht. Dank Testosteron haben sie tiefe Stimmen, Bartwuchs und einen stärkeren Muskelwuchs. Man kann sich nur schwer vorstellen, dass der 20-jährige Aaron Joel, der so locker von seiner Penis-Operation erzählt, bis vor Kurzem noch ein Mädchen war. Fotos aus Zeiten vor der Geschlechtsangleichung zeigen, wie sich jeder einzelne entwickelt hat: so wie die 19-jährige Kim aus Brandenburg, die Tagebuch über ihre Maße führte. Heute spricht sie auf ihrem Youtube-Kanal über Schminke und Haarpflege. Dass Kim ein echter Medienprofi ist, stört bei ihren Beiträgen nicht.
Michaela, die früher ebenfalls einen anderen Namen hatte, gehört zu den älteren Protagonistinnen der Videotagebücher, sie ist 52 Jahre alt. Mit 40 Jahren hat sie ihre Geschlechtsangleichung begonnen, im Fachjargon: Transition. Ihre Stimme ist dennoch tief, die Gesichtszüge markant. Ihr Empfinden unterscheidet sich trotzdem nicht von dem der anderen Betroffenen: „Ich habe endlich das Gefühl: Ich bin jetzt da angekommen, wo ich bei der Geburt hätte sein sollen.“
"Was sollen die anderen von mir denken?"
Die Videotagebücher setzen sich vor allem mit dieses Gefühl auseinander: im falschen Körper zu stecken und gleichzeitig zu wissen: „Das passt nicht zu mir. Das bin nicht ich.“ Die Frage „Was sollen die anderen von mir denken?“ hat die fünf Videoblogger besonders in der Anfangsphase ihres Coming-outs belastet. Mit der Angst, Rollenbilder nicht zu erfüllen und Erwartungen nicht gerecht zu werden, musste sich auch der gläubige Austen auseinandersetzen, der in seinen Videos das Thema Glaube und Sexualität aufgreift. Bei seinem Coming-out wurde er damit konfrontiert, dass es theologisch falsch sei, Transgender zu sein. Er erklärt sein „Anderssein“ deshalb mit der Bibel: „Die Natur lässt sich nicht so einfach kategorisieren. Warum sollte es auch mit uns Menschen so sein?“ Er weiß: „In der Mitte zwischen beidem zu sein ist wirklich das Schwierigste.“
„In der Mitte zwischen beidem zu sein“: Was einfach klingt, hat die Protagonisten von „Transgender Online - Mein neues Geschlecht“ in ihrem Leben schon viel gekostet. Und es geht hier nicht nur um die zahlreichen geschlechtsangleichenden Operationen, die in England zum Beispiel als kosmetische Eingriffe gewertet und nicht von den Krankenkassen bezahlt werden. Es geht auch um den Mut, Familie und Freunden die Wahrheit zu sagen, Enttäuschungen und Rückschläge zu verkraften und trotzdem an dem Ziel, endlich im richtigen Körper zu sein, festzuhalten.
Die Videotagebücher von Lewis, Aaron Joel, Michaela, Kim und Austen setzen sich einfühlsam mit diesen Nöten auseinander und vermitteln dabei eine klare Botschaft: „Man muss lernen, dass die einzige Person, mit der man sein ganzes Leben verbringt, man selbst ist.“ Dank der unprätentiösen Darstellung der verschiedenen Leidenswege ermuntern die Videoblogger andere Betroffene, ihren Weg zu gehen und sich zu outen. Vor allem, wenn es vielleicht in der Anfangsphase schwierig ist, einen Gesprächspartner zu finden, der den eigenen Problemen offen gegenübersteht, können die oft humorvollen Videos von Austen, Lewis, Kim, Michaela und Aaron Joel die erste Anlaufstelle sein und zeigen: Du kannst es schaffen. Wir haben es auch geschafft.