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Nur ruhig, ihr kriegt alle nen Job
Angestrichen:
90 Prozent der Schüler sind mit dem gegenwärtigen Schulsystem gut bedient. (...) Schon aus demografischen Gründen: In den nächsten 20 Jahren wird es auf dem Arbeitsmarkt in Deutschland eine wahnsinnige Nachfrage geben. Selbst mit einem Abi von 3,3 wird man kaum Probleme bekommen.
Wo steht das?
In einem Interview, das der Soziologe Heinz Bude der Deutschen Presseagentur gegeben hat. (Hier in einer Übernahme auf welt.de.)
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Und was will her Bude uns damit sagen?
Dass er ein neues Buch geschrieben hat. Es heißt „Bildungspanik“ und wir haben es noch nicht gelesen. Aber die Thesen des Buches werden schon an vielen Stellen im Internet diskutiert. Im Interview mit dem Deutschlandfunk beschreibt Bude die Angst jener Eltern, die einen prima Schulabschluss gemacht haben und „die jetzt für ihre Kinder wollen, dass die mindestens den gleichen Bildungsabschluss erreichen wie die Eltern“. Mitte der 50er Jahre, sagt Bude, machten acht Prozent eines Jahrgangs Abitur. Heute seien es 40 Prozent. Heute muss man demnach, und das scheinen sich viele Eltern zu denken, einen erheblich größeren Aufwand treiben, um dem Nachwuchs den Stempel „exklusiv ausgebildet“ aufdrücken zu können. Viele Eltern tun deshalb alles, um ihren Kindern auf jeden Fall den Zugang zum Gymnasium zu ermöglichen. Sie lernen mit ihnen, sie fördern sie so früh wie nur möglich. Heinz Bude erkennt darin schlimme Ängste. „Die haben Angst davor, dass sie eigentlich nicht so ganz genau wissen, was sie ihren Kindern für diese neue Welt mitgeben sollen. Was zählt eigentlich in 20 Jahren?“ Bude spricht von einem Erbe, das die Eltern weitergeben möchten. Dieses Erbe habe nichts mit einem Haus oder einer Firma zu tun. „Das Erbe, das man weiterzugeben hat, sind Bildungspatente und Bildungsmotivationen.“
Und so richtig haut das nicht mehr hin, mit dem Vererben. In Amerika sieht man das gerade. Ein teuer finanziertes Studium an einer tollen Universität war einmal die Eintrittskarte in ein gutes Berufsleben. Aber mittlerweile haben sich ein paar Dinge geändert und viele Absolventen in den USA bekommen keine Jobs mehr. Sie nehmen Aushilfsjobs an, um ihre Kredite abzahlen zu können. Die alten Bildungsrezepte funktionieren also nicht mehr so gut. Diese Gefahr besteht in Deutschland auch. Früher schien ein Studium der sichere Weg in ein einigermaßen abgesichertes Berufsleben zu sein. Heute ist das nicht mehr so. Bald werden mehr als die Hälfte aller Schüler eines Jahrgangs ein Abitur haben und studieren. Das ist nicht falsch und die Politiker wollten das immer so. Gleichzeitig werden immer mehr junge Menschen um die gleichbleibende Anzahl an akademischen Jobs ringen. Ist die Bildungspanik da nicht gerechtfertigt?
Das ist die Frage, auf die Heinz Bude eine fröhliche Antwort hat. Sie hat mit Geduld zu tun. Bude sagt, man könne sich eigentlich hinsetzen und abwarten, die demografische Entwicklung würde das Ihre tun. Es werden, sagt er, zu wenige Kinder geboren. Auf mittlere Sicht „gehen uns auf allen Ebenen des Beschäftigungssystems die Menschen aus“, so Bude. Chefärzte würden auf mittlere Sicht dann genauso gesucht wie Facharbeiter. Und auch mit weniger hohen Bildungsabschlüssen habe man dann noch die Chance, gute Jobs zu finden. Ob diese Budesche Gelassenheit auch bei den Eltern ankommt? Und ob sie wirklich gerechtfertigt ist? Das muss man, wie immer, abwarten.
Text: yvonne-gamringer - Foto: dpa