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Die Angst und ich
Angestrichen:
"There are no external circumstances that can erase the anxiety and fear of people like you and I - people who have this dream but also have a ton of terror regarding it. Getting that gig, getting that approval, getting that whatever your version of that dream job is - doesn’t erase the anxiety. The anxiety is internal. It’s part of us."
Wo steht das denn?
In "The Chase is the Thing and the Thing is the Chase" auf der Website der "Chris Gethard Show". In dem Text antwortet der US-amerikanische Autor und Comedian Chris Gethard, 32, auf einen Kommentar und die Frage, wie er den Mut aufbringt aufzutreten. Der anonyme Kommentator möchte selbst Schauspieler oder Comedian werden und hat Angst zu scheitern. Mit diesem Thema scheint er einen Nerv bei Gethard getroffen zu haben: Dieser antwortet mit einem etwa zehn DIN A4-Seiten langen Essay.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Und was heißt das?
Chris Gethard beschönigt nichts. Schon in den ersten Absätzen schreibt er, dass beim Film und auf der Bühne dieses Gefühl, die Angst, nie aufhören wird. Der Tenor des Textes ist eher trüb, an manchen Stellen deprimierend, trotzdem fühlt man sich beim Lesen irgendwie an die Hand genommen, am Arm getätschelt und getröstet. Das mit der Angst kennen nämlich nicht nur Schauspieler und Comedians, sondern jeder von uns.
In seinem Text erzählt Chris Gethard seine berufliche Lebensgeschichte, von Rückschlägen, dem Wiederaufstehen danach - und den Chancen, die sich daraus ergeben haben. Jetzt könnte man einwenden, dass die Sorgen, die Gethard beschreibt, Luxusprobleme sind (immerhin hat er eine eigene Fernseh-Show und schon Bücher veröffentlicht). Sind sie vielleicht auch, aber viel wichtiger ist doch, dass die Sache mit den Zweifeln und der Angst am Ende jeden gleichermaßen betrifft. Und das ist irgendwie sehr beruhigend.
So wie der anonyme Kommentator vermutlich Chris Gethard bewundert, so geht es wiederum Gethard selbst. Er schreibt von einem Gespräch zweier berühmter Persönlichkeiten, das er belauscht hat. Die beiden sind beruflich angekommen, haben gute Jobs ("Being on SNL! Being on The Daily Show! I think for any of us whose dream it is to do comedy, those would be two crown jewel jobs.") – und trotzdem quälen sie die gleichen Zweifel wie jeden von uns. Sie klagen, dass sie unsicher sind und Sorgen haben. Genau das ist der Punkt: Die Angst vergeht nicht. Auftritte, Applaus, auch wenn man vermeintlich alles erreicht hat, die Angst bleibt, sie ist ein Teil von uns, stellt Gethard fest. Niemals hätte er etwas erreicht, das ihm diese Angst, die Selbstzweifel und das Sich-in-Frage-Stellen genommen hätte. Da ist vielleicht ein bisschen mehr Geld, mehr Aufmerksamkeit, mehr Chancen bei den Frauen, eine Limousine, die einen abholt – aber man ist immer noch derselbe, mit denselben Zweifeln und Ängsten.
Gethard philosophiert auch darüber, wie man Erfolg definiert. Seine "The Chris Gethard Show" (TCGS) ist für ihn wie ein Baby ("That show represents a world that I am the architect of and that I believe in"). Er bekommt Emails von Fans, die ihm zeigen, dass er Verantwortung hat und seine Show jemandem etwas bedeutet. Für ihn ist das ein Erfolg. Finanziell ist die Show ein Flop und hat nur ein paar tausend Zuschauer.
Was man nun als Maßstab nimmt, muss jeder für sich selbst entscheiden, findet Gethard. Überhaupt, das mit dem Scheitern sieht er relativ, eigentlich sogar positiv: "Bombing is a sign that you’re learning." Er schreibt, dass man vor dem Versagen keine Angst haben muss, sondern davor, gar keine Angst mehr zu haben, weil man dann nicht mehr lernt, sondern selbstzufrieden ist. Das soll schließlich auch die Ausgangsfrage beantworten: Er habe nicht den Mut aufzutreten, sondern jedes Mal Angst. Wenn er keine Angst hat, macht er etwas, von dem er nicht weiß, wie es sich entwickelt, damit er wieder Angst hat. Sein Tipp: "Enjoy the failure. Learn to love the fear. Like a rollercoaster or a horror movie or like driving around New Jersey breaking into abandoned mental hospitals to look for ghosts in underground tunnels, learn to love the fear." Das klingt zwar ein bisschen altklug und nach dem katholischen Prinzip "Das wird schon alles seinen Sinn haben". Aber wenns hilft.
Text: kathrin-hollmer - Foto: zanthia / photocase.com