Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

Brauchen wir die Freie Universität Deutschland?

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

Angestrichen:
THIS IS A PROTEST against the privatisation of higher education made clear in the UK government’s public sector cuts. We believe that higher education is a right, not a privilege. All lecturers and artists donate their time for the making of the university’s programme, the Foundation Degree in Culture and Performance and the BA in Cultural Praxis.

Wo steht das?
Auf der Webseite der Free University of Liverpool.

Was bedeutet das Ganze?
Überall verändert sich gerade die Bildung. In Europa wurde mit der Bologna Reform das Hochschulstudium gestrafft, Credit Points sind in den Mittelpunkt der Ausbildung gerückt. In Deutschland wurden in vielen Ländern Studiengebühren eingeführt, aus den eigentlich mal sehr freien Universitäten wurden formatierte Universitäten. Die einstige Idee von „Freie Bildung für alle“ scheint immer wieder neu aufzuweichen und viele fragen: Darf man gute Bildung von Geld abhängig machen? In den USA und in Großbritannien kostet ein gutes Studium schon sehr lange sehr viel. Immer wieder werden die Studiengebühren angehoben, erst jüngst war es in Großbritannien wieder soweit. Mehrere britische Professoren haben nun keine Lust mehr auf diese Entwicklung. Höhere Bildung, schreiben sie, sei ein Recht für alle und keineswegs ein Privileg für wenige. Nun gründen sie die „Free University of Liverpool“ (FUL). Wer dort studiert, muss kein Geld zahlen. Wer sich dort bewirbt, muss keine Vorbildung haben. Die Macher der Universität wollen nicht mal einen Lebenslauf sehen und suchen in erster Linie nach Leuten, die es bislang gerade nicht auf eine Universität geschafft haben. Zurzeit kann man sich noch für den ersten Studiengang bewerben: Von Oktober dieses Jahres bis zum April 2012 werden 15 Studenten unterrichtet, die einen „Foundation Degree in Culture and Performance“ anstreben. (Der Abschluss ist in etwa mit einem Vordiplom in Deutschland zu vergleichen.) Im Oktober kommenden Jahres soll dann ein dreijähriger Bachelor in „Cultural Praxis“ angeboten werden.

Default Bild

„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Die wahren Initiatoren der Uni sind gerade nicht ausfindig zu machen. Immer wieder ist vo einem „Komitee“ die Rede, das angeblich aus vielen Professoren besteht, die an Hochschulen in England oder in den USA unterrichten. Sie möchten unbekannt bleiben, schreibt der britische Guardian, weil sie Händel mit ihren geldgebenden Hochschulen befürchten, wenn sie sich für eine Alternativhochschule engagieren, deren wichtigstes Anliegen der Protest gegen die vorhandene Hochschulbildung ist.

Das Projekt steckt noch in sehr kleinen Schuhen und niemand kann sagen, wie lange sich die neue Uni hält. Wirklich länger als drei Jahre? Wenn man sich die lange Liste der Dozenten und Künstler ansieht, die sich bereit erklärt haben, an der FUL Vorträge und Workshops zu halten, könnte man tatsächlich an eine Idee von Dauer glauben. Vielleicht kommt es aber auch gar nicht darauf an, wie gut der Betrieb der FUL am Ende läuft und was die Abschlüsse wert sind. „Das Komitee“ hat es immerhin nicht bei einer Petition oder einem einfachen Gastbeitrag in einer Zeitung gelassen, in dem eine Reform der Hochschulbildung gefordert wird. Die anonymen Protestierer fangen einfach selbst mit der Reform an. Warum auch nicht? Die Idee einer neuen Universität, die sich allein entlang den Bedürfnissen von Lehrern und Studenten entwickelt, ist eine reizvolle Vorstellung. Müsste man das nicht sogar in Deutschland versuchen? Die Frage ist, ob man zurzeit genug Hochschullehrer oder Ex-Studenten zusammen bekäme, die Lust und Energie haben, eine alternative Universität zu gründen. Womöglich ist eine „Freie Universität Deutschland“ eher eine Idee für Hochschulprotest- und Audimaxbesetzungszeiten. Und die sind gerade nicht. Gerade sind Semesterferien. Aber das heißt ja nicht, dass man sich den Link zur FUL nicht mal bookmarken kann. Einfach so. Für den Fall, dass man eine kluge Idee für guten Protest braucht.



Text: peter-wagner - Foto: Screenshot

  • teilen
  • schließen