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Merkelmarusha
Angestrichen:
"Marusha ist unfähig oder unwillig, sich von ihrer Welt zu lösen, der Musikwelt, in der es Stars gibt und Fans. Und daher baut sie eine Beziehung zu Angela Merkel auf, die alle Elemente einer Fan-Beziehung aufweist. Marusha ist Merkelfan, sie schaut auf die Politikerin wie ein Teenager auf den Superstar. Alle Handlungen werden ins Positive gedreht, es gibt nichts, was der Star tun könnte, um die Liebe des Fans zu erschüttern. Jeder Hauch einer Kritik wird emotional bis irrational gekontert. Die Fan-Beziehung zu Politikern (außerhalb der Facebook-Bedeutung) aber ist das Gegenteil von einer aufgeklärten Demokratie."
Wo steht das?
Auf Sascha Lobos Blog. In dem Artikel "Marusha, Merkel und das deutsche Problem" lässt er sich über ein Interview aus, dass die in den 90er Jahren populäre DJane Marusha der Welt gegeben hat. Marusha outet sich darin als überzeugte CDU-Wählerin - allerdings nur wegen Angela Merkel.
Und wo ist das Problem?
Sascha Lobo wirft Marusha vor, bei ihrer Bewertung von Angela Merkel hoffnungslos kritikfrei zu sein. Sie wählt die CDU nicht aus einer Überzeugung heraus, sondern weil sie die Kanzlerin als Person spitze findet. Lobo verurteilt das als eine "milde Form des Irsinns."
Tatsächlich sagt Marusha in dem Interview Sätze wie "Angela Merkel leuchtet durch ihre Aura. Sie strahlt stärker als Gorleben" und gibt unumwunden zu, dass sie direkt die SPD wählen würde, wäre Merkel dort. Auch ihre Wahlempfehlung ("Schwarz-grün wäre super") macht sie daran fest, dass sie Angela Merkel mal mit Claudia Roth kichern sehen hat und sie sowieso bereits "halb vegan, halb vegetarisch" leben würde.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Marusha, DJane und Merkel-Fan
So schrecklich das jetzt klingt - vermutlich ist Marusha mit dieser Haltung nicht alleine. Einzig die Tatsache, dass sie als leicht durchgeknallt wirkende DJane in Schwurbelsprache ihre Meinung so konsequent vertritt, macht es belustigend. Aber faktisch wählen viele die CDU wegen Merkel oder nicht die SPD wegen Steinbrück. Viele Politiker haben sich das mittlerweile zunutze gemacht: Die SPD wirbt im Bayernwahlkampf hauptsächlich mit dem Konterfei von Christian Ude, bei den Guttenbergs hat man wiederum gesehen, wie mehr Person und weniger Inhalte katastrophal schiefgehen kann.
Nun könnte uns das von Sascha Lobo angesprochene Fantum um Politiker einigermaßen egal sein, hätten wir ein Personenwahlrecht wie in den USA. Dort ist es folgerichtig, dass Barack Obama wie ein Popstar auftritt und auch behandelt wird - eben weil er vom Volk gemocht werden muss, um gewählt zu werden.
Deutschland mit seiner repräsentativen Demokratie ist hingegen so angedacht, dass wir uns mit Parteiprogrammen auseinandersetzen sollen, bevor wir eine Wahlentscheidung treffen. Am Ende entscheidet dann der Bundestag über die Personen, nicht der Wähler.
Dass den Leuten irgendein festgelegtes Demokratieprinzip allerdings ziemlich schnurz ist und sie trotzdem lieber wissen wollen, ob Angela Merkel gerne Currywurst isst und auf Rockkonzerte geht, wurde dabei nicht bedacht. Die meisten geben ja auch ungerne zu, dass sie lieber die "Bunte" als ein Parteiprogramm lesen. Und so passiert es, dass viele unbemerkt die Partei mit der sympathischsten Hauptfigur wählen, anstatt sich zu informieren. Die arme Marusha, die nun ziemlich viel einstecken muss, hat das nur ausgesprochen. So giftig Sascha Lobos Analyse von Marushas Schwurbelinterview also sein mag - mit dem Satz "das ist das Gegenteil einer aufgeklärten Demokratie" hat er absolut recht.
Text: charlotte-haunhorst - Foto: CC by 2.0