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Französische Comic-Flucht: „Autoroute Du Soleil“
Angestrichen: “Karim Kemal ist 22 Jahre alt. Und hat einen schlechten Ruf. Man munkelt, dass er ein Vermögen beim Kartenspiel verdient hat... Dass er mit Drogen dealt...Dass er Aids hat...Dass ihm keine widerstehen kann und er sich von reichen Frauen für die Liebe bezahlen lässt. Hinzu kommt seine seltsame Vorliebe für alles, was aus den Fünfziger Jahren stammt...Das alles trägt bei zu Karims schlechten Ruf in diesem Arbeiterviertel, das er nie verlassen hat. Alexandre Barbieri spielt nicht Karten, nimmt keine Drogen und schläft nicht mit reichen Frauen. Seine Bewunderung für Karim ist grenzenlos...“
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Wo steht das denn? Ganz am Anfang. Da wo Karim und Alexandre ihren halbgemütlichen und graumelierten Alltag im Arbeiter-Kiez in Nancy verbringen. Kurz bevor sogenannte unglückliche Zufälle eintreten werden, die alles in Stücke reißen. Die beiden Vorstadtfreunde können eigentlich unterschiedlicher nicht sein. Der Italo-Franzose Alexandre ist der verschüchterte Bubi mit dicker Brille und verwuschelten Haaren. Karim hingegen ist der personifizierte James Dean der Vorstadt - afrikanische Roots und Seximage inklusive. Seine Bettgeschichten bringen alles erst ins Rollen.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Nach einem nächtlichen Ausflug mit Alexandre findet sich Karim im Bett einer reichen Frau wieder, ohne zu ahnen, was das für Folgen haben wird. Karim liegt da nämlich auf der Ehefrau von Dr. Roul Faurisser, dem aktuellen Spitzenkandidaten des rechten „Elan National Francais“. Die beiden werden trotz der tapsigen Warnungen von Alexandre inflagranti vom Hausherren erwischt und bringen damit eine Bombe zum ticken, die im Laufe des Buches immer lauter explodieren will. Der Oberfascho Faurisser will nur eines: Rache! Und seine Schlägertrupps helfen gerne, wenn es darum geht „falschen Franzosen“ eins zu verpassen. Karim und Alexandre laufen in dieser Nacht das erste Mal um ihr Leben. Sie kratzen die Kurve, indem sie eine stehende Karre mit laufendem Motor klauen und abhauen: Fahren, fahren, fahren auf der Autobahn. Doch die Stadt zu wechseln bedeutet nicht, dass alles gut wird. Die Glatzen bleiben hart und lauern den beiden auch in der Provinz auf und sorgen dafür, dass die Fluchtmöglichkeiten immer enger werden. Karim und Alexandre schlagen ständig Haken wie Kaninchen, was Faurisser nur noch wahnsinniger macht. Als die beiden dann noch unwissend als Drogenkuriere missbraucht werden, nachdem ihnen ein neues Auto zur Flucht überlassen wird, ist die Kacke so richtig am dampfen. Gejagt von einem verrückten Nazi und nun auch noch von zwielichtigen Drogenschiebern, finden die zwei Jungs ausgerechnet bei dem Typen Unterschlupf, dessen Auto sie zu Beginn ihrer Flucht geklaut haben. Und der ist über den ungewöhnlichen Besuch gar nicht so unglücklich... Ziemlich ausgepowert kommt es zum erlösenden Showdown im Hafen von Marseille.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
„Autoroute Du Soleil“ zeigt ein eindringliches Bild von Frankreich. Die beiden Vorstadtjungs lernen auf der Verfolgungsjagd viel über sich und die brüchige Gesellschaft in der sie leben. Baru gibt seiner Fluchtgeschichte viel Zeit. Vielleicht etwas zu viel. Über 400 Seiten wirken da schon mal wie ein berechenbarer Blockbuster mit Überlänge. Wettgemacht wird das aber durch die unverwechselbare Art, wie Baru seine Figuren zu Papier bringt. Sie wirken oft ungelenkig oder bizarr verstellt; bleiben aber immer unverkennbar. Sie haben eine lebendige Mimik, die einem in der Art selten in Comics begegnet. Der Irrsinn von Faurisser oder das Gefühlschaos der Vorstadtjungs kommt ziemlich echt rüber. Barus Geschichte entstand interessanterweise bei einem längeren Auslandsaufenthalt in Japan, was auch erklärt, warum Erzählelemente seines Comics oft an die schnellen Lesegewohnheiten in Fernost angepasst sind. Der Spannung tut dieses franko-japanische Sampling auf jeden Fall gut. „Autoroute Du Soleil“ ist ein anspruchsvoller Actioncomic, der ganz nebenbei das Explosionspotential in den französischen Banlieues schon Jahre vor den Krawallen erahnen konnte. Steht im Bücherregal zwischen: Dem Comic „Aufzeichnungen für eine Kriegsgeschichte“ von Gipi und der DVD „Auf der Flucht“ mit Harrison Ford. Autoroute Du Soleil von Baru , 430 Seiten schwarzweiss, erscheint bei Carlsen Comics und kostet 19,90 Euro. Cover und Fotos: Carlsen Verlag GmbH, Hamburg 2007