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Pornokonsum und Feminismus passen zusammen

Über Pornokonsum wird noch immer wenig gesprochen – das sollte sich ändern, findet Nhi Le.
Illustration: Daniela Rudolf-Lübke; Foto: Kolja Haaf, dpa

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Neulich fragte ich meine Freundinnen, auf welchen Seiten sie am liebsten Pornos schauen. Ich war neugierig auf ihre Vorlieben. Es folgte ein offenes Gespräch ohne Stigma, Shaming oder Peinlichkeiten, also genau so, wie ich mir Konversationen über Sex wünsche. Ich bin sicher: Das sähe nicht mit allen so aus. Denn zum einen wird weibliche Masturbation noch immer tabuisiert und zum anderen hängt gerade Pornokonsum ein schmuddeliges Image an, manche finden ihn auch moralisch schwierig. Vielleicht fragen sich deshalb auch einige, wie ich als Feministin überhaupt Pornos schauen kann. 

Pornografie ist ein Thema, das feministische Strömungen besonders spaltet. Die einen halten Pornos für frauenfeindlich, die anderen glauben, sie könnten die Emanzipation der Frau sogar vorantreiben. Für viele Feministinnen der zweiten Welle stellt Pornografie Erniedrigung und sogar sexuelle Gewalt an Frauen dar. Gerade in den USA schlossen sich daher ab den 1970er Jahren Feministinnen zu Anti-Porno-Gruppen zusammen, die argumentierten, dass Pornografie immer auch mit körperlichem und psychischem Missbrauch sowie Ausbeutung der Darstellerinen zusammenhänge. Pornos würden Frauen nur als williges Objekt darstellen. 

Ihnen gegenüber stehen sex-positive Feministinnen, die die Ansichten der Anti-Porno-Feministinnen für rückschrittlich halten. Sie kritisieren vor allem das entmündigende Verständnis von weiblicher Sexualität und betonen, dass auch die sexuelle Freiheit ein grundlegender Teil von Freiheitsbestrebungen sei. Solange die Zustimmung aller Beteiligten vorliegt, gibt es für sex-positive Feministinnen keinen Grund zur Einschränkung. Die intensive Phase kontroverser Debatten darüber ging sogar als „Feminist Sex Wars“ oder auch „Porn Wars“ in die Geschichte ein.

Es bräuchte ein differenziertes Verständnis von Pornografie

Ich verstehe mich als sex-positive Feministin. Das heißt: Ich finde es zwar okay, nichts mit Pornos anfangen zu können. Ich halte es allerdings für falsch, Pornos mit patriarchaler Unterdrückung gleichzusetzen und Frauen, die Pornos drehen oder konsumieren, deshalb Unterwerfung zu attestieren. Es bräuchte ein differenziertes Verständnis von Pornografie. Ich beispielsweise denke, dass Pornos ein gutes Mittel sind, um die eigenen sexuellen Vorlieben zu entdecken und Selbstbefriedigung zu erleichtern oder einfach besser zu machen.

Eine qualitative Studie aus dem Jahr 2020 untersuchte die Rolle von weiblichem Pornokonsum und sexueller Selbstermächtigung. Die Wissenschaftlerinnen Athanasia Daskalopoulou und Maria Carolina Zanette befragten dafür 27 Frauen. Die Ergebnisse zeigen, dass die Befragten Pornos schauten, um sexuelle Befriedigung zu finden oder um Fantasien auszuleben, selbst wenn sie diese nicht praktisch umsetzen wollten. Sie gaben außerdem an, dass ihr Pornokonsum dazu beitrage, Techniken zu erlernen, um sie selbst beim Sex einzusetzen.

Gleichzeitig waren sich die Teilnehmerinnen dessen bewusst, dass viele Pornos patriarchale Strukturen reproduzierten. Insgesamt empfanden die Frauen ihren Pornokonsum dennoch als sexuell bestärkend. Eine Studienteilnehmerin gab beispielsweise an, dass ihr Pornos halfen, ihre Lust zu normalisieren. Sie könne sich somit als sexuelles Subjekt statt Objekt verstehen. Sprich: Selbst sexuell agieren, nicht sexualisiert werden.

Ich empfinde es als Errungenschaft, wenn Frauen mithilfe von Pornos ihre Lust ergründen

In einer weiteren, ebenfalls 2020 erschienenen Studie kamen Psycholog*innen zum Schluss, dass Frauen, die regelmäßig Pornos schauten, bei der Masturbation leichter Erregung und Lust empfanden und besser zum Orgasmus kamen, als Frauen, die keine Pornos konsumieren.  

Weibliche Lust ist immer noch ein Tabu, das immer wieder skandalisiert wird. Wenn eine Frau offen mit ihrer eigenen Sexualität umgeht, kann es schnell passieren, dass sie abgewertet wird und Slut Shaming erfährt. Gleichzeitig werden schon junge Frauen von der Gesellschaft sexualisiert. Genau wegen dieser Diskrepanz empfinde ich es als Errungenschaft, wenn Frauen mithilfe von Pornos ihre Lust ergründen und sexuell selbstbewusst werden. Feminismus bedeutet für mich auch die Selbstbestimmung über den eigenen Körper.

Ich verstehe es aber auch, wenn das, was in gängigen Hetero-Pornos gezeigt wird, nicht den eigenen Geschmack trifft. Mainstream-Pornos, in denen es nur um die Bedürfnisse des Mannes geht, sind auch nicht die Art von Clips, die ich mir zuerst reinziehe. Gleichzeitig käme ich nicht auf die Idee, eine andere Frau dafür zu verurteilen, wenn sie davon angeturnt wird. Was ich aber nicht tolerieren kann: Sexfilme, in denen Frauen of Color rassistische Stereotype performen müssen oder Videos, in denen Gewalt abgebildet und teils sogar verherrlicht wird. 

Es gibt aber einen klaren Unterschied zwischen Pornos, die Lust machen, und Videos, die Straftaten zeigen. Dass diese Grenze verschwimmt, liegt vor allem an kostenlosen Tube-Seiten, auf denen straffällige Inhalte hochgeladen werden können, für die sich die Seiten allerdings nicht verantwortlich fühlen. Im Dezember geriet deshalb beispielsweise Pornhub in Kritik, das Unternehmen musste Milionen Videos löschen. Die Tube-Seiten sorgen mit ihrer Gratis-Verfügbarkeit aber auch für Lohndumping und können somit zu unsicheren, eher ausbeuterischen Arbeitsbedingungen für Performer*innen beitragen. 

Es gibt Pornos, bei denen die Lust aller Beteiligten in den Fokus gerückt wird

Ich würde deshalb lieber nicht mehr darüber sprechen, ob ich als Feministin Pornos schauen kann, sondern eher darüber, wie. Es gibt Pornos, bei denen die Lust aller Beteiligten in den Fokus gerückt wird, Pornos, die Menschen mit unterschiedlichsten Körperformen zeigen und eben überhaupt Pornos aus unterschiedlichen und für unterschiedliche Perspektiven. Wer nicht auf polierte Mainstream-Pornos aus großen Produktionsstudios steht, muss deshalb nicht auf Videos verzichten, sondern kann sich nach Indie-Produktionen umsehen, die sich auf Diversität in der Darstellung sexueller Praktiken oder Orientierungen spezialisieren. Besonderes Plus: Viele unabhängige Studios betonen, dass alle Beteiligten den gezeigten Handlungen und dem Produktionsablauf zugestimmt haben. Wer sich also sorgt, mit seinem Pornokonsum Ausbeutung oder Missbrauch zu unterstützen, kann dem Problem so entgegen wirken. 

Und da wären wir auch wieder bei dem Gespräch zwischen mir und meinen Freundinnen. Ich fragte nach Empfehlungen für kostenpflichtige Seiten, weil ich seit einer Weile über ein Abo nachdenke. Indem man für Pornografie zahlt, bekommt man qualitativ höhere Videos, kann Inhalte konsumieren, die den eigenen Vorlieben am meisten entsprechen, und vor allem Sexarbeiter*innen und alternative Produktionsweisen direkt unterstützen. Die Pornoforscherin Madita Oeming argumentiert außerdem, dass unter anderem Bezahlung für Pornografie und die Unterstützung transparenter Seiten beim Abbau des Stigmas rund um Pornos helfen könne. 

Pornos und ihre gesellschaftliche Bedeutung sind komplex und wir müssen offen über das Gute wie auch die Schwierigkeiten sprechen. Finde ich Pornos, in denen rassistische Stereotype performt werden problematisch? Ja! Denke ich deshalb, dass niemand mehr Pornos schauen sollte? Nein, ganz bestimmt nicht. Man sollte stattdessen darüber nachdenken und reden, wie man die Pornoindustrie auch als Konsument*in besser machen kann. Denn wenn wir das Thema im Gegenteil weiter als schmutziges Tabu abtun, wird sich dahingehend nichts bewegen.

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