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Wie Memes empowern und politisieren können

Illustration: Daniela Rudolf-Lübke; Foto: Adobe Stock

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„Vielleicht sind wir beide ja auch aus Kuchen und wissen es noch nicht“, schreibe ich meinem Kumpel und er sendet ein passendes GIF. Die Konversation macht für Außenstehende keinen Sinn. Wer aber oft genug im Netz abhängt, weiß, dass es sich um eine Referenz auf das netteste Meme 2020 handelt: „Everything is cake“. Ausgelöst wurde es durch ein Tasty-Video, in dem Alltagsgegenstände mit einem scharfen Messer zerschnitten werden und sich als hyperrealistische Kuchen entpuppen. Das Internet begann, an der Beschaffenheit alltäglicher Objekte zu zweifeln („Are we human or are we fondant?“) und ein Meme war geboren. „Everything is cake“ war eine lustige Abwechslung zu den sonst eher düsteren Nachrichten in einem sowieso seltsamen Jahr.

Memes sind ein Sammelbegriff für Internetphänomene und können Medieninhalte jeglicher Art, also Bilder, (Stock-)fotos, Videos, Screenshots und manchmal einfach Aussprüche, Zitate oder Phrasen sein. Sie sind ein alltäglicher Teil des Online-seins und werden von den Medienwissenschaflern Alfie Bown und Dan Bristow in ihrem Buch über Memes als „Währung des Internets“ bezeichnet. Sie heitern uns auf, bringen uns zum Lachen oder sind ironische Kommentare auf aktuelles Geschehen. Letzteres eignet sich besonders gut, um auf politische Ereignisse einzugehen.

Memes bringen gesellschaftlich relevante Probleme direkt auf den Punkt

Der Instagram-Account „sodastreamfan“ zum Beispiel nutzt seine Memes für antifaschistische, antirassistische und feministische Botschaften, aber auch, um aktuelle Probleme wie rassistische Polizeinetzwerke sarkastisch zu kommentieren (anders hält man es vielleicht auch nicht mehr aus). Die Kombination aus bissigen Captions, Cartoons und Stockfotos ergeben immer wieder absurde, aber vor allem treffsichere Postings. Erst neulich habe ich gefühlt minutenlang über ein mansplaining-kritisierendes Meme gelacht. Zu sehen ist ein Stockfoto eines grinsenden Mannes mit Sonnenbrille und Kopfhörern, der in einen Straßenzug editiert wurde. Die Überschrift: „hey, ich hab gerade mitbekommen, dass du über feminismus gesprochen hast, ich dachte ich komm kurz rüber und erzähl dir mal was darüber“ trifft das Phänomen auf den Punkt. Natürlich sind solche Posts lustig, aber ich glaube auch, dass sie das Potenzial haben, Denkanstöße auszulösen oder vielleicht dazu führen, so manche Verhaltensmuster zu hinterfragen.

Die Politologin Eileen Hunt Botting argumentiert sogar, dass Memes eine Methode sind, um feministische Statements und Ansichten auf einfache Art und Weise einem breiten Publikum zugänglich zu machen, welches sich sonst nicht mit Feminismus beschäftigen würde. Eine Studie der Psychologie-Doktorandinnen Sarah Sangst und Linzi Williamson aus dem Jahr 2014 trägt zur Annahme bei, dass die Auseinandersetzung mit feministischen Memes zur Unterstützung feministischer Standpunkte führen kann. Getestest wurde dies anhand „Feminist Ryan Gosling“-Memes, das Bilder des Schauspielers mit der Ansprache „hey girl“ und feministischen Botschaften kombiniert.

Studienteilnehmer*innen wurden in zwei Gruppen aufgeteilt. Die eine schaute nur Bilder von Gosling an, die andere betrachtete die Gosling-Memes. Die Betrachtung hatte keine Auswirkung auf die Selbstbeschreibung als Feminist*in, führte aber dazu, dass die Männer aus der Testgruppe, im Gegensatz zur denen in der Kontrollgruppe, feministische Anliegen unterstützenswerter fanden. Die Studie ist nicht peer-reviewed, kann aber als Anstoß gelten.

Memes helfen mir auch, mich als Teil einer Community zu fühlen

Meine absolut liebste Meme-Seite ist sainthoax. Es ist wenig bekannt über den*die Künstler*in hinter dem Pseudonym, die Memes dürften aber schon so einigen in die Timeline gespült worden sein. Niemand versteht es so gut, Politik mit den prägnantesten Popkulturmomenten zu mischen und uns die Absurdität oder auch Ernsthaftigkeit aktueller Geschehnisse vor Augen zu führen. Die Posts bestehen meist aus mehreren Slides. Erst wird sich via Meme über die Situation lustig gemacht, dann folgen oftmals Verlinkungen zu journalistischen Artikeln, die Hintergrundinformationen liefern. Mein aktueller Favorit ist ein Mashup von Ru Pauls „Drag Race“ mit der Aufforderung, einander zu beleidigen („to throw shade“) und der ersten Debatte zwischen Donald Trump und Joe Biden.

Memes eignen sich aber auch zum Empowerment und als Methode, um Communities zu stärken. Der Doktorand Thomas Hobson und die Aktivistin Kajaal Modi schreiben in einem Buchbeitrag, dass sich Memes sogar dazu eignen, von gerechteren Zukunftsmodellen oder sogar Utopien zu träumen, indem man seine Wünsche und Visionen in Memes visualisiert.

Die Seiten vietnamemes_ und growingupviet, nach eigener Angabe die größte Viet-Community auf Instagram, versorgen mich mit der täglichen Dosis vietnamesischem Alltag. Ich schätze mich sehr glücklich, einen stabilen viet-deutschen Freundinnenkreis zu haben und mich mit diesen grandiosen Freundinnen darüber austauschen zu können, was es heißt, Bindestrich-Deutsche und Teil der vietnamesischen Diaspora zu sein. Wir reden über Familienverhältnisse, darüber, wie wir Rezepte aus der Kindheit nachkochen und wie wir mal mehr, mal weniger Schwierigkeiten mit unserer eigentlichen Muttersprache haben. Manchmal zeigen wir uns dann auch Memes besagter Seiten, denn sie geben uns immer wieder  völlig andere Denkanstöße, über Identität nachzudenken, normalisieren Erlebnisse oder würdigen Traditionen und Alltagsbräuche. Mir gefiel vor allem ein Meme mit der Überschrift „This is how the Vietnamese have been fighting the Coronavirus“.

Zu sehen ist ein im Krankenbett liegender Mann, der anstelle eines Tropfes durch eine Flasche dầu versorgt wird. Die kleine grüne Flasche gibt es in vielen vietnamesischen Haushalten und wurde als Allzweckwaffe zumindest mir auf jede Muskelverspannung oder bei Kopfschmerzen aufgetragen. Das Meme selbst bezieht sich natürlich auch auf die niedrigen Corona-Fälle in Vietnam. So richtig Spaß macht das Meme also erst mit einem bestimmten Hintergrundwissen oder wenn man sich mit dem Gezeigten identifizieren kann.

Auch Rechtsextreme nutzen Memes, um ihre Ideologie zu verbreiten

Tatsache ist aber leider auch: Auch unter Rechtsextremen sind Memes ein beliebtes Mittel, um menschenfeindlichen Inhalten Reichweite zu verschaffen und sich so Communities aufzubauen. Die rechtsradikale „Alt-Right“ in den USA rief sogar den „Meme War“, also Meme-Krieg, aus. Maik Fielitz, wissenschaftlicher Referent und Experte für Rechtsextremismus und Digitalkultur, argumentiert, dass auf diese Art und Weise Rechtsextremismus vor allem für Gamerkulturen und Männerrechtler attraktiv gemacht werde. Er sagt auch, dass die„digitale Hasskultur“ das Risiko berge, in der Realität gewaltsam zu werden. Fielitz rät daher, Wege zu suchen, die beschleunigte Verbreitung rechtsradikaler Memes einzudämmen. Dazu gehöre das Verständnis über rechtsradikale Strategien wie auch technische Mittel. 

Ich glaube, dass man an diesem diesem Punkt auch wieder den Stellenwert von Medienkompetenz betonen kann. Schon in der Schule, wo gerade in Chatgruppen häufig Memes – auch mit rechtsradikalem Inhalt – hin und her geschickt werden, sollten Kinder und Jugendliche lernen, wie sie damit umgehen sollten. Und dass es bei Memes wie bei anderen medialen Inhalten auch wichtig ist, Quelle und den Inhalt kritisch zu hinterfragen. Das gilt aber natürlich auch für Erwachsene. 

Memes können also ein leichtherziger Zeitvertreib sein. Und leider auch Überträger menschenverachtender Inhalte. Sie können ein Kulturprodukt sein, über das politische Konflikte ausgetragen werden. Ohne Memes wäre das Netz zu großen Teilen ein trister und wesentlich anstrengenderer Ort. Ich bin froh, dass Memes meinen Alltag immer wieder aufheitern, Stoff zum Nachdenken und Diskutieren liefern und mich und mein Umfeld  empowern, gegen regressive und menschenverachtende Ausprägungen vorzugehen.

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