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Wenn Alte über Junge richten

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„[...] Lorde’s age is inseparable from her success, as much as we’d like it to be. Like many women in the entertainment industry, the date of her birth is both a catalyst and wrinkle of her fame.“

Wo steht das?

Auf der Webseite des Pacific Standard. Dort hat Adam Lehman einen Text über talentierte, erfolgreiche Teenager geschrieben, deren Talent und Erfolg von vielen Kritikern nicht anerkannt wird. Sein Beispiel: Lorde, die 16-jährige Neuseeländerin, die gerade ihr Debütalbum „Pure Heroine“ herausgebracht hat.

Was steht sonst noch da?

Lehman schreibt darüber, wie sehr das Alter eines Künstlers oder einer Künstlerin den Blick auf das verzerrt, was er oder sie macht. In Lordes Fall zum Beispiel vermehrt ihre Jugend ihren Erfolg, gleichzeitig schmälert sie ihn. Denn zum einen sind natürlich alle hellauf begeistert, dass eine 16-Jährige ein solch reife Stimme hat und ein Album herausbringt, das geschickt mit Genres spielt. Zum anderen bietet Lordes Alter den Kritikern eine sehr einfache Gelegenheit, ihre Musik schlecht zu reden. Sie hören sie mit der Zahl 16 im Kopf und schreiben anschließend, sie sei „zu teenagerhaft“. Außerdem, so Lehman, nehmen viele sofort an, dass dieses Album das Produkt eines erfahrenen Teams sein muss, denn „wie soll eine so junge Person an eine Agentur geraten sein“? Auf diese Unterstellung folgt dann gleich die nächste: Lorde sei „unauthentisch“. Diesen Vorwurf entkräftet Lehman mithilfe. Die alten Herren aus den Kulturressorts schnüffeln nach neuen Talenten - und sind skeptisch, wenn sie allzu jung sind.

Lehman macht noch einen weiteren Punkt. Lorde, schreibt er, spielt nicht mit ihrer Sexualität. Sie gibt sich nicht anstößig. Was gar nicht so einfach ist, in einer Gesellschaft, in der öffentlich der „männliche Blick“ vorherrscht, junge Frauen also extrem schnell als anstößig empfunden werden. Der ganze, so gar nicht Miley-Cyrus-hafte Habitus der jungen Neuseeländerin „verwirrt einen großen Teil des kulturellen Apparats, der normalerweise auf die Sexualität schaut, um sich seine Meinung über eine Künstlerin zu bilden.“ Lorde enttäuscht als bekennende Feministin die Erwartungen, die an weibliche Popstars gestellt werden, vor allem an junge weibliche Popstars. Sie ist die Tavi Gevinson der Popmusik: „zu gut, um wahr zu sein, zu elegant für ihr Alter, zu klug und selbstbeherrscht und reif für eine Teenagerin“.

Und was lernen wir daraus?

Zusammengefasst lautet Lehmans These: Im Falle von Lorde oder ähnlichen Künstlerinnen, reagiert die Öffentlichkeit gleich doppelt abfällig, zum einen wegen des Alters, zum anderen wegen des Geschlechts. Lordes nicht vorhandene Sexualisierung, ihr seriöses Auftreten, finden viele unglaubwürdig. Immerhin sind Teenagerinnen doch eigentlich die, die mitten in einer Phase der sexuellen Selbstfindung stecken, die bewirkt, dass sie sich eigentlich bloß leichbekleidet auf der Bühne bücken und die Zunge rausstrecken wollen, anstatt einen ernsthaften Blick auf das Leben und die Kunst zu werfen - oder?

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

An der Annahme, dass vor allem erfolgreiche Mädchen nicht ernst genommen werden, mag durchaus etwas dran sein. Allerdings bläht Lehman die Geschlechterdifferenz etwas zu sehr auf. So stellt er Lorde und Tavi Gevinson den 1987 geborenen Menschenrechtler und Politiker Ronan Farrow gegenüber, der schon als Jugendlicher mit seinem Engagement die Grenzen dessen, was man Teenagern zutraut, überschritten hat. Er sei, im Gegensatz zu den beiden Mädchen, immer ernst genommen und bewundert worden, schreibt Lehman. Aber der Vergleich ist nicht ganz passend, immerhin werden Mode und Popmusik (Gevinson und Lorde) und politisches und soziales Engagement (Farrow) immer noch mit zweierlei Maß gemessen. Eine Teenagerin, die sich für Menschenrechte einsetzt, muss sich sicher niemals den Vorwurf der „Unauthentizität“ gefallen lassen. Die Frage wäre also eher: Wird Lorde genauso ernst genommen wie etwa der viel gefeierte 19-jährige Jake Bugg? Zumindest wird Jake Bugg sein Talent nicht abgesprochen und auf eine große Produktionsmaschine zurückgeführt. Vielleicht liegt das daran, dass er ein Junge ist und Lorde ein Mädchen – vielleicht aber auch daran, dass er Gitarre spielt und sie Synthie-Elemente in ihren Songs unterbringt.

 

Was das Alter angeht, ist Lehmans These glaubhafter: Jung sein hilft beim Erfolg, weil niemand es so recht glauben mag, dass man gerade etwas geschafft hat, was manch ein Erwachsener nicht auf die Reihe bekommt. Aber es stehen eben immer auch direkt die Alten (und ja: vorzugsweise die alten Herren) aus den Kulturressorts bereit, die es nicht lassen können, das Werk eines Künstlers oder einer Künstlerin mit ihrem oder seinem Alter in Verbindung zu bringen. Die zu sehr tätscheln und zu schnell "das hat Potenzial, aber hier und da merkt man noch die Jugend" oder eben auch "da muss jemand gewaltige Starthilfe gegeben haben" sagen. Warum das so ist? Vielleicht ist es die Herablassung des Alters gegenüber der Jugend. Oder (und das ist zwar wie immer ein gemeines, aber hier trotzdem passendes Argument) es ist der Neid des Alters auf die Jugend. Jeder hatte sicher schon mal diesen Gedanken, wenn er auf einen jüngeren, aber extrem erfolgreichen Menschen gestoßen ist: "Wäre ich doch damals auch so gewesen – stattdessen hatte ich Akne, schlechte Laune und keine Lust auf gar nichts." Man denkt an die eigene pubertäre Unzulänglichkeit und wünschte, man könnte sie nachträglich ändern – oder kann sich schlicht nicht vorstellen, dass nicht jeder Teenager darunter zu leiden hat. Man ist ganz erleichtert, wenn junge Künstlerinnen ausflippen wie Miley Cyrus, und still schockiert, wenn sie klug und ernst sind wie Lorde.

 

Lehmans Fazit lautet: "Wir lieben es, wenn unsere Jungen erfolgreich sind, aber wir können es trotzdem einfach nicht glauben." Aber eigentlich hält sich diese Liebe in Grenzen. Denn Menschen lieben es, wenn Menschen sich so verhalten, wie man es von ihnen erwartet. Altersgemäß.

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