Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

Sherlock von und zu Holmes

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

Angestrichen:
Eine Doktorarbeit ist kein Kriminalroman, auch wenn viele Kritiker den Unterschied verwischen möchten. Ein Plagiat liegt nur dann vor, wenn ein relevanter fremder Beitrag als eigene wissenschaftliche Leistung dargestellt wird. Ein derartiger Vorwurf ist bis heute aber nicht erhoben worden.

Wo steht das denn?
Im Text des Tübinger Mathematik-Professors Wilhelm Spruth auf der Facebook-Seite "Gegen die Jagd auf Dr. Karl-Theodor zu Guttenberg".

142.305 Personen gefällt das, was der Professor Spruth sich da überlegt hat: eine Klage über die vermeintliche Hetzkampagne gegen den Verteidigungsminister. Im Gegensatz zu der Facebook-Seite, die explizit den Doktortitel für Guttenberg einfordert (826 Fans), und der Page, die sich für Guttenbergs Rücktritt ausspricht (1.212 Fans), erfreut sich "Gegen die Jagd auf Dr. Karl-Theodor zu Guttenberg" erstaunlicher Beliebtheit. Obwohl Professor Spruth darauf sehr eigenwillig argumentiert.

Default Bild

„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


142.305 Personen gefällt das mittlerweile.

Dass eine Doktorarbeit kein Kriminalroman ist, dürfte bekannt sein. Dass journalistische Texte frank und frei und ohne Quellenangabe in wissenschaftliche Publikationen aufgenommen werden dürfen, weil sie zu keinerlei fachlich relevantem Erkenntnisgewinn beitragen, dürfte neu sein. So rechtfertigt Spruth aber, dass Guttenberg in den ersten Worten seiner Doktorarbeit "Verfassung und Verfassungsvertrag" offenbar einen Text von Barbara Zehnpfennig aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (mit leichten Modifikationen) unzitiert eingefügt hat. Der Zehnpfennig-Artikel ist nur ein kleiner Teil der bislang im GuttenPlag Wiki aufgeführten Passagen, die auf 69% der Seiten der Arbeit gefunden wurden. "Die Frankfurter Allgemeine Zeitung verdient Anerkennung für ihren hervorragenden Journalismus. Sie ist aber keine wissenschaftliche Fachzeitung", so Spruth. Dass die FAZ keine wissenschaftliche Fachzeitung sein muss, um zu wissenschaftlichen Erkenntnissen beizutragen, wird nicht in Erwägung gezogen. Dass die in Text gepressten Gedanken von Barbara Zehnpfennig mit einer Angabe bedacht sein sollten, die sie als Urheberin kenntlich macht, scheint nicht wichtig zu sein, weil eine ganz strikte Trennung zwischen den Systemen Wissenschaft und Journalismus vorzuherrschen scheint.

Den Begriff "Plagiat" genau zu definieren, ist nicht ganz einfach, wie es die Plagiat-Expertin Prof. Dr. Debora Weber-Wulff im FAQ zu ihrem "Portal Plagiat" bestätigt. Ein geläufige Definition ist die von Gerhard Fröhlich: "Unter Plagiat wird die unbefugte Übernahme fremden Geistesguts, der 'Diebstahl' geistigen Eigentums verstanden." Weshalb ein journalistischer Text für Spruth nicht in die Kategorie des "fremden Geistesguts" fällt, ist fraglich. Bei Spruth lautet die Formulierung aber auch "relevanter fremder Beitrag". Wer dieses Relevanzgütesiegel vergibt und wo man den wissenschaftlichen Erkenntnisgradmesser kaufen kann, verschweigt Spruth aber leider ebenfalls. Er scheint beides zu besitzen: "Ein Textbaustein aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung mag eine brilliante Formulierung enthalten, trägt aber kaum etwas zu dem wissenschaftlichen Beitrag und Wert einer Doktorarbeit bei." Der Tübinger Professor vergisst bei all dem schon ganz zu Beginn seiner Klage einen wichtigen Zusatz: Eine Dissertation ist ebenso wenig ein Krimi, wie ein journalistischer Text eine dekorative Floskeldatenbank ist, an der sich jeder bedienen kann. Ein Gegengewicht hierzu hat sich übrigens schnell gefunden: die "Gegen die 'Gegen die Jagd auf Dr. Karl-Theodor zu Guttenberg' Fan-Seite". 118.219 Personen gefällt das, geht es nach einem Screenshot auf der Seite. Tatsächlich sind es erst 137.

Mehr zum Thema gibt es im Schwerpunkt bei sueddeutsche.de und im Interview mit Prof. Dr. Debora Weber-Wulff.

  • teilen
  • schließen