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Demonstriert gegen die Demonstranten

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[b]Angestrichen[/b] Wir sind Experten für besondere Erlebnisse. Wir sind Spezialisten für freundliche Begegnungen. [b]Wo steht das denn?[/b] Auf der Internetseite der Agentur sitibi aus Stuttgart. Deren Spezialgebiet ist Begegnungsmarketing. Mitarbeiter gehen auf Messen, veranstalten Events und gestalten das dazu passende Werbematerial. Im Mittelpunkt aber steht die persönliche Begegnung der Kunden mit dem gewünschten Zielpublikum „in einem positiv besetzten Kontext“. Gar nicht positiv ist allerdings der Zusammenhang, in dem die Gegner von Stuttgart21, dem Umbau des Hauptbahnhofs, gerade sitibi zu sprechen kommen. Sie werfen der Agentur vor, im Auftrag der Bahn Proteste gegen die Proteste zu organisieren. Fakt ist: In den vergangenen Wochen gab es einige Aktionen von Stuttgart21 Befürwortern. Am 24. September zogen 2000 Menschen unter dem Motto Wir sind Stuttgart21 durch die Innenstadt. Kommenden Donnerstag soll wieder ein Laufen für Stuttgart stattfinden, bei dem die Befürworter durch den Schlossgarten laufen. Zu beiden Aktionen gibt es Webseiten. Die wurden freilich auch von den Stuttgart21 Gegnern besucht. Einigen fiel dabei auf, dass ein Christian List bei beiden im Impressum steht - und zwar nicht mit seiner privaten sondern mit seiner Firmenadresse. Die lautet Krefelder Straße 32, wo die Agentur sitibi ihr Büro hat. List ist ihr Geschäftsführer. Zu den Kunden von sitibi zählte früher auch die Deutsche Bahn AG. List bestreitet allerdings einen direkten Zusammenhang: „Den Protest organisiere ich als Privatperson. Natürlich nutzen mir dabei auch die Fähigkeiten, mit denen ich im Beruf arbeite. Wir werden aber nicht von der Bahn dafür bezahlt. Wäre das so, würden wir es cleverer anstellen.“ Stattdessen gehe es ihm um demokratische Prinzipien, die er von den Gegnern verletzt sieht. „Als ich Ende August gesehen hab, wie die Demonstranten den Politikern vorwarfen, ein Lügenpack zu sein, da ging mir das eindeutig zu weit.“ Seit dem engagiere er sich privat für den Neubau des Bahnhofs. Das alle pro S21 Webseiten auf seine Firmenadresse laufen, habe rein praktische Gründe. „Ich habe durch meinen Firmenaccount einfach eine Reihe von Domain- und Emailadressen zu Verfügung, da bot sich an, die pro S21 Seiten auch darüber laufen zu lassen.“

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Zum "Oben-Bleiben" Button der Gegner (rechts) gesellt sich jetzt auch der "Oben-Ohne" Anstecker der Befürworter. Das wollen ihm einige Gegner nicht glauben. Sie vermuten, dass es sich bei den Protesten um eine Form von Astroturfing handelt. Die Befürworterbewegung sei eine Inszenierung. Dafür spricht, dass die Bahn bereits in der Vergangenheit Geld für sogenannte No Badge Aktivitäten ausgegeben hat. Dabei wurden beispielsweise Leserbriefe und Blogeinträge im Internet inszeniert, um den Konzern in ein günstiges Licht zu rücken. Es gibt aber auch Stimmen, die weniger Verschwörung hinter den Pro Stuttgart21 Aktivitäten vermuten. Simon Wiem, Vorstandsmitglied der BUND Jugend Baden-Württemberg, vermutet, dass die Aktionen der Befürworter eher eine Reaktion auf die Proteste sind: „Es gab ja schon immer Leute, die Stuttgart21 gut fanden. Nur haben die vorher wahrscheinlich geglaubt, der Umbau würde glatt über die Bühne gehen. Jetzt wo sie sehen, dass so viele Leute dagegen auf die Straße gehen, wollen sie eben zeigen, dass sie auch noch da sind.“ Als Organisation hat sich die BUNDJugend bislang nicht mit den Fürsprechern auseinandergesetzt, privat sagt der 24-Jährige aber: „Ich finde es in Ordnung, dass es die Aktionen gibt. In der Demokratie hat schließlich jeder das Recht, seine Meinung frei zu äußern.“ Allerdings habe er das Gefühl, dass die Befürworter in der Stadt in der Minderheit seien.

Text: clemens-haug - Collage: Alper Özer

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