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Wieso Hautpflege kein Geschlecht haben sollte

Wieviel hat Skincare eigentlich mit Weiblichkeit zu tun? Darüber schreibt Nhi Le.
Illustration: Daniela Rudolf-Lübke; Foto: Adobe Stock, Brent N. Clark / dpa

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Jedes Mal, wenn ich in der Drogerie vor dem Regal mit dem Duschgel stehe, frage ich mich, wie viel Spaß die Marketingabteilung bei der Entwicklung der Männerprodukte hatte. Männer sollen nicht nach so langweiligem Zeug wie Aloe Vera, Kokos oder Obst riechen. Sie sollen sich nicht mit Gerüchen, sondern eher mit Konzepten wie „Carbon Clean“, „Dark Passion“ oder „Skateboard & Fresh Roses“ waschen, wobei ich immer dachte, dass man sich auf einem Skateboard fortbewegt, nicht, dass man danach riechen sollte, aber was weiß ich schon. In der Welt der Hautpflegeprodukte dürfen Männer noch richtige Männer sein. Eigentlich krass, dass man sich hier mit Duschgel und nicht gleich mit Testosteron einseift.

Der Sinn dahinter ist Gendermarketing, also Vermarktung, die bestimmte Geschlechterrollen berücksichtigt und damit auch verfestigt. Gendermarketing wird natürlich nicht aus der Laune einiger Werbeagenturen angewandt, sondern zielt auf Verkäufe. Gerade bei „Frauenartikeln“ geht es eigentlich immer um einen ewigen Kreislauf: „Du bist nicht gut/schön/schlank genug, du musst dich optimieren, hier haben wir schon mal die passende Creme für dich.“ Männer wiederum werden immer noch schräg angeschaut, wenn sie sich pflegen wollen, obwohl natürlich auch ihnen Selbstoptimierung gepredigt wird. Um die Produkte trotzdem an den Mann zu bekommen, setzt man hierfür eben auf vermeintliche Männlichkeitsattribute, was Labels wie „strong“, „sportlich“ und „aktiv“ auf den Verpackungen erklärt. 

Das bedeutet nicht, dass Männer grundlegend andere Cremes brauchen als Frauen

Die gegenderten Produkte unterscheiden sich aber nicht nur in der Vermarktung, sondern oftmals auch im Preis. Das Konzept der „Pink Tax“ macht darauf aufmerksam, dass Frauen oftmals einen Preisaufschlag für „ihre“ Pflegeprodukte oder Dienstleistungen bezahlen müssen. Es handelt sich nicht um eine echte Steuer, aber durchaus um echte Preisunterschiede. Die Verbraucherzentrale Hamburg führt jährlich sogenannte Marktchecks durch, bei denen die Preise für an Frauen und Männer gerichtete Pflegeprodukte untersucht werden. Frauen müssen vor allem bei Rasierprodukten fast 40 Prozent mehr zahlen, selbst wenn sie sich hinsichtlich Inhalt und Bauart kaum unterscheiden. 

Gegenderte Produkte ergeben also höchstens wirtschaftlich Sinn, denn gerade unter dem Pflegeaspekt braucht es keine Unterscheidung nach Geschlecht. Männer scheinen zwar eine dickere Haut und eine andere Ölproduktion als Frauen zu haben, aber das bedeutet nicht, dass sie grundlegend andere Cremes brauchen: An sich unterscheidet man in Hauttypen, also normale, trockene, fettige oder Mischhaut, die unabhängig vom Geschlecht auftritt. 

Eine neuer medialer Skincare-Hype könnte das Geschlechterverständnis von Pflege ordentlich auf den Kopf stellen. Vor allem auf TikTok gehen immer wieder Skincare-Videos von jungen Frauen, Männern und non-binären Personen viral. Die sogenannten Skinfluencer zeigen ihre liebsten Produkte, reagieren auf Pflegeroutinen anderer oder zeigen,wie sich ihre Haut durch die Behandlung von Pickeln und Akne verändert hat, wobei natürlich nicht jeder Tipp brauchbar ist. Während ich mich als Teenagerin von irgendwelchen Versprechen von Clerasil und Garnier habe locken lassen und mein Gesicht mit den Proben aus der Bravo gereinigt habe, nimmt die Gen Z ihre Haut genau unter die Lupe und lässt das Gendermarketing links liegen. Ihnen geht es um die Effektivität der Inhaltsstoffe und die Bedürfnisse unterschiedlicher Hauttypen. Labels wie „for men“ lassen sie unbeeindruckt. 

Wer sich eine Weile in der Skincare-Bubble auf TikTok beschäftigt, wird früher oder später Hyram begegnen. Der 24-Jährige ist einer der beliebtesten Skinfluencer und hat auf seinen Kanälen insgesamt mehr als elf Millionen Follower*innen. In seinem Video „How to Get Your Man On a Skin Care Routine” spricht Hyram, der auch auf Youtube aktiv ist, darüber, dass Skin- und Selfcare immer noch gegendert sind. Er beschreibt, dass Männer, die sich für Skincare interessieren, das Gefühl vermittelt bekommen, sie würden sich mit einem girly, femininem oder schwulen Thema beschäftigen. Bevor dann das eigentliche Thema des Videos startet, erzählt er noch, wie er als schwuler Mann sowieso nichts mit gängigen Männlichkeitskonzepten anfangen kann, aber weiß, dass andere Männer durchaus damit konfrontiert werden.

Zur Diskussion um die Geschlechtslosigkeit von Hautpflege hat auch Rihanna einen Beitrag geleistet. Ja, die Rihanna, die uns mal mit Musik beglückt hat, aber seit ein paar Jahren vor allem durch inklusives Marketing auffällt. Da wäre ihre dekorative Kosmetik mit mehr als  50 Hauttönen, ihre Unterwäsche mit einer Bandbreite an Größen und ihr neuestes Produkt: eine Gesichtspflege-Reihe. Auch wenn die Skincare-Community nicht besonders von den Inhaltsstoffen angetan war, fiel die Vermarktung einmal mehr positiv auf. Rihanna holte sich nämlich die Rapper A$AP Rocky und Lil Nas X als Models an Bord und signalisierte somit gleich, dass Pflege nichts genderspezifisches ist. Auf Twitter betonte sie dann noch einmal: Wer auch immer dir gesagt hat, dass Skincare ein Geschlecht hat, hat dich BELOGEN.

Auch Beauty-Youtuber greifen die Binarität von Make-up schon seit einer Weile an. Sowohl im englischsprachigen Raum wie auch in Deutschland sind es männliche Beauty-Youtuber wie PatrickStarrr, Marvyn Macnificent oder Maxim Giacomo, die zeigen, dass auch Männer Spaß am Schminken haben dürfen oder Make-up als Ausdrucksform nutzen können.

Die digitale Skincare- und Beautybubble kann mit ihren Inhalten dazu beitragen, am Verständnis von Männlichkeit zu rütteln. Sie vermittelt eine Zugänglichkeit für alle, die Labels hinter sich lässt und ihr Publikum empowert. Letztlich sollte es allen freigestellt sein, wie und ob sie sich schminken und pflegen. Von Frauen darf nicht erwartet werden, sich immer aufzuhübschen. Männer sollten nicht zu hören bekommen, dass es zu weich oder zu feminin sei, sich um sich selbst zu kümmern. Gerade in Zeiten der Pandemie und strengerer Kontaktbeschränkungen muss man sich vielleicht ohnehin mehr mit sich selbst beschäftigen, als es einer oder einem lieb ist. Skincare kann da eine Form von Selfcare sein. Und sich selbst was Gutes zu tun, sollte allen unabhängig des Geschlechts zustehen.

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