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www.adbusters.org angestrichen: Wir werden das postmoderne Spiegelkabinett zertrümmern und selbst bestimmen, was es heißt zu leben. Wir werden die Schlacht grundsätzlich neu definieren. Die alten politischen Gegensätze (...) werden in den Hintergrund treten. Die einzige Schlacht, die es lohnt geschlagen und gewonnen zu werden, die einzige, die uns befreien kann, ist die Schlacht der Menschen gegen die Coolnessmaschine der Konzerne. Wo steht das denn? Kalle Lasn schreibt das in seinem Manifest "Culture Jamming. Die Rückeroberung der Zeichen". Der durchgeknallte Este, der in Australien aufwuchs, lange in Tokio lebte,1970 nach Vancouver zog und den "Buy-Nothing-Day" erfunden hat, sagt den Konzernen mit ihrem Markenterror den Kampf an. Rund 3000 Werbebotschaften rieseln täglich über Radio, Fernsehen, Zeitung, Magazine, Plakatwände und Internet auf uns ein. Kaufhäuser und Konzerne geben jährlich Unsummen für Werbung aus und über 55.000 Marken werden zurzeit in Deutschland beworben. Kalle Lasn sagt: Es reicht. Die Schmerzgrenze ist erreicht. Wir haben die Kontrolle über die Konzerne verloren. Wir sind schon selbst zu Marken degeneriert und leben ein programmiertes Leben, ohne es überhaupt zu merken. Wir kaufen uns Nike-Turnschuhe, weil uns der Slogan "Just do it!" Freiheit und Individualität verspricht, aber wir bekommen nur von Konzernen gefertigte Konformität. Und hat Lasn nicht Recht? Ich fühle mich tatsächlich manchmal wie Truman Burbank aus der "Truman Show", der bei seiner Geburt von einem Unternehmen adoptiert wurde und dessen Leben, ohne es zu wissen, eine unendliche Seifenoper voller Product Placement ist. Lasns Mission heißt deshalb: Den Konsumwahn bekämpfen - mit Hilfe von "culture jamming". "To jam" heißt so viel wie blockieren oder einklemmen; und der Begriff bezeichnet eine Strategie der Störung, eine Art Guerillakampf gegen die Dominanz der Marken im öffentlichen Leben. Culture Jammer wollen das Sand im Getriebe der alles verheißenden und nichts erfüllenden Werbeindustrie sein. Sie wollen existierende Machtstrukturen zum Einsturz bringen, ein neues, anarchistisches Bewusstsein heraufbeschwören und die Welt verändern. Hurra! Endlich eine Revolution, kann man da nur sagen. Wie das gehen soll? Kalle Lasn sagt: Wir müssen die Werbeindustrie mit ihren eigenen Mitteln schlagen. Als praktische Umsetzung des Culture-Jamming-Gedankens entwickelte er deshalb die Methode des "Adbusting", sprich mit Anti-Anzeigen. "Es funktioniert wie beim Judo", schreibt Lasn. "Wir nutzen die Wucht der millionenschweren Anzeigen und Spots der Werbeindustrie und hauen sie auf die Matte, indem wir die teuer eingeführten und positiv konnontierten Symbole einfach umdrehen." So bekommt etwa Ronald McDonald einen Klebestreifen mit der Aufschrift Grease über den Mund gepappt, wobei die güldenen McDonalds Bögen die "e"s bilden, das Camel-Kamel wird zu Chemo-Kamel und mit den Initialen von Calvin Klein werden leckerer chiCKen breasts angeboten. Weil aber einige Konzerne das Spiel mit den Logos und Markenidentitäten, das eigentlich gegen sie gerichtet war, schon wieder selbst aufgenommen und in die Verwertungsschleife zurückgeschickt haben (z. B. Nike), bietet Lasn einen zweiten Weg zur Befreiung, der auch mir als Nicht-Grafiker wesentlich machbarer scheint: Spontaneität. Spontanes Handeln ist ein Statement persönlicher Unabhängigkeit, so Lasn, weil man den Alltagstrott unterbricht. Mit dem Sprung ins Unbekannte wird man wieder lebendig, man wird vom Objekt zum Subjekt, verändert den Blickwinkel und sieht Sachen plötzlich anders. Forever Punk! Mit einer Reihe spontaner Handlungen hat es schließlich auch Truman Burbank geschafft, aus seiner Soap auszubrechen, nachdem er nach einer unbeabsichtigten spontanen Handlung das Fernsehszenario ins Wanken gebracht und einen Blick auf die echte Welt erhascht hatte. Steht im Bücherregal zwischen: Naomi Kleins "No Logo" (na klar, was auch sonst) und Greil Marcus' "Lipstick Traces" über die Sex Pistols und Punk – Gesellschaftskritik als Kunstform und Kunst als Protestform. "Culture Jamming. Die Rückeroberung der Zeichen" von Kalle Lasn. Erschienen im Verlag orange-press. 224 Seiten. 20 Euro.

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