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Schwarzfahrer raus aus dem Gerichtssaal
Angestrichen
„Es gibt kein öffentliches Interesse an der Verfolgung von Schwarzfahrern.“
Wo steht das denn?
In einem Artikel des Berliner Tagesspiegel. Die Aussage stammt von Benedikt Lux, Rechtsexperte der Grünen und Strafverteidiger. Er unterstützt die Meinung von Jugendrichterin Dietlinde Biesterfeld. Sie fordert, dass Schwarzfahrer künftig nicht mehr vor Gericht gezerrt werden können. „Die Bürger fassen sich doch an den Kopf, womit sich Richter beschäftigen müssen“, sagte sie auf einer Veranstaltung in Berlin. Sie schätzt, dass sich nahezu jedes vierte Gerichtsverfahren im Jugendrecht auf die „Erschleichung von Leistungen“ bezieht.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Die Stoßrichtung ist also klar. Es wird unverhältnismäßig viel Zeit und Arbeit in Schwarzfahrer-Verfahren investiert, während anderswo die Hütte, beziehungsweise der Gerichtssaal brennt. Es gäbe genug Bereiche, in denen die Richter ein bisschen mehr Zeit gebrauchen könnten. Ein Richter aus Marzahn-Hellersdorf berichtet zum Beispiel, dass man bei Betrug im Internet, den Delikt mit den größten Zuwachsraten nicht mehr hinterher komme.
Biesterfeld forderte jetzt eine politische Lösung. Schwarzfahren und Falschparken sei vom Unrechtsgehalt ähnlich, werde jedoch völlig unterschiedlich behandelt. Regelmäßigen Schwarzfahrern droht nicht nur das berühmte erhöhte Beförderungsentgelt in Höhe von 40 Euro, sondern unter Umständen auch ein Strafverfahren. Sie schlug vor, Schwarzfahrer nur noch mit einer Ordnungswidrigkeit zu belasten, wie es bei Parkverstößen auch der Fall ist.
Die Berliner Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD) sieht das allerdings ganz anders. Die Strafbarkeit des Schwarzfahrens aufzuheben, sei theoretisch möglich, aber in der Gesellschaft wohl nicht zu vermitteln. Auch der Deutsche Richterbund und die BVG sind sich einig, dass die Aussicht auf ein Strafverfahren als erzieherische Maßnahme unbedingt beibehalten werden sollte.
Schwarzfahrer halten nicht nur die Jugendrichter auf Trab, sondern auch Justizvollzugsbeamte: Die Gefängnisse sind voll von Nahverkehrssündern. In der JVA Plötzensee in der Nähe von Berlin sind unter den knapp 500 Gefangenen bis zu einem Drittel Schwarzfahrer. Dadurch entstehen Kosten - ein Häftling kostet pro Tag 80 Euro.
Schon 1995 gab es eine Bundesrats-Initiative, die die Herabstufung von einer Straftat zu einer Ordnungswidrigkeit forderte. Leider stieß diese Initiative auf starken Widerstand seitens der Verkehrsbetriebe. Irgendwie auch verständlich, denn den Betrieben entstehen logischerweise enorme Einbußen. In Berlin liegt die Schwarzfahrerquote laut Schätzungen bei 3,5 %.
Es erscheint nahezu unmöglich eine Lösung zu finden, mit der sowohl die Justiz, als auch die öffentliche Verwaltung und die Verkehrsbetriebe zufrieden sind. Es bleibt abzuwarten ob Schwarzfahrer in Berlin und darüber hinaus bald aufatmen können.
Was man wissen sollte zum Thema Schwarzfahren:
Schwarzfahren oder auch „Beförderungserschleichung“ fällt im Moment unter den Tatbestand des „Erschleichens von Leistungen“ (§ 265 StGB). Wer jedoch lediglich seine Monatskarte zuhause vergessen hat, dem kann nichts passieren. Denn das Gesetz berührt nur Fälle, in denen das Entgelt nicht gezahlt wurde. Meist wird in diesem Fall lediglich eine Gebühr erhoben. Beim Schwarzfahren gibt es zivil- und strafrechtliche Konsequenzen: Wer beim Schwarzfahren erwischt wird dem droht in der Regel ein erhöhtes Beförderungsentgelt in Höhe von 40 Euro, welches dem jeweiligen Verkehrsbetrieb zusteht. Bei wiederholtem Erwischen ohne Ticket kann der Verkehrbetrieb Anzeige erstatten und unter Umständen kommt auf den Schwarzfahrer ein Strafverfahren zu, welches vorm Richter enden kann.
Text: uli-schuster - Foto: Fritz / photocase.com