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"Schwul!" Homophobe Sprache soll an britischen Schulen geächtet werden
Schwul (gay) Schlampe (bitch) Nutte (slag) Beleidigungen jedweder Natur sind in allen Klassenzimmern der Welt an der Tagesordnung. Die Pubertät besteht ja zu einem nicht unwesentlichen Teil darin, sich möglichst derben Kram in den Wortschatz zu packen, um damit die eigene Coolheit zu dokumentieren. Die oben genannten Begriffe sind der Reihenfolge nach jene, die Lehrer in Großbritannien am häufigsten in ihren Klassenzimmern hören, wenn es einem Schüler darum geht, einem anderen verbal ordentlich eine mitzugeben. Die britische Lehrergewerkschaft Association of Teachers and Lecturers (ATL) fragte bei 268 Lehrern nach, was sie denn den lieben Arbeitstag über immer so zu Ohren bekommen. Knapp zwei Drittel berichten, dass homophobe Äußerungen nachgerade an der Tagesordnung seien, das meistgebrauchte Wort sei „gay“, auf den Plätzen folgen bitch und slag. Ein Problem! Kein Problem! Viele Lehrer tun laut ATL diese kleine Schimpfworthitliste ab und verweisen darauf, dass sie doch nicht homophob, sondern, nun ja, irgendwie halblustig gemeint seien. Einige Lehrer gestanden in der ATL-Studie ein, sich reichlich dämlich dabei vorzukommen, den Schülern ihre vermeintliche Homosexuellen-Feindlichkeit anzukreiden. Ein Lehrer: "Viele trauen sich nicht, die Schüler wegen Homophobie anzugehen." Unter anderem, weil sie nicht in den Ruch kommen wollen, der Homosexualität das Wort zu reden. Ein anderer Lehrer war zudem der Ansicht, Lehrer sollten aus einer Maus eben keinen Elefanten machen. Soll man sich also bei Schimpfwörtern nicht so haben? Natürlich soll man sich da haben, heißt es bei ATL. „Die Hälfte aller Lehrer bleibt untätig, wenn sie solche Wörter hören. Die Gründe dafür sind ganz unterschiedlich, zusammen genommen aber ergeben sie eine weitreichende Conspiracy of Silence“, eine Art stille Verschwörung also. Bei Stonewall, einer Lobbygruppe, die sich in Großbritannien für die Rechte von Lesben, Schwulen und Bisexuellen einsetzt, will man den Lehrern beim Nichtstun nicht mehr länger zusehen. Die Schulleiter seien in der Pflicht. „Sie müssen den Lehrern klar machen, dass Homophobie an der Schule nicht geduldet wird und sie müssen klar machen, wie mit Beleidigungen umgegangen werden muss.“
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Februar 2008 in London: Eine Plakataktion von Stonewall.
Stonewall hat im vergangenen Sommer mehr als 1.000 homosexuelle Schüler nach ihren Erfahrungen in der Schule gefragt. Knapp zwei Drittel der Schüler waren Opfer von "Homophobic Bullying". Viele berichten von Hänseleien, teilweise auch vor den Augen der Lehrer. "Homophobic Language" leiste solchen Entwicklungen Vorschub, heißt es bei Stonewall, weil sie an den Schulen an der Tagesordnung sei. In der britischen Zeitung The Guardian kommt etwa Sam Thomas, 22, zu Wort. Als er zum ersten Mal gemobbt wurde, war das, weil Klassenkameraden der Ansicht waren, er sehe schwul aus. Später wurde er im Pausenhof angegriffen oder Klassenkameraden warfen Gegenstände nach ihm. Sam wurde depressiv und litt später unter einer Bulimie, die er in Zusammenhang mit seinen Mobbing-Erfahrungen bringt.
So schlimm wie Rassismus
Im Januar nun reagierte die britische Regierung und gab eine Art Leitfaden für den Umgang mit "Homophobic Language" heraus. Zum ersten Mal wird damit von offizieller Seite offen ausgesprochen, dass das beschriebene Phänomen zum Problem geworden ist. Auffällige Schüler sollen künftig aus dem Klassenzimmer geworfen werden dürfen und ihnen soll im Zweifel in Einzelgesprächen klar gemacht werden, dass ihr Verhalten nicht toleriert wird. Zusätzlich stellt Stonewall den Schulen Unterrichtsmaterial zur „Homophobie“ bereit .
Sam Thomas sagt, dass es höchste Zeit ist, die Beleidigungen nicht mehr nur als Lappalien zu behandeln. "Wenn es irgendwas mit Rasse zu tun hätte, würden die Schulen ja sofort handeln. Die Konsequenzen sind aber genauso schlimm wie bei rassistischen Äußerungen. Deshalb dürfen wir Homophobie nicht länger unter den Teppich kehren".
Text: peter-wagner - Foto: stonewall.org.uk